Jazz:Ausblick und Rückschau

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Liebt "richtige Bands", also kontinuierlich arbeitende Formationen, spielt seit dem Lockdown aber auch ganz alleine: Jazzposaunist Nils Wogram. (Foto: Corinne Haechler)

Der Posaunist Nils Wogram ist einer der besten und fleißigsten deutschen Jazzer. In der Unterfahrt feiert er das 20-jährige Bestehen seiner ältesten und wichtigsten Band "Roots 70" nach

Von Oliver Hochkeppel

Ein Jahr voller Aktivitäten und Feierlichkeiten durfte der Jazzposaunist Nils Wogram an Silvester erwarten: Gerade erst hinter sich hatte er die Gastauftritte mit der Jazzkantine, den Braunschweiger Pionieren des Dancefloor- und Hip-Hop-Jazz, zu deren festem Personal er einst gehört hatte und die nun 25-jähriges Bestehen feierte. Gleich Anfang Januar ging es dann mit Henning Sieverts Trio Symmethree auf Tour, in dem Wogram seit 2011 mitmischt, um das neue Album "Triple B" vorzustellen. So richtig los sollte es freilich Ende März gehen. Zum 20-Jährigen seiner ältesten noch bestehenden und wohl wichtigsten Band Roots 70 erschien auf seinem eigenen Label nWog Records - das obendrein den zehnten Geburtstag hatte - eine opulente, großformatige Box mit dem Gesamtwerk auf acht CDs und einer LP, mit Fotobüchlein sowie Noten und Videos auf USB-Stick. Natürlich sollte sich daran eine große Tournee anschließen. Doch dann kam Corona.

Dass der Lockdown Wogram besonders hart traf, weil er besonders viel zu feiern gehabt hätte, liegt auch daran, dass der 47-Jährige wohl nicht nur Deutschlands bester Jazzposaunist - alleine die Liste der Preise und Ehrungen vom SWR-Jazzpreis über den Jazz Echo und den BMW-Welt Jazz Award bis zum Albert-Mangelsdorff-Preis legt das nahe -, sondern vermutlich auch der fleißigste ist. Seit seinem Studium an der New School in New York - unter anderem bei Maria Schneider, Kenny Werner und Slide Hampton, schon davor saß er im BundesJazzorchester BuJazzO, der Kaderschmiede des deutschen Jazz - hat er ein nahezu unglaubliches Arbeitspensum vorgelegt. Als Sideman spielte er außer in den schon erwähnten Bands unter anderem zwölf Jahre lang in der Formation Underkarl des Bassisten Sebastian Gramss und bis heute im Quintett von Aki Takase. Vor allem aber unterhält er stets kaum weniger als ein halbes Dutzend eigener Projekte. Dazu gehörte immer ein Duo mit einem Pianisten; lange war das Simon Nabatov, seit 2013 spielt er jetzt mit dem seit vielen Jahren in Paris lebenden serbischen Pianisten Bojan Z (das Z steht für den Zungenbrecher Zulfikarpašic). Feste Duos bildet er auch mit dem Posaunisten Conny Bauer und mit der türkischen Sängerin Saadet Türköz, die wie Wogram seit einigen Jahren in Zürich lebt. Seit 2004 gibt es das um die Hammondorgel gruppierte Quartett Nostalghia und das neben Schlagzeug ausschließlich mit Blasinstrumenten besetzte Septett, seit 2012 auch noch das Vertigo Trombone Quartet. Weit über 20 Alben hat Wogram damit unter eigenem Namen veröffentlicht.

Der Lockdown führte ihn jetzt zu etwas, das er noch nie gemacht hat: einem Solo-Projekt. Er komponierte nur für sich und seine Posaune, am 16. Oktober wird das daraus entstandene Album "Bright Lights" erscheinen. Das hätte er jetzt natürlich auch beim für ihn reservierten Termin am kommenden Samstag in der Unterfahrt präsentieren können. Doch da gilt es nun erst einmal, das Roots-70-Jubiläum nachzufeiern. In der (freilich in Zürich, Belgrad und New York lebenden) neuseeländisch-deutschen Besetzung mit Hayden Chisholm am Saxofon, Matt Penman am Bass und Jochen Rückert am Schlagzeug - also ohne Harmonieinstrument - ist immer noch mit am besten zu hören, was Wogram so auszeichnet: Die Erweiterung der Sprache des Jazz, ohne seine Wurzeln und Traditionen zu vergessen. So befassten sich die meist als Konzeptalben konzipierten CDs von Roots 70 schon mit Blues und Bebop, mit Standards und Vierteltönen, immer aber mit einem avantgardistischen, auf ungerade Metrik oder jazz-fremde Elemente konzentrierten Zugang. Was der herausragende Techniker Wogram zur Freude des Unterfahrt-Publikums sicher wieder mit allem Möglichen von Growls bis zu Multiphonics befeuern wird.

Nils Wogram Root 70 , Samstag, 26. Sept., 19 und 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42, info@unterfahrt.de

© SZ vom 24.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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