Architektur:Die Philharmonie von Aubing

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Eine Simulation, wie das Heizkraftwerk aussehen könnte. (Foto: Peter Haimerl Architektur)

Wie Investoren aus dem früheren Heizkraftwerk einen Konzertsaal machen wollen.

Von Christian Krügel

Aus einem Industrie-Bau der Nazi-Zeit soll ein "Kunst- und Kulturzentrum West" werden, aus einem alten Heizkraftwerk ( vorübergehend) die Heimstatt großer Münchner Orchester: Christian und Michael Amberger, Geschäftsführer der Allguth-Tankstellen und Besitzer der alten Halle an der Rupert-Bodner-Straße in Aubing, haben ehrgeizige Pläne für das Areal - und bei deren Präsentation am Montag keinen Zweifel gelassen, dass es ihnen dabei ernst ist.

Arbeitstitel "Philharmonisches Kraftwerk"

Unter dem Arbeitstitel "Philharmonisches Kraftwerk" wollen sie bis Herbst 2019 den Backsteinbau zu einem großen Saal mit 1800 Plätzen umbauen. Daneben sollen Probenräume, Restaurants, ein Kammermusiksaal und eine Tiefgarage mit 400 Stellplätzen entstehen. Kostenpunkt: unter 100 Millionen Euro.

Partner der Ambergers sind dabei der Architekt Peter Haimerl und der Bariton Thomas E. Bauer. Sie bauten den bejubelten Konzertsaal in Blaibach in Eigenregie. Bereits 2005 hatten die Amberger-Brüder das Heizkraftwerk gekauft, zunächst um dort die Allguth-Firmenzentrale unterzubringen. Diese Pläne zerschlugen sich, seitdem suchen die Besitzer nach einer neuen Verwendung. Es kam ihnen die Idee eines Kunstzentrums mit Galerien, wofür sie drei Architekten um Entwürfe baten, darunter Peter Haimerl.

"Valery Gergiev war zweimal da und war begeistert"

Der habe ihnen im Frühjahr etwas "ganz anderes" präsentiert: einen Konzertsaal. "Die Halle hat mit 25 mal 25 mal 45 Meter geradezu ideale Maße für ein Konzerthaus", sagt Haimerl und verweist auf den Luzerner Saal, für viele einer der besten der Welt. Münchens Westen sei zudem kulturell vernachlässigt. Ein Kulturzentrum in Aubing hätte ein Einzugsgebiet bis Augsburg.

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Antrieb für das Projekt sei aber auch, dass Münchens Orchester bald eine neue Spielstätte brauchen: Der Gasteig soll 2020 zur Sanierung geschlossen werden, ein neuer Konzertsaal sei bis dahin nicht fertig. Deshalb habe man Kontakt zu den Philharmonikern und deren Chefdirigenten aufgenommen. "Valery Gergiev war zweimal da und war begeistert", sagt Bauer. Auch Akustiker seien angetan gewesen.

Die Idee ist, aus dem alten Backsteingebäude eine "Tate Modern of Music" für München zu machen: So wie in London in der Gebäudehülle eines Kraftwerks eine Museum entstanden sei, so wolle er in Aubing einen Konzertsaal hineinsetzen, so Haimerl. Dabei bliebe die Gebäudestruktur - inklusive Graffiti - weitgehend erhalten. In dem Gebäude würde ein Saal für bis zu 1800 Zuhörer entstehen, der vielseitig verwendbar sei: Christian Amberger kann sich auch Pop-Konzerte, Musical-Theater, Bälle und Kongresse dort vorstellen.

Für Foyers und Gastronomie müssten Gebäude um das alte Kraftwerk errichtet werden. Haimerl denkt an flache Bauwerke, die wie aufgebrochene Erdschollen aus der Erde ragen. Auch ein Kammermusiksaal sei zusätzlich denkbar, wenn das Raumprogramm das wünscht. Das richtet sich aber nach den Anforderungen des eventuellen Partners: Die Ambergers hoffen, rasch mit Stadt, Philharmonikern und Gasteig GmbH handelseinig zu werden - im Frühjahr 2016 könnte der Stadtrat eine Entscheidung treffen.

Gemeinsam mit Bauer und Haimerl wollen die Besitzer dann eine Betriebs-GmbH gründen, die von den Partnern Miete kassiert - eine Voraussetzung, um die Anfangsinvestitionen "von unter 100 Millionen Euro" (Christian Amberger) zu stemmen. Sollte der Deal nicht zustande kommen, wäre das nicht das Aus für das Projekt: "Wir wollen dieses Kulturzentrum", so Christian Amberger.

Nur wann sei dann die Frage. Die Philharmoniker bestätigen, dass sie in Gesprächen mit den Amberger-Brüdern stehen. Der Standort sei aber noch nicht bis ins Detail geprüft. Der Verein der Konzertsaalfreunde reagierte am Montag extrem skeptisch auf die Aubinger Idee, er fürchtet, dass damit das Konzertsaal-Projekt von Ministerpräsident Horst Seehofer torpediert werden soll, über das die Staatsregierung am heutigen Dienstag berät. "Es darf nicht sein, dass ein geordnetes Auswahlverfahren über Nacht über den Haufen geworfen wird, bloß weil eine neue Idee auftaucht", so Vorsitzender Manfred Wutzlhofer. Der Standort in Aubing sei viel zu wenig geprüft.

Während Christian und Michael Amberger auch gar nicht in Konkurrenz zu den zuletzt untersuchten Standorten für ein neues Konzerthaus treten möchten, scheint das bei Bauer und Haimerl zumindest ein Hintergedanke zu sein. Wenn im Heizkraftwerk eine gute Interimslösung während der Gasteig-Sanierung geschaffen werden könnte, wäre genügend Zeit gewonnen, um noch einmal über den perfekten Standort für ein Konzerthaus nachzudenken. "Vielleicht braucht ein perfekter Standort einfach mehr Zeit zum Entwickeln", sagt Haimerl.

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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