Haushaltsberatungen im Rathaus:Die Pro-Kopf-Verschuldung verzehnfacht sich

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Ob da Geldbeutelwaschen noch hilft? Mit dem Ritual sollen am Aschermittwoch symbolisch die leeren Kassen wieder aufgefüllt werden, doch ob das der Stadt angesichts des starken Minus gelingt, darf bezweifelt werden. (Foto: Stephan Rumpf)

Auch wenn die Gewerbesteuereinnahmen Rekordhöhen erreichen, rutscht der städtische Haushalt angesichts milliardenteurer Investitionen von 2019 bis 2026 in ein nie dagewesenes Minus.

Von Heiner Effern

Die Stadt will im Jahr 2023 die Rekordsumme von 8,25 Milliarden Euro für die Münchnerinnen und Münchner ausgeben. Dem sollen im laufenden Geschäft der Verwaltung Einnahmen von 8,49 Milliarden Euro gegenüberstehen. Damit würde ein Überschuss von 240 Millionen erreicht, die in geplante Investitionen fließen können. Diese werden sich insgesamt auf 2,1 Milliarden Euro belaufen. Die entstehende Finanzlücke, die von Zuschüssen durch Bund und Land noch verringert wird, muss die Stadt mit Krediten in Höhe von 1,3 Milliarden Euro schließen. Diese Zahlen wird Kämmerer Christoph Frey (SPD) am Mittwoch der Vollversammlung im Haushaltsplan für das Jahr 2023 präsentieren.

Quelle: Stadt München. (Foto: SZ-Grafik)

Auch wenn es noch die eine oder andere Änderung geben könnte, wird die Koalition aus Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt das finanzielle Gerüst fürs kommende Jahr im Großen und Ganzen so beschließen. "Wir haben einen Haushalt aufstellen können, mit dem wir die wichtigen Anliegen der Menschen in unserer Stadt weiter kraftvoll angehen können", sagte Kämmerer Frey. Die Schwerpunkte seien die gleichen wie in den vergangenen Jahren: Schul- und Kitabau, bezahlbares Wohnen, Ausbau und Sanierung des öffentlichen Nahverkehrs. "Andere Kommunen müssen gerade bei Zukunfts-Investitionen bereits die Bremse ziehen. Das ist in München glücklicherweise (noch) nicht der Fall."

Die größten Umsätze im laufenden Geschäft der Stadt machen traditionell das Referat für Bildung und Sport sowie das Sozialreferat. Dabei laufen aber auch viele Posten mit Geld vom Bund und vom Land Bayern durch. Für Schulen und Kindertagesstätten (ohne den Bau neuer Gebäude) und alle anderen Formen der Bildung will München im Jahr 2023 fast 1,9 Milliarden Euro ausgeben. In einer ähnlichen Dimension kümmert sich die Stadt nur um die sozialen Belange der Bürgerinnen und Bürger: Das zuständige Referat plant Ausgaben in Höhe von 1,64 Milliarden Euro. An dritter Stelle liegt bei den Aufwendungen dann das Baureferat mit einer knappen halben Milliarde Euro.

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Frey muss allerdings einräumen, dass in Zeiten des Kriegs in der Ukraine, von Energieknappheit und Inflation, von Unklarheit über Förderungen durch Bund und Freistaat Prognosen sehr unsicher sind. "Die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch die für die Stadt so wichtigen Steuereinnahmen sind schwerer abzuschätzen denn je", sagte Frey. "Wie sich die angekündigten Steuererleichterungen auf unseren Haushalt auswirken werden, lässt sich heute nicht seriös voraussagen." Vorsorglich hat er als Inflationsausgleich und Sparmaßnahmen ein Paket von 250 Millionen Euro angesetzt.

Trotz einer erwarteten Gewerbesteuereinnahme von deutlich mehr als drei Milliarden Euro gelingt es der Koalition nicht, ihr selbst gestecktes Ziel im laufenden Geschäft zu erreichen. Etwa 400 Millionen Euro hatte Kämmerer Frey als Ziel für den Überschuss vorgegeben, was mit den angesetzten 240 Millionen Euro deutlich unterschritten wird. Auch 2024 sieht es kaum besser aus, erst 2025 und 2026 sollen die Überschüsse auf 602 und dann 786 Millionen Euro anwachsen. Das wird aber auch nötig sein, weil die Stadt bis dahin so viele Schulden anhäufen wird, dass sie davon eine Viertelmilliarde jährlich alleine für die Tilgung der Kredite aufbringen muss.

Die hohen Investitionen vor allem in den Bau von Schulen, Kitas, Wohnungen und Infrastruktur für den Nahverkehr lassen bis 2026 einen Schuldenstand von 7,6 Milliarden Euro erwarten. Rechnet man die Verbindlichkeiten auf jede Münchnerin und jeden Münchner um, dann wird schnell deutlich, wie viel Geld die Stadt ausgibt. Im Jahr 2019 beliefen sich die Schulden pro Kopf auf 408 Euro, 2026 werden 4705 Euro pro Person erwartet. Blickt man auf die Pläne der Stadt darüber hinaus, wird schnell klar, dass eine Kommune allein es nicht mehr schaffen kann, Investitionen in die Zukunft zu stemmen. Geplant sind noch ohne konkreten Zeitplan 131 Projekte, die 23,5 Milliarden Euro kosten sollen.

Investitionsstau löst sich auf

Quelle: Stadt München. (Foto: SZ-Grafik)

Sieht man die Schulden heuer und in den kommenden Jahren nach oben schießen, könnte schnell die Frage aufkommen, ob finanzpolitisch die Sicherungen durchgebrannt sind. Von unter einer Milliarde 2019 auf weit mehr als sieben Milliarden binnen sieben Jahren. Doch die hohen Ausgaben aktuell sind auch durch die außergewöhnlich niedrigen Schuldenstände zwischen 2010 und 2020 zu erklären. Gerade in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts wurde so hart gespart, dass sich ein Stau an Investitionen aufgebaut hat, der nun nach und nach aufgelöst wird.

Herausgekommen sind die größten Kita-, Schulbau- und Wohnungsbauprogramme, die eine Kommune in Deutschland je aufgelegt hat. Angestoßen wurde vieles noch von der Vorgänger-Stadtregierung aus CSU und SPD, nach den langen Planungen schlagen die Arbeiten nun voll auf die Konten durch. Grüne/Rosa Liste und SPD/Volt wollen nun die Stadt ökologisch umbauen und neu ausrichten, auch das geht nicht ohne die entsprechenden Mittel.

Gebaut wird, wo es nur geht

Quelle: Stadt München. (Foto: SZ-Grafik)

Soll die Stadt doch Häuser kaufen, in denen Mieter durch Sanierung verdrängt werden. Klingt richtig, und die Koalition schlägt meist zu, wenn es die rechtlichen Vorgaben und die Finanzen erlauben. Doch auch eine Kommune bekommt den überhitzten Markt zu spüren. Von 2022 bis 2026 setzt die Kämmerei für diesen sehr punktuellen Mieterschutz mehr als eine Milliarde Euro an. Dazu wird gebaut, wo immer es nur geht: Auch für neue Schulen, Kitas und Wohnungen purzeln die Milliarden. Etwa 5,7 Milliarden Euro setzt die Kämmerei dafür an, mehr als eine Milliarde allein 2023.

Daneben gibt die Kämmerei immer auch eine Liste an Projekten heraus, die schon geplant werden, aber in der mittelfristigen Finanzvorschau bis 2026 noch nicht enthalten sind. Zum Beispiel die gerade diskutierte neue U-Bahn-Linie 9, die von den Finanzern der Stadt auf neun Milliarden Euro geschätzt wird. Dafür und für viele andere Vorhaben wird München massive Zuschüsse von Bund und Land benötigen.

Einnahmen auf Rekordniveau

Quelle: Stadt München. (Foto: SZ-Grafik)

Egal welche Krisen die Stadt und die Republik zuletzt heimsuchten, die Gewerbesteuer erwies sich für die Finanzplaner in München (fast) immer als ein Quell der Freude. Die Pandemie, die Folgen des Kriegs in der Ukraine, all das ließ oft schwere Einbrüche erwarten, doch die städtische Wirtschaft blieb und bleibt ein Garant dafür, dass politisches Gestalten in München weiter möglich ist. Auch für 2023 erhofft sich die Stadt wieder Einnahmen auf Rekordniveau von mehr als drei Milliarden Euro. Und trotz der Kämmerer aus Berufsgründen eigenen Vorsicht erwartet dieser auch für die Folgejahre ein konstantes und spürbares Wachstum. Die Vier-Milliarden-Euro-Grenze rückt in den Prognosen bis 2026 in greifbare Nähe.

Doch ein Kämmerer wäre kein Kämmerer, wenn er nicht anmerken würde, dass dieser Vorausschau viele unwägbare Faktoren zugrunde liegen. Das galt aber auch für die vergangenen Jahre, in denen sich die Gewerbesteuer um die düsteren Vorahnungen der Finanzauguren einfach nicht geschert hat.

Der Überschuss reicht nicht aus

Quelle: Stadt München. (Foto: SZ-Grafik)

Den Finanzen der Stadt liegt eine ganz einfache Rechnung zugrunde. Sie muss wie jeder Single und jede Familie mehr einnehmen, als sie für den täglichen Bedarf ausgibt. Für Kommunen ist sogar festgelegt, dass sie grob gesagt zu diesem Überschuss verpflichtet sind. Erreichen sie diesen nicht, kann die Aufsichtsbehörde den Haushalt nicht genehmigen. Im Idealfall bleibt so viel übrig, dass die Stadt besondere Investitionen wenigstens zum Teil davon finanzieren kann und somit weniger Kredite benötigt.

Wie zum Beispiel bei einem Auto- oder Wohnungskauf in einem privaten Haushalt. Die 240 Millionen Euro, die im Jahr 2023 als Überschuss verbleiben sollen, reichen in München aber bei weitem nicht aus. Als mittelfristiges Ziel sind 400 Millionen Euro vorgesehen, die nach aktueller Vorhersage erst 2025 übertroffen werden. Doch in den vergangenen Jahren hatten die Referate oft ihre Ausgaben höher angesetzt als tatsächlich benötigt, weshalb das Ergebnis meist besser ausgefallen ist als in den Plänen erwartet.

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Textes waren im ersten Absatz die Zahlen der geplanten Aus- und Eingaben vertauscht. Wir bitten um Entschuldigung.

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