Isarvorstadt:Am Schuljahresende ist Schluss

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Die Pasold-Weißauer-Schule an der Augsburgerstraße, in der Nähe des Sendlinger-Tor-Platzes. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Beispiel der Wirtschaftsschule Pasold-Weißauer zeigt, wie schlecht es um diese Einrichtungen bestellt ist: Die Anmeldezahlen sind drastisch gesunken, an manchen Standorten sogar existenzgefährdend

Von Melanie Just, Isarvorstadt

Die Wirtschaftsschule Pasold-Weißauer in der Isarvorstadt muss zum Schuljahresende schließen. Schon länger seien die Schülerzahlen immer weiter zurückgegangen, meint Schulleiter Josef Grünzinger. Demnach sei seit Jahren keine siebte Klasse mehr zustande gekommen. "Früher hatten wir rund 300 Schüler, heute sind es nur noch 150." Gründe für diese Entwicklung sieht der Rektor zum einen im demografischen Wandel und dem damit verbundenen Rückgang der Schülerzahlen. "Zum anderen hat es auch mit der Schulpolitik der vergangenen Jahre zu tun. Schüler können nun auch an Haupt- und Mittelschulen einen mittleren Abschluss erlangen. Viele Eltern sehen daher keine Notwendigkeit mehr, ihre Kinder auf eine Wirtschaftsschule zu schicken."

Schon im Dezember 2015 haben die Angestellten ihre Kündigung bekommen, sind seitdem auf Stellensuche. Was aber wird aus den rund 75 Schülern, die ihren Abschluss noch nicht erreicht haben? "Ein Teil davon hat sich entschieden, an unseren zweiten Standort in Holzkirchen zu wechseln. Die übrigen Schüler müssen sich umorientieren, eine andere Schule suchen oder sie beginnen eine Ausbildung", sagt Grünzinger. Als die Jugendlichen von der Schließung gehört hätten, sei die Betroffenheit groß gewesen. "Unsere Schüler sind gerne zu uns gekommen. Es hat sie sehr getroffen, dass zum Schuljahresende hier Schluss sein wird." Der Standort in Holzkirchen habe sich zwar in jüngster Zeit etwas stabilisiert. "Aber man kann schlecht planen. Auch wenn es derzeit dort ganz gut aussieht, weiß man nicht, was in ein oder zwei Jahren ist."

An Wirtschaftsschulen werden seit Generationen kaufmännische Nachwuchskräfte ausgebildet. In Bayern gibt es aktuell rund 80 solcher Einrichtungen mit ungefähr 20 000 Schülern. Doch die Anmeldezahlen sind in den vergangenen vier bis sechs Jahren bayernweit drastisch und an manchen Standorten existenzgefährdend zurückgegangen. Die fehlende Planungssicherheit bemängelt auch Elmar Tittes, Vorsitzender des Landesverbandes der Direktorenvereinigung der Bayerischen Wirtschaftsschulen (DBW), der auch die genauen Zahlen der Rückgänge kennt: Hatten im Jahr 2010 noch rund 1600 Schüler eine dreistufige Wirtschaftsschule - sie umfasst die Jahrgangsstufen acht bis zehn - besucht, waren es 2015 nur noch 400 Schüler. Drastisch sank auch die Zahl in den vierstufigen Wirtschaftsschulen, die die Jahrgangsstufen sieben bis zehn beinhalten, nämlich von 3700 Schülern im Jahr 2010 auf 1600 Schüler im Jahr 2015. Insgesamt ist das ein Rückgang von 57 Prozent.

Bei der Wirtschaftsschule Kermess in Pasing gingen ebenfalls immer weniger Anmeldungen ein. Schulleiter Thomas Fichtner sagt ganz klar: "Wir dürfen Schüler bisher frühestens ab Klasse sieben bei uns aufnehmen. Doch die Entscheidung, welche Schullaufbahn die Kinder nach der Grundschule einschlagen, fällt bereits in der vierten oder fünften Klasse. Nach der sechsten Klasse wechselt kaum jemand nochmals auf eine andere Schule." Andererseits stehe er mit mehr als 40 Eltern in Kontakt, die ihre Kinder gerne an der Wirtschaftsschule für die sechste Klasse anmelden würden. "Da wir aber keinen Einstieg in eine sechste Klasse genehmigt bekommen, müssen wir diese Eltern vertrösten. Insofern fehlt es der Wirtschaftsschule aus strukturellen Gründen an Schülern und nicht aus Mangel an Interesse", sagt Fichtner. Die Schulen seien stattdessen auf einen stark ansteigenden Anteil von Abgängern aus Gymnasium und Realschule angewiesen. "Die sind aber leider oft weniger aus echtem Interesse als ihrer Noten wegen bei uns."

Das Hauptproblem der Wirtschaftsschulen - der späte Start mit Klasse sieben - bringt auch Eltern in einen Konflikt: "Viele fühlen sich unter Druck gesetzt, wenn sie schon in der Grundschule entscheiden müssen, welche Schullaufbahn ihr Kind einschlagen soll. Sie würden ihm gerne die Zeit geben, sich in Ruhe zu entwickeln, sehen aber keine Alternative zum frühzeitigen Übertritt an das Gymnasium oder die Realschule", so Tittes. Um beiden Seiten eine Perspektive zu ermöglichen, hatte der bayerische Landtag vom Staatsministerium für Bildung und Kultus den Modellversuch "Wirtschaftsschule ab der Jahrgangsstufe sechs" gefordert, der seit dem Schuljahr 2013/2014 läuft. Bayernweit dürfen fünf Schulen daran teilnehmen, darunter drei private, zwei staatliche, jedoch keine kommunale. Für München wurde die Wirtschaftsschule München-Ost in der Isarvorstadt ausgewählt.

Laut Ministerium gab es von den Modellschulen positives Feedback: Anmeldezahlen seien gestiegen und Lehrkräfte berichteten, dass sich ein Eintritt in Klasse sechs insbesondere auf die Sozial- und Personalkompetenz der Schüler positiv auswirke. Die Direktion der Kermess-Schule wollte nicht abwarten, bis der Versuch ausgeweitet wird, und hat auf die Problematik ganz individuell reagiert, um attraktiver zu werden: Vom nächsten Schuljahr an bietet die Schule einen freiwilligen Förderunterricht in den Fächern Sport und Kunst an: Vier Stunden pro Woche können Mädchen und Jungen an einem Fußballtraining oder an Kunstprojekten teilnehmen. Obwohl die Angebote zusätzlich zum Schulgeld bezahlt werden müssen, seien die Anmeldungen für das kommende Schuljahr deutlich gestiegen: "Mit den Zusatzangeboten haben wir uns erfolgreich gegen den auch bei uns schmerzhaften Trend abnehmender Schülerzahlen gestemmt und können mehr als deutlich gestiegene Anmeldezahlen verzeichnen", so Fichtner.

Der Vorsitzende der Direktorenvereinigung sieht trotz der Rückgänge eine Zukunft für die Wirtschaftsschule: "Derzeit werden an den Schulen viele individuelle Maßnahmen auf den Weg gebracht, um diese Schulform attraktiver zu gestalten." Nach aktuellen Angaben des Kultusministeriums wird es zudem zum Schuljahr 2017/2018 eine Ausweitung des Modellversuchs geben. Fünf zusätzliche Schulen dürfen dann eine sechste Jahrgangsstufe anbieten. Welche Schulen dafür ausgewählt werden, entscheidet sich erst im kommenden Schuljahr. Möglich, dass davon auch München profitieren wird.

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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