Hinter Glas:Weihnachtsmann im ICE-Cockpit

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(Foto: privat)

DB-Mitarbeiter sind sentimentaler als vermutet

Von Jutta Czeguhn

Driving home for Christmas ... Chris Rea in Dauerschleife, der ultimative Stau-Chaos-Weihnachts-Song. Bald geht's los. Dann stehen wir am Pasinger Bahnhof, Gleis 10, warten frierend, absurd beladen mit Geschenktüten, auf den ICE und hoffen, dass es nicht wieder so ausgeht wie an jenem eisigen 24. Dezember. Damals kam vom Zugführer folgende Durchsage: "Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, dass der Zug verspätet und mit drei Waggons weniger bereitgestellt wurde, dann muss ich Ihnen noch sagen, dass ein Triebwagen defekt ist und drei Toiletten nicht benutzbar sind. Tja, es ist einfach nicht unser Tag, denn heißen Kaffee bekommen Sie an Bord auch keinen. Weil wir aber Weihnachten haben, und Sie und ich nach Hause wollen, fahren wir jetzt einfach mal los."

Unterwegs haben wir Passagiere den Proviant geteilt und Wetten abgeschlossenen, wie unser Held im ICE-Cockpit wohl aussehen mag. Gemütlich, unerschütterlich, mit einem ordentlichen Bauch, einem Bart? Bestimmt sah er genauso aus wie jener Weihnachtsmann, den jemand an die Fensterscheibe des kleinen Containers auf Gleis 10 geklebt hat, zusammen mit Eiskristallen und tanzenden Pinguinen (). Drinnen im Häuschen steht ein einsamer Computer, daneben liegen zwei rote Eisenbahner-Kappen. Was hat es mit dieser Mini-Zelle auf sich und wer mag der sentimentale Mensch gewesen sein, der mit dem Weihnachtsdekor der Tristesse dieses Arbeitsplatzes trotzte? Fragt man bei der DB nach, dann kommt folgende Antwort: Es sei ein Raum für Bahnhofsmitarbeiter, "nur selten bei Bedarf besetzt, damit zum Beispiel bei größeren Störungen Durchsagen vom Bahnsteig aus gemacht oder Bescheinigungen ausgestellt werden können. Wer den netten Nikolaus dort aufgehängt hat, haben wir nicht in Erfahrung bringen können."

Gerne würden wir diesen Mitarbeiter kennenlernen, allerdings nicht um den 24. Dezember herum. Vor Störungen bewahre uns diesmal der Geist der Weihnacht! Sollte es aber doch dazukommen, dann hoffen wir, dass wieder der Weihnachtsmann im Cockpit sitzt, der uns damals am Heiligen Abend rechtzeitig und wohlbehalten nach Hause gefahren hat.

Mit der Adventsserie "Hinter Glas" schaut die Stadtviertel-Redaktion hinter sehenswerte, nicht nur weihnachtlich geschmückte Fenster.

© SZ vom 10.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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