Hildegard Hamm-Brücher:"Nummer zehn sollte eine Frau sein"

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Hildegard Hamm-Brücher wollte 1994 Bundespräsidentin werden. Nach Horst Köhlers Rücktritt hofft sie jetzt auf eine weibliche Nachfolgerin.

Peter Fahrenholz

Hildegard Hamm-Brücher, 89, gilt noch immer als die große alte Dame der FDP, obwohl sie die Partei schon 2002 verlassen hat. Ihre politische Karriere begann 1948 im Münchner Stadtrat.

Hildegard Hamm-Brücher weiß, wie viel Kritik Politiker wie Horst Köhler einstecken müssen. (Foto: bug.bildextern)

SZ: Tut Ihnen Horst Köhler leid? Oder ärgert Sie die Art seines Rücktritts?

Hildegard Hamm-Brücher: Weder noch. Ich glaube, dass die Begründung, die er gegeben hat, nur die Spitze eines Eisbergs war. Da hat sich etwas aufgetürmt seit Monaten, das sich jetzt entladen hat.

SZ: Horst Köhler sieht den Respekt vor seinem Amt verletzt. Aber muss nicht auch der Amtsinhaber die Würde seines Amts wahren und darf es nicht einfach abgeben, wie man einen Mantel an der Garderobe abgibt?

Hamm-Brücher: Nein, das darf er an sich nicht. Er hätte sich mit einem erfahrenen Menschen vorher noch mal darüber unterhalten müssen. Und überlegen müssen, wie man versucht, zu einem neuen Vertrauensverhältnis zwischen Bundespräsident und Regierung zu kommen.

SZ: Muss nicht auch ein Bundespräsident Kritik aushalten können?

Hamm-Brücher: Ja, das muss er. Aber es kommt auf das Ausmaß an. Als Politiker muss man sehr viel einstecken. Das muss man auch verkraften können. Aber es kann der Moment kommen, da man sagt: Nein, das stecke ich jetzt nicht mehr weg. Man muss sich selber treu bleiben können, das hat mit Selbstachtung zu tun.

SZ: Aber dazu war doch im Falle Köhlers der Anlass viel zu gering.

Hamm-Brücher: Das war ja nicht der einzige Anlass, das ist ein Irrtum. Er konnte ja nicht eine ganze Litanei vorlesen, was alles in den letzten Monaten an ihm herumgenörgelt und herumgemeckert wurde. Das Interview war nur das I-Tüpfelchen.

SZ: Köhler war kein gelernter Politiker. Jetzt ist er gescheitert. Ist damit auch die Vorstellung gescheitert, dass ein Quereinsteiger das höchste Staatsamt besetzt?

Hamm-Brücher: Das will ich im Interesse unserer Demokratie nicht hoffen. Wenn es keine Quereinsteiger mehr gäbe, die noch nicht parteipolitisch völlig abgehärtet und auch abgestumpft sind, würde das dem Ansehen unserer Demokratie weiter schaden. Das ist ja ohnehin schon beschädigt. Man muss sich doch einmal fragen, was der Rücktritt von Herrn Köhler bei der Bevölkerung bewirkt. Meiner Meinung nach löst er dort überwiegend Verständnis und Anteilnahme aus und verstärkt die Abneigung gegen das politische Establishment.

SZ: Wie müsste denn die Persönlichkeit aussehen, die in der jetzigen Lage das Amt des Bundespräsidenten ausübt?

Hamm-Brücher: Wenn ich die Kanzlerin wäre, würde ich versuchen, vielleicht nicht einen totalen Außenseiter zu finden. Aber doch jemanden, der sein politisches Profil außerhalb des üblichen Machtgerangels der Parteien gewonnen hat. Das hatte ja Horst Köhler nicht. Er war ein Beamter. Wir bräuchten jemand, der die politischen Dimensionen seines Amtes sehr genau analysiert hat und die politischen Probleme durchdrungen hat.

SZ: Fällt Ihnen da jemand ein?

Hamm-Brücher: Wolfgang Huber, der ehemalige EKD-Präsident. Der hat so kluge, nicht nur kirchenpolitische, sondern auch gesamtpolitische Stellungnahmen abgegeben. So ein Mann würde sich sicher keine Illusionen machen und nicht gleich umfallen, wenn Kritik kommt.

SZ: Sie haben 1994 selber für die FDP kandidiert. Dass Sie gewinnen, war damals nicht vorgesehen. Wäre es nicht Zeit für eine Bundespräsidentin?

Hamm-Brücher: Ja, das war auch mein erster Gedanke. Nummer zehn sollte eine Frau sein! Aber außerhalb der Politik fällt mir da niemand ein. In der Politik gäbe es schon welche. Die strahlendste wäre Ursula von der Leyen, in jeder Beziehung. Ich schätze auch Annette Schavan außerordentlich. Die ist zwar nicht so strahlend, aber kompetent und charakterlich einwandfrei. Und sie ist eine sehr kluge Frau, viel klüger, als sie in der Öffentlichkeit eingeschätzt wird.

© SZ vom 02.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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