30 Jahre "Journalisten helfen Journalisten":Für Berichterstatter in Not

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Seit drei Jahrzehnten aktiv: der Verein "Journalisten helfen Journalisten". Bei der Jubiläumsrunde im Münchner Presseclub sprachen (von links) Mitgründerin Christiane Schlötzer, Mutasem Al-Hetari und Alexandra Föderl-Schmid, stellvertretende Chefredakteurin der SZ. (Foto: Stephan Rumpf)

Mehr als 1000 Journalistinnen und Journalisten hat der Münchner Verein seit 1993 weltweit geholfen. Zum Jubiläum startet Günther Jauch einen ungewöhnlichen Spendenaufruf.

Von Patrik Stäbler

Haso Tajic berichtete in den 1990er-Jahren im Bosnienkrieg für die Zeitung Oslobođenje aus dem belagerten Sarajevo. Die Stadt war zu jener Zeit ein gefährliches Terrain für Medienschaffende, weshalb er stets eine Splitterschutzweste trug. Eines Tages lieh der Reporter selbige dem Postboten seiner Zeitung und wurde Opfer eines Heckenschützen, der ihn schwer verletzte.

Tajic kam damals zur ärztlichen Behandlung nach Deutschland - unter Mithilfe des Vereins "Journalisten helfen Journalisten" (JhJ). Später kehrte er in seine Heimat zurück und arbeitete dort wieder als Reporter. Da er nun im Rollstuhl saß, musste Tajic sein Haus umbauen - und auch hier unterstützte ihn JhJ.

Insgesamt habe man seit 1993 mehr als tausend Journalistinnen und Journalisten geholfen, sagte Vorstandmitglied und Mitgründerin Christiane Schlötzer bei der Feier zum 30. Geburtstag des Vereins im Presseclub München. Dabei seien mehr als eine Million Euro geflossen - "nur aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen".

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Das meiste Geld wurde laut Schlötzer vor Ort ausgegeben, etwa in Afghanistan, Syrien, Irak, der Ukraine, Mexiko oder Uganda. "Es kommt nur selten vor, dass wir Journalisten nach Deutschland bringen", sagte die langjährige SZ-Redakteurin.

Vorderstes Ziel des Vereins sei die schnelle und unbürokratische Hilfe für Medienschaffende in Kriegs- und Krisengebieten. So unterstütze man etwa beim Lebensunterhalt, bei ärztlichen Behandlungen und der Wiederbeschaffung von zerstörtem Equipment. Früher hätten Korrespondenten die Hilfsgelder noch in Form von Hundert-Mark-Scheinen im Brustbeutel überbracht, erzählte Schlötzer. Heute geschehe dies meist per Western Union oder Moneygram.

Die 69-Jährige ist dem Verein in besonderer Weise verbunden. Schließlich geht seine Gründung auf den Tod ihres Ehemanns Egon Scotland zurück. Der SZ-Reporter wurde 1991 in Kroatien von einem Scharfschützen erschossen. "Das war ein großer Schock", erinnerte sich Christiane Schlötzer. "Aber durch das, was wir geschaffen haben, konnten wir diesen Schock vielleicht etwas mildern."

So hoben Bekannte von Egon Scotland vor 30 Jahren den Verein "Journalisten helfen Journalisten" aus der Taufe, der ursprünglich nur für die Zeit der Jugoslawienkriege existieren sollte. Doch dann entbrannten immer neue Krisen in der Welt, und so habe man "die Landkarte der Kriege abgearbeitet", wie es Christiane Schlötzer formulierte.

Ein Schwerpunkt war zuletzt Afghanistan, wo man seit der Machtübernahme der Taliban versuche, "den Kolleginnen und Kollegen beim Überleben zu helfen", sagte Schlötzer. Sie übte in dem Zusammenhang Kritik am Aufnahmeprogramm des Bundes, an das sich viele Journalisten gewandt hätten - jedoch erfolglos, da die Kriterien zu restriktiv seien.

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Vor dem Hintergrund der Kriege in der Ukraine und Israel sei Afghanistan in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund gerückt, sagte Schlötzer. Gleiches gelte für Syrien und Jemen, wo sich JhJ ebenfalls engagiert. Die Lage für Journalisten in seiner Heimat sei "grauenhaft", sagte Mutasem Al-Hetari. Er hat in Jemen für Al-Jazeera und die BBC gearbeitet, ehe er fliehen musste und nach Deutschland kam - auch dank der Unterstützung von JhJ. Der Verein habe seine Deutschkurse finanziert und helfe ihm beim Abschluss eines Journalistikstudiums, sagte der Kameramann.

Al-Hetari berichtete von etlichen Freunden, die er im Krieg verloren habe - darunter auch Medienschaffende. Laut Reporter ohne Grenzen wurden vergangenes Jahr in Jemen drei Journalisten bei ihrer Arbeit getötet; weltweit waren es 59.

Besonders gefährdet seien Fotografinnen und Kameramänner, die "Bilder von der Front" lieferten, sagte Alexandra Föderl-Schmid, stellvertretende Chefredakteurin der SZ. Wie wichtig die Arbeit dieser Menschen sei, habe man erst jüngst wieder beim Angriff auf das Gelände eines Krankenhauses in Gaza erlebt. "In Zeiten wie diesen ist es wichtiger denn je, Journalisten vor Ort zu haben", betonte Föderl-Schmid.

Ähnlich äußerte sich auch Günther Jauch in einer Videobotschaft zum Geburtstag des Vereins. Er wolle das Jubiläum zum Anlass nehmen, um bis zum Jahresende 30 000 Euro Spenden für JhJ zu sammeln, sagte der Fernsehmoderator. Sollten bis Weihnachten 15 000 Euro zusammenkommen, so Jauch, dann werde er die andere Hälfte des Betrags übernehmen.

"Journalisten helfen Journalisten" e.V.; Spendenkonto IBAN DE91 7015 0000 1002 7572 74 bei der Sparkasse München.

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