Helfer:Wachsam nach allen Seiten

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Eleonore Grün und Helga Heffler geleiten Schulkinder sicher über die Straße - beide seit mehreren Jahrzehnten

Von Jana Heigl, München

"Schlaft ihr noch?" Eleonore Grün beschwert sich lautstark, wenn ein Schüler nach dem anderen mit kleinen Augen ganz verschlafen an ihr vorbei zum Schulhaus trottet. Sie selbst ist das frühe Aufstehen gewohnt. Seit vierzig Jahren steht die gelernte Schneiderin am Zebrastreifen an der Sambergerstraße und passt auf, dass die Kinder in der Parkstadt Solln sicher über die Straße kommen. Jetzt, mit 79 Jahren, macht sie das nur noch zwei Mal die Woche, immer morgens um halb acht. "Dabei ist die netteste Zeit mittags", sagt sie. "Da schütten die Schüler ihr Herz aus, über Prüfungen, über die Lehrer."

Vier Jahrzehnte - was für eine lange Zeit. Als sie gerade angefangen hatte - da war sie Anfang vierzig -, gefiel Eleonore Grün der bodenlange neongelbe Mantel mit den schillernden Reflektoren nicht so richtig. Deshalb schneiderte sie sich kurzerhand einen gelben Rock und ein Oberteil in der selben Farbe - samt aufgenähtem Emblem der Stadt München. Damit stand sie dann am Straßenrand.

Grün ist eine von 535 Schulweghelfern in München. Erst vor Kurzem zeichnete Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) die mittlerweile Hochbetagte mit der Medaille "München leuchtet" für ihr jahrzehntelanges Engagement aus. Für Grün ist das keine große Sache. "Wenn ich etwas anfange, dann mach' ich's lang", erklärt sie. "Ich höre nicht gleich wieder auf." Mittlerweile hat sie zwei Generationen über die Straße gelotst - sogar ihre eigenen Enkelkinder.

Schulweghelferin Helga Heffler bei der Arbeit auf dem Zebrastreifen an der Kurt-Eisner-Straße. (Foto: Florian Peljak)

Als Schulweghelfer steht man bei peitschendem Regen, brennender Hitze und Eiseskälte unter freiem Himmel. Das Ekelwetter härtet ab: "Es ist ganz gut für ältere Leute", stellt Grün fest. "Ich war noch nie so selten krank." Man wird zäh, wenn man diesen Job jahrzehntelang ausübt.

So wie Helga Heffler. Sie ist 76 Jahre alt und engagiert sich seit 30 Jahren als Schulweghelferin. Vor fünf Jahren wollte sie im Schrebergarten über den Zaun zur Nachbarin klettern, fiel unglücklich und zog sich dabei einen dreifachen Schambeinbruch zu. Die Krücken ließ sie jedoch zu Hause stehen, biss die Zähne zusammen und stellte sich wie gewohnt an die Kurt-Eisner-Straße in Neuperlach - nicht zuletzt des Geldes wegen, obwohl die Aufwandsentschädigung nicht sehr hoch ist. Das Winken mit der Kelle bringt lediglich 6,50 Euro pro Stunde ein. Für Heffler ist dieses Zusatzeinkommen trotzdem wichtig. "In den Sommerferien fehlt es dann schon", räumt die Rentnerin ein.

Ob man dieses Amt nun aus Liebe zu den Kindern ausübt oder weil es ein netter Nebenverdienst ist - Menschen wie Grün und Heffler werden in München händeringend gesucht. "Wir haben eine hohe Fluktuation", erklärt Daniela Schlegel vom Kreisverwaltungsreferat die ewige Jagd nach Ehrenamtlichen. Zwar gibt es immer Leute, die sich engagieren, gleichzeitig hören andere aber wieder auf. "Wir brauchen an jeder Schule mehr Helfer." Manche Grundschüler werden nur morgens über die Straße geleitet, weil mittags schlicht das Personal fehlt. "Für Berufstätige ist die Mittagszeit besonders schwierig", weiß Schlegel. Das erschwert die Suche zusätzlich. Zwar gehen immer mehr Kinder nach der Schule in den Hort, weil beide Eltern arbeiten; trotzdem gibt es auch Kinder, die direkt nach Hause laufen - und für die bleibt der Zebrastreifen unbewacht.

Eleonore Grün in ihrem Garten. (Foto: Florian Peljak)

Laut Strobl haben sich die Schulweghelfer als "beste und zuverlässigste Einrichtung zur Verbesserung der Schulwegsicherheit erwiesen". Dort, wo Schulweghelfer im Einsatz sind, ist die Zahl der schweren Unfälle drastisch gesunken - in den vergangenen Jahren gab es keinen einzigen mehr.

Mehr als 80 Schüler überqueren die Sambergerstraße jeden Morgen. Eleonore Grün wird dort von einer Kollegin unterstützt, allein sind so viele herumwuselnde Köpfchen nicht im Auge zu behalten. Doch wenn es nach Grün geht, soll bald damit Schluss sein. Sie hat sich vorgenommen, den gelben Mantel zum 80. Geburtstag zurückzugeben. Eine schlechte Nachricht für die Schule, sie gehört dort schon fast zum Inventar. Bis es soweit ist, bleibt sie weiter ein bisschen länger, als sie eigentlich müsste. Oft gibt es Nachzügler, die zu spät kommen. Auch sie sollen sicher über die Straße kommen. "Es rentiert sich für jedes Kind", sagt sie. "Immer."

Eltern, Großeltern und alle anderen, die gerne die Kelle schwingen möchten, können sich bei Marlies Hehmann telefonisch unter 23 33- 96 66 oder per E-Mail unter der Adresse schulwegdienste.kvr@muenchen.de melden.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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