Johanneskirchen:Radieschen statt Asphalt

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Wegen eines alten Fehlers der Stadt gehört ein Stück der Glücksburger Straße Privatleuten. Sie streben jetzt den Rückbau an

Von Renate Winkler-Schlang, Johanneskirchen

Man stelle sich vor, eine Privatperson würde eine Straße sperren, auf einer Länge von 35 Metern den Asphalt entfernen, vielleicht Radieschen pflanzen oder einen Liegestuhl aufstellen und womöglich einen Zaun um das Ganze ziehen. Undenkbar? Im Falle des Flurstücks 725 der Glücksburger Straße hat das Bayerische Verwaltungsgericht ein solches Vorgehen - die Sperrung, Entsiegelung und Renaturierung - eindeutig erlaubt. Geschehen ist das bereits vor einem Jahr, im Oktober 2015. Weil die Richter der Stadt eine Frist eingeräumt haben, während der sie sich auf die Situation einstellen kann, darf der Rückbau vom 1. Januar an auch vollzogen werden. Die Glücksburger Straße hätte dann einen Stöpsel.

CSU-Sprecher Xaver Finkenzeller berichtete im Bogenhauser Bezirksausschuss die Vorgeschichte, die auch das städtische Baureferat in ihren Grundzügen bestätigt: Im Februar 1962 hatte die Stadt beim Inkrafttreten des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes ein Bestandsverzeichnis von öffentlichen Feld- und Waldwegen anzulegen. Die damals schmale Glücksburger Straße war dabei. Ziel war, so das Baureferat, "durch Widmung auch solche Grundstücke, die sich nicht in städtischem Eigentum befinden, auf Dauer dem Gemeingebrauch zu sichern". Um sie langfristig zu sichern, hätte die Stadt sie irgendwann auch offiziell widmen müssen und dabei die betroffenen Privatgrundstücke benennen müssen. Warum ausgerechnet die Glücksburger Straße dabei aber nicht erfasst wurde, lasse sich nachträglich nicht mehr rekonstruieren, erklärt Verena Assmann vom Baureferat.

Die offenbar bäuerliche Eigentümerfamilie hatte sich aber ihrerseits auch jahrzehntelang nicht gerührt. 2014 jedoch war der nächsten Generation offenbar klar geworden, dass die Straße nicht auf öffentlichem Grund, sondern auf ihrem Grund und Boden verläuft. Die vom Baureferat unterbreiteten Lösungsvorschläge wie Verkauf oder Tausch lehnten die Eigentümer laut Sprecherin Assmann ab. Über die Motive und Hintergründe kann man nur spekulieren. Es kam jedenfalls zum Prozess.

Das Gericht erklärte im Urteil, das jahrelange Stillschweigen der Eigentümer dürfe die Stadt nicht als Billigung des heutigen Zustandes deuten. Der Anspruch der Eigentümer sei daher nicht einfach verjährt. Gerade aber weil sie so lange nichts unternommen hätten, könnten sie auch nicht plötzlich von der Stadt verlangen, dass sie selbst den Rückbau der Straße erledigt. Hinnehmen aber müsste die Stadt diesen Rückbau sehr wohl, zumal Möglichkeiten bestünden, eine neue Trasse zu finden.

Finkenzeller will der Stadt nun keinen Vorwurf machen, dass sie einst die Widmung versemmelte, das könne passieren. Dass sie nun aber trotz des drohenden Ultimatums nicht reagiere, könne man schon als "relativ krassen Sachverhalt" bezeichnen. Die Glücksburger Straße sei "tagtäglich häufig verwendet" und stelle "gerade in diesem Bereich eine wichtige Verbindung dar". Er wolle daher wissen, ob und was die Stadt unternehmen werde.

Finkenzellers Einschätzung widersprach jedoch Christiane Hacker (SPD): Die Glücksburger Straße sei zwar in ihrem südlichen Abschnitt tatsächlich sehr befahren, doch in dem betroffenen Teil nördlich der Johanneskirchner Siedlung steuerten allenfalls "ein paar Trecker zur Biogasanlage". Die wenigen Bewohner der legalisierten Schwarzbausiedlung kämen auch auf anderen Wegen heim. Finkenzeller konterte, spätestens mit der SEM, der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme im Münchner Nordosten, werde sich das ändern. Hacker erklärte dazu, sollte die Stadt dann in einigen Jahren wirklich diese Fläche brauchen, werde sie sicher erneut verhandeln.

Vanessa Assman vom Baureferat berichtet, die Verkehrsplaner des Planungsreferats unternähmen nach ihren Informationen "vorerst keine weiteren Schritte". Das würde bedeuten, dass die Stadt den Rückbau einfach akzeptiert. Der Verkehr dort draußen sei schließlich "als gering einzuschätzen", sagt Assmann. Alle Verkehrsbeziehungen seien auch über die Apenrader Straße möglich, die für die Anlieger dadurch entstehenden Umwege seien kurz.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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