Kritik:Sachsens Rache

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Kabarett-Literat Julius Fischer glänzt im Lustspielhaus.

Von Oliver Hochkeppel, München

Gebildet, klug und komisch - das ist im Land der seriösen Dichter und Denker verdächtig. Was daraus entsteht, nennt man dann gerne "Kleinkunst". Mit am schönsten hat den Typus des "Kleinkünstlers" ja Marc-Uwe Kling in seinen "Känguru"-Büchern zugleich dargestellt und parodiert. Einen Typus, den auch sein Freund Julius Fischer verkörpert, der zusammen mit ihm Lesebühnen bevölkert, Bücher veröffentlicht, in der Band Arbeitsgruppe Zukunft musiziert und auch einen Kurzauftritt im zweiten Känguru-Film haben wird: Poetry Slammer, Kabarettist, Comedian, Autor und Romancier, zwischen all diesen Stühlen bewegt sich der Leipziger. Was nun im Lustspielhaus einen entsprechend bunten und unterhaltsamen Abend bescherte.

Eine "Lesung" aus seinem neuen Roman "Ich hasse Menschen. Eine Art Liebesgeschichte" bildete die Klammer. Lesung steht aber schon deshalb in Anführungszeichen, weil Fischer die vorgetragenen Passagen so ausführlich mit Einleitungen, Erklärungen, Anmerkungen und spontanen Exkursen garnierte, dass etwas ganz Neues daraus entstand. Eine durch Improvisation nochmal gesteigerte Alter-Ego-Geschichte, die Sachsen-Bashing und Selbstironie aufs Lustigste mit Wortspielereien und Zeitkritik verbindet. Zwischendurch gab es auch mal einen aktuellen Text und natürlich Musik, verfügt Fischer doch auch über ein sattes Songwriter-Talent, solides Klavierspiel und eine eindrucksvolle Gesangsstimme. Alles seinem stets flinken und ironischen Geist und seiner auch noch bei zwei Rap-Songs literarischen Ader dienend.

Viele von Fischers Qualitäten kulminierten in einer Szene, die beschreibt, wie aus einem Pickel ein Hautarztbesuch mit anschließendem Krankenhausaufenthalt samt allerlei skurrilen Patienten wird. Diese vielleicht irrealste Geschichte ist kurioserweise der einzige Teil des Buchs, der auf wahren Erlebnissen beruht. Da wird dann aus Kleinkunst endgültig großes Cinéma vérité.

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