Immobilienstreit auf der Praterinsel:Ausgesperrt

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"So nicht Herr Brunner", findet Wolfgang Flatz, der hier Anfang der Woche vor seinem versperrten Wohnatelier auf der Praterinsel steht. (Foto: Felix Hörhager)

Baulöwe Urs Brunner will den Künstler Wolfgang Flatz aus dem Atelier auf der Praterinsel vertreiben

Von Evelyn Vogel, München

Mit krassen Aktionen kennt Wolfgang Flatz sich aus. Der 68 Jahre alte, in Österreich geborene und seit 1975 in München lebende Performance-Künstler und Documenta IX-Teilnehmer hat im Laufe seiner Karriere seinen Körper für wirklich krasse Aktionen benutzt. So ließ er sich 1979 in Stuttgart als lebende Zielscheibe mit Dartpfeilen bewerfen und 1990/91 in Tiflis als lebenden Glockenschwengel gegen Wände schlagen. 2001 schwebte er an einem Haken hängend blutverschmiert über Berlin und rammte sich 2010 in Innsbruck zwei Stunden lang den Schädel gegen Metallplatten.

Nun hat er, der nach dem Motto lebt "Mut tut gut", es aktuell mit einer ganz anderen krassen Aktion zu. Sein Wohnatelier auf der Praterinsel ist seit einigen Tagen verrammelt und verriegelt. Am vergangenen Montag fand er die Eingangstür mit einem Brett verschraubt vor, das Eingangstor mit einer Eisentraverse verriegelt. Dicke Schlösser hängen daran, auf den Fotos, die Flatz sofort hat machen lassen, ist rechts und links noch der frische rote Bohrstaub erkennbar. Bereits Anfang April waren ihm schon Strom, Heizung und Wasser abgestellt worden. Was ist los?

Flatz soll raus aus den Räumen. So will es der derzeitige Eigentümer, die Terrena Dr. Brunner AG, der die Praterinsel seit 2015 gehört. Der Gesellschafter Urs Brunner und der Künstler Wolfgang Flatz liegen im Streit. Der Mail-Verkehr ist recht persönlich. Man duzt sich. Doch die Worte - und zuletzt auch die Taten - sprechen eine andere Sprache.

So schrieb Brunner dieser Tage an Flatz in einer Mail: "Entsprechend meiner letzten E-Mail haben wir uns aufgrund Deiner gezeigten extremen Undankbarkeit entschlossen, die Dir bisher gewährte Gastfreundschaft nicht weiter fortzusetzen, sondern die Räumlichkeiten des Hauses 4 wieder selbst in Besitz zu nehmen. Dabei mussten wir feststellen, dass Du die lediglich als Lkw-Garage der einstigen Likörfabrik Riemerschmid genehmigten Räumlichkeiten vollkommen unsachgemäß entgegen sämtlichen Baubestimmungen, insbesondere hinsichtlich des baulichen Brandschutzes, ohne jede Genehmigung so umgebaut hast, dass sie Deinen Nutzungsvorstellungen entsprachen. Da aufgrund der unsachgemäßen ungenehmigten Umbauten bei einer Nutzung der Flächen, insbesondere im Bereich des Dachbodens, Gefahr für Leib und Leben der sich dort aufhaltenden Personen besteht, haben wir den Zugang zum Gebäude aus Sicherheitsgründen blockiert."

Die Praterinsel hat eine wechselvolle Geschichte. Aktuell ist Urs Brunner der Eigentümer. (Foto: Imago Images/Imagebroker)

In einer Stellungnahme, um die die SZ Brunner gebeten hat, ergänzt er: "Die Räumung ist alleine deswegen unumgänglich, weil wir bei einer weiteren Duldung ... Gefahr laufen, im Schadensfall von den Behörden mit zur Verantwortung gezogen zu werden. Darüber hinaus haben wir im Rahmen von anstehenden Umbauarbeiten im Haus 3 selbst dringenden Bedarf an Abstellflächen, wozu die ehemalige Lkw-Garage bauordnungsrechtlich ohne weitere Genehmigungen geeignet ist."

Flatz benutzt die Räume auf der in der Isar gelegenen Praterinsel nach eigenen Angaben seit 1988. Hier lagert ein Teil seines Werks, hier ist sein Sohn aufgewachsen - wie er sagt, ohne dass ihm je Gefahr gedroht habe. Bevor Brunner die Flussinsel erwarb, gehörte sie der Augsburger Immobilienverwaltungsgesellschaft Patrizia AG und davor dem mittlerweile gestorbenen Unternehmer Dieter Bock. Nach Angaben von Flatz schlug Dieter Bock ihm 1988 die kostenfreie Nutzung der Mieträume vor unter der Auflage, sich im Gegenzug für ein positives Image der Praterinsel in den Medien einzusetzen und dies in der Öffentlichkeit auch zu vertreten. Die Patrizia übernahm die bestehende Vereinbarung - formlos, wie Flatz sagt, "weder bei Bock (19 Jahre) noch bei der Patrizia AG (8 Jahre) noch bei Brunner habe ich jemals Miete oder Nebenkosten bezahlt. Urs Brunner habe die Vereinbarung, die von einer ehemaligen Mitarbeiterin Bocks eidesstattlich bestätigt wurde, vor dem Kauf gekannt. Und drei Jahre lang habe er auch nichts von Brunner gehört.

Wie die "Chronologie einer feindlichen Übernahme", so nennt Flatz die Vorgänge, dann abgelaufen sei, schildert er folgendermaßen: Im Dezember 2018 habe Brunner sich erstmals gemeldet und ihn zum Auszug aus dem Atelier auf der Praterinsel aufgefordert. Ein Deal stand nach Flatz Worten im Raum: Er sollte ausziehen, dafür wollten Brunner und seine Frau ihm Werke in Höhe von 300.000 Euro abkaufen. Flatz nennt konkrete Werktitel. Brunner bestreitet das und nennt die Behauptung "eine faustdicke Lüge". Zustande kam ein Deal in jedem Fall nicht. Im Sommer 2020, so Flatz, habe Brunner dann erneut Druck gemacht, mit Auswechseln von Schlössern gedroht. Ein langes Gespräch habe auch keine Lösung gebracht. Flatz weigerte sich weiter, die Räume aufzugeben.

Anfang April diesen Jahres habe Brunner dann Strom, Heizung und Wasser in dem Wohnatelier von Flatz abstellen lassen. Am 17. April habe ihm Brunner per Mail mitgeteilt, dass er bis zum 17. Mai das Atelier zu räumen habe. Eine Einstweilige Verfügung des Amtsgerichts München vom 7. Mai, in der Brunner aufgefordert wird, die Versorgungsleitungen wieder anzuschließen, ignorierte dieser. Nach Flatz' Angaben wurden dann irgendwann zwischen Freitag, 14. Mai, und Montag, 17. Mai, die Barrieren angebracht.

Flatz wirft Brunner vor, seit der ersten Begegnung 2018 versuche der ihn - das "Künstler-Mietproblem, das er mit der Praterinsel-Immobile eingekauft hat" - loszuwerden. Dafür greife Brunner zu Methoden, "die wir von sogenannten Haien und Heuschrecken aus der Immobilienbranche kennen", so Flatz. "Einschüchterung, Drohungen, Versorgungsleitungen kappen" - all das erinnere ihn an die Vorgehensweise, die Brunner einst bei der "Pashmina Affäre" in der Maximilianstraße an den Tag gelegt habe. Damals hatte Brunner einem Ladengeschäft in einer von ihm erworbenen Immobilie zuerst Strom, Wasser und Heizung abgestellt und dann das Betreten des Geschäfts mit Hilfe eines Bauzauns unmöglich gemacht, um die Mieter loszuwerden. Und auch die Gemeinde Pullach hat schlechte Erfahrungen mit Urs Brunner gemacht. Das Gelände des ehemaligen Staatsbahnhofs Großhesselohe ließ er verwildern, lud zeitweilig Müll und Bauschutt ab und blockierte den Bau eines Radwegs, der ein Stück über sein Gelände führen sollte, so dass die Gemeinde sogar einen Enteignungsantrag gestellt hat.

Andererseits ist Urs Brunner auch ein gern gesehener Gast in der Münchner Gesellschaft. Er interessiert sich nach eigenen Angaben sehr für moderne Kunst, die er auch sammelt, unterstützt museale Projekte. Die TU München hat Urs Brunner 2018 zum Ehrensenator ernannt. Doch die Kunst von Wolfgang Flatz scheint Urs Brunner nicht zu schätzen. So wie es aussieht, treffen sich die beiden demnächst vor Gericht.

© SZ vom 22.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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