Aubing:Welche Rolle das Heizkraftwerk bei den Nazis spielte

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Zugewucherter Bau aus der Nazi-Zeit: das Aubinger Heizkraftwerk. (Foto: Hess)
  • Während der Gasteig saniert wird, könnten die Münchner Philharmoniker nach Aubing in ein altes Kraftwerk umziehen - das in den Planungen der Nazis eine wichtige Rolle spielte.
  • Es entstand zwischen 1940 und 1942 im Rahmen der Ausbaupläne für die "Hauptstadt der Bewegung".
  • Später wurde das Gebäude zum Ort der Subkultur.

Von Martin Bernstein und Christian Krügel

Es ist eines der wenigen vergessenen Relikte der Nazi-Zeit in München: das Heizkraftwerk in Aubing an der Rupert-Bodner-Straße, etwa 500 Meter südwestlich der S-Bahn-Station Langwied. Heute ist es von alten Bäumen und viel Grün eingewuchert, hier gibt es deutlich mehr Natur als am Konzertsaal-Standort Finanzgarten. Doch so einsam der Bau heute da steht, so wichtig war er wohl in den Planungen der Nazis.

Das Heizkraftwerk entstand nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege zwischen 1940 und 1942 nach einem Entwurf der Sonderbaubehörde und der Reichsbahndirektion München. Es wirkt nach Einschätzung der Denkmalpfleger "fast wie eine Kathedrale mit seinem hohen kubischen Baukörper, der sich auf einem Natursteinsockel als Werksbau aus roten Mauerziegeln präsentiert".

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Wenn man davor steht, entdeckt man das profilierte, vorkragende Kranzgesims aus Naturstein mit seinen kleinen Belichtungsöffnungen. Der Bau stehe für die Architekturauffassung im Nationalsozialismus - weshalb (offenbar zu Unrecht) früher schon mal gemunkelt wurde, Planer des Gebäudes sei Hitlers Hofarchitekt Albert Speer gewesen.

Erst im Kontext der "Hauptstadt der Bewegung", dann Ort des Techno

Entstanden ist das Heizkraftwerk im Zusammenhang mit dem Abstellbahnhof Pasing-West in München-Aubing. Diesen Bahnhof legte man zwischen 1938 und 1942 als Abstellbahnhof des Münchner Hauptbahnhofs an, auch im Hinblick für die Ausbaupläne für die "Hauptstadt der Bewegung". Vor dem Hintergrund des Artikels 1 im Bayerischen Denkmalschutzgesetz hat das Heizkraftwerk nach Einschätzung des Landesamts "eine geschichtliche und architekturgeschichtliche Bedeutung". Gleichwohl sehen die Grundstücksbesitzer als auch Architekt Peter Haimerl keine Probleme mit dem Denkmalschutz: Die Gebäudehülle bliebe komplett stehen, im Inneren würden nur die alten Öfen verschwinden.

Bevor 1940 die Bauarbeiten für eine nie fertiggestellte größere Industrieanlage begannen, zu der das Heizkraftwerkgehören sollte, rückten erst einmal die Archäologen an: Sie legten von 1938 an insgesamt 358 bajuwarische Gräber frei, die an der Stelle beim Kiesabbau entdeckt worden waren. Dann kam der Krieg, und es begannen die Luftangriffe auf Reichsbahn- Einrichtungen in Aubing. Der Torso des Industriekomplexes blieb zunächst ungenutzt stehen. Zehn Jahre nach Fertigstellung baute die Deutsche Bundesbahn 1952 die Halle zum Heizkraftwerk um. Architekt Peter Haimerl glaubt, dass das Kraftwerk niemals betrieben worden sei; Heimatforscher gehen aber davon aus, dass es etwa zwölf Jahre lang lief, etwa bis Mitte der Sechziger Jahre.

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Seither steht der Bau leer. Zumindest offiziell. Doch die Graffiti in der Maschinenhalle erinnern an die zweite Hoch-Zeit des Bauwerks als Ort der Techno-Subkultur. In den frühen 90er-Jahren legte unter anderem Ultraschall-DJane Monika Kruse dort auf. Heute dient die leer stehende Halle offenbar auch immer wieder Jugendlichen als (illegaler) Treffpunkt.

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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