Hinter Glas:Meister des Lichts

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(Foto: Jan A. Staiger)

Der Wachszieher am Dom pflegt eine uralte Handwerkstradition

Von Stefan Mühleisen

Ohne Kerzen sind Adventszeit und Weihnachtsfest kaum vorstellbar. Schließlich wird die Geburt von Christus gefeiert, das Licht der Welt, gekommen, um das Dunkel zu erhellen. Und dafür sind Kerzen ein kraftvolles Symbol. Ihr Licht ist warm und heimelig; langsam verzehren die Flammen das Wachs - eine Lichtquelle, die irgendwann verlischt, wie unser aller Lebenslicht. Allein, es gibt gravierende Unterschiede. Kerze ist nicht gleich Kerze.

Handelsüblich bekommen Kunden fast nur noch industriell gepresste Paraffinkerzen. Doch für Kenner flackern an deren Dochten unschön funzelige Flammen, überdies diese Billigkerzen oft ausufernd tropfen, gar zerlaufen. Fast vergessen ist heute, wie formvollendet und sauber eine handgezogene Kerze ihr Licht verbreitet. In München gibt es nur noch einen Betrieb, der diese uralte Tradition pflegt: Wachsziehermeister Franz Fürst und seine Mitarbeiter fertigen in dem Laden "Der Wachszieher am Dom" nahe der Frauenkirche diese Alltagsprodukte, die eben keine Allerweltsprodukte sind. Es ist immer noch eine Kunst, eine ideale Flamme hinzukriegen, die vorzüglich leuchtet und das Wachs homogen abbrennt.

"Da ist schon ein gewisses Knowhow gefragt", sagt Franz Fürst fast bescheiden und deutet auf die Auslage, die das Sortiment puristisch präsentiert - wenngleich die Sujets alles andere als schnörkellos sind. Ein bunter Weihnachtsbaum rankt sich an einer Stumpenkerze empor; es gibt Kerzen mit hoppelnden Rentieren, Flöte spielenden Engeln, bimmelnden Glocken, aber auch schmucklose, nüchterne in klassischem Weiß oder Rot. Dazwischen ein paar Figuren: Filigrane Jesuskindlein ruhen eingehüllt in verzierten Deckchen; ein detailreich gearbeiteter Wachsengel mit prächtigem Gewand hält die Geige ans Kinn. Hier zeigt ein Meister seines Fachs hinter Glas seine Fähigkeiten, ohne protzen zu müssen.

Die Wachszieherei Fürst gibt es seit 1862, einer von ein paar Dutzend Betrieben, die republikweit noch übrig sind. Früher war das eine wichtige Branche, neben Öllampen waren Kerzen die einzige Lichtquelle. Die Herstellung erfordert Sorgfalt: Der Docht wird durchs flüssige Wachs gezogen, wodurch sich Schicht um Schicht mit Lufteinschlüssen anlagert. Durch diese Methode kann das ausgetüftelte Gemisch aus Bienenwachs, Stearin, Hartwachs und Paraffin nahezu rückstandslos in den Docht diffundieren. "Optimales Brennverhalten und Tropfsicherheit", nennt Fürst das. Viele Stammkunden, darunter die Pfarrer der Münchner Kirchen, schätzen überdies die individuell gestaltbaren Oster-, Hochzeits- und Geburtstagskerzen, die im Laden auf den Regalen Spalier stehen. Gemacht, um das Dunkel zu erhellen.

Mit der Adventsserie "Hinter Glas" schaut die Stadtviertel-Redaktion hinter sehenswerte, nicht nur weihnachtlich geschmückte Fenster.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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