Kritik:Große Gesten

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Begeisterter Applaus platzt bei Khatia Buniatishvili fast in jeden Schlussakkord. (Foto: Joel Saget/AFP)

Pianistin Khatia Buniatishvili zwischen flackendem Kaminfeuer und lodernder Virtuosität im Prinzregententheater.

Von Andreas Pernpeintner, München

Es mag die Wehmut sein, dass nun die Musik vielerorts erst einmal wieder verstummt, die das Publikum und die Pianistin Khatia Buniatishvili (die sich nicht lange bitten lässt) im Prinzregententheater zu gleich drei Zugaben treibt. Darunter Debussys "Clair de lune". Ja, Buniatishvili spielt hier ein sehr populäres Programm aus kürzeren Kompositionen, wie Erik Saties Gymnopédie Nr. 1 und Chopins As-Dur-Polonaise op. 53. Ein Programm wie "Die schönste Klaviermusik für ein Glas Rotwein vor dem Kaminfeuer" - und der Saal wird tatsächlich schummrig abgedunkelt.

Ist das kitschig? Ganz bestimmt zwischenzeitlich auch das. Vor allem aber ist's hinreißend. Der Clou ist nämlich, dass Buniatishvili die Stücke zu dramaturgisch schlüssigen Sinneinheiten zusammenstellt. So schmiedet sie zum Beispiel einen Dreierbund aus Chopins Mazurka op. 17/4, François Couperins "Les Barricades Mystérieuses" und Bachs a-Moll-Präludium samt Fuge BWV 543 in der Bearbeitung von Franz Liszt. Und Buniatishvili spannt die Einzelwerke so eng zusammen, als handelte es sich um eine Art atmosphärischen Variationssatz.

So entstehen Zusammenhänge, wo eigentlich Einzelwerke sind, so entsteht auch eine gute Abwechslung aus sanft flackerndem Kaminfeuer (etwa Bachs "Air" aus der D-Dur-Suite BWV 1068) und heftig lodernder Virtuosität (im Chopin-Scherzo Nr. 3 und vor allem in der Liszt-Horowitz'schen Zirkusnummer der Ungarischen Rhapsodie Nr. 2, in der so ziemlich alle Tasten des Flügels zu treffen sind, und in der Buniatishvili auch die meisten davon trifft). Hier zuzuhören bereitet große Freude. Zumal Buniatishvili jedes Stück konsequent auf den Kerngedanken seiner Ausdrucksintensität trimmt: auf zärtlichste Weise ätherisch, wo es ohnehin schon duftet, hemmungslos in der großen Geste, wo das Virtuosinnenhaupt eh schon nach hinten geworfen ist. Natürlich hat das etwas Plakatives. Soll es ja auch. Denn das Konzerterlebnis ist dadurch so intensiv wie überzeugend.

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