SZ-Adventskalender:Ein sicheres Zuhause

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In der Seniorenbegegnungsstätte der Diakonie Hasenbergl geht es vor allem darum, vereinsamte Menschen wieder in ein lebenswertes Leben zu integrieren. Dazu gehören auch kleine Buffets - für die aber das Geld fehlt.

Von Simon Schramm, Harthof

In der Seniorenwohnanlage der Diakonie Hasenbergl kennt man viele Geschichten. Geschichten von älteren Menschen, die mit prekären Lebenssituationen zu kämpfen haben. "Die Menschen vereinsamen manchmal im Alter", weiß Angela Wieser von der Seniorenbegegnungsstätte, die der Anlage angeschlossen ist, "bei uns wohnen auch viele ehemalige Obdachlose. Ich kenne einen Fall, der 20 Jahre auf der Straße gelebt hat. Es sind Menschen, die keine Familie mehr haben." Für diese älteren Bürger sei es ein großer Schritt, sich in eine neue Gruppe einzufinden und zu integrieren. "Viele wollen lange keine Hilfe", sagt Maria Pojda, Leiterin der Wohnanlage, "es braucht oftmals viel Zeit, bis man Vertrauen gewonnen hat."

Mit ihrer täglichen Arbeit wollen die beiden Leiterinnen der Einrichtung an der Schleißheimer Straße diese Isolation auflösen. "Die Bewohner sollen Gemeinschaft erleben", sagt Angela Wieser, die deshalb ein monatliches Programm, mit Gedächtnistraining, einem Filmnachmittag oder Vorträgen erstellt. Besonders erfolgreich schienen in der Vergangenheit gemeinsame Essen zu sein, die bisher aber nur sporadisch stattfanden. "Es gab ein schönes Buffet, zum Beispiel mit Antipasti", erzählt Pojda, "dadurch entstehen Bekanntschaften. Zusammen etwas zu erleben, das bindet die Menschen." Am Ende hätten die Senioren mehr als zwei Stunden zusammengesessen. Nur: "Als wir um kleine Spenden gebeten haben, kamen weniger Leute, weil sie das Geld dafür einfach nicht haben", bedauert Angela Wieser.

Geruhsamer Ort: In der Begegnungsstätte finden die Menschen zu gemeinsamen Spiel und mehr zusammen. (Foto: Catherina Hess)

Pojda und Wieser würden gerne regelmäßiger zu solchen Frühstücks- und Mittagstischen einladen, aber ihr Etat reicht dafür nicht aus. Aber da die kleinen Bankette ihre Wirkung nicht verfehlt haben, denken sie trotz der Finanzierungsfragen darüber nach, die Treffen noch weiter auszubauen - vielleicht mit einer kleinen Theateraufführung oder einem musikalischen Gast. "Einmal haben die Frauen begonnen, zu singen", berichtet Pojda, "sie haben sich so gefreut."

110 Bewohner leben in der 1967 erbauten Wohnanlage; ein Großteil der Bewohner, die in der Begegnungsstätte der Diakonie zusammenfinden, ist auf Unterstützung angewiesen - entweder sie erhalten Grundsicherung oder eine niedrige Rente. Angela Wieser wird kurzzeitig leicht ungehalten, wenn sie über das Thema spricht: "Manche bekommen keine Aufstockung, weil sie zehn bis zwölf Euro über dem Niveau liegen." Die Bewohner werden vom Wohnungsamt der Stadt München zugewiesen; in der Anlage leben auch Rentner, die an einer psychischen oder physischen Erkrankung leiden. Es seien auch viele Frauen hier, die geringfügig beschäftigt waren oder nach einer Scheidung wenig Einkommen hätten, so Angela Wieser. "Stellen Sie sich vor, sie hätten nur 300 bis 400 Euro zum Leben", sagt Maria Pojdar. Davon müssen die Bewohner Strom, Telefon, Fahrkarten, Kleidung, Essen, Kosmetik und mehr bezahlen. So lebt in der Wohnanlage beispielsweise ein Senioren-Paar, das regelmäßig zum Flughafen fährt, um dort Pfandflaschen zu sammeln. Und zu Schwierigkeiten käme es oft, wenn größere Anschaffungen anstehen - zum Beispiel eine neue Brille, neue Zähne oder dann, wenn etwas in der Küche kaputtgeht.

Auch Stefan Hartel (Name geändert) hat Probleme mit größeren Ausgaben. "Manche Medikamente kaufe ich mir einfach nicht", sagt der aufgeweckte 65-Jährige, der vor zwei Jahren eine Bypass-Operation hinter sich bringen musste, "aber ich bin sehr bescheiden und habe früh gelernt, mir mein Geld einzuteilen." Hartel stammt aus der ehemaligen Tschechoslowakei und lebt seit 1971 in München; damals floh er mit seinen Eltern vor der Sowjet-Diktatur. In München schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, als Techniker oder Helfer in einem Restaurant, von den Neunzigerjahren an als Zeitungsausträger im Münchner Norden. Als sein Arbeitgeber ihm kündigte, wurde er arbeitslos. Er sei froh, dass er in der Anlage leben dürfe, sagt Hartel.

Wie motiviert man sich täglich, Menschen zu unterstützen, ist es purer Altruismus? Die beiden Leiterinnen lachen nach dieser Frage erst einmal laut los. "Ich denke, wir sind Menschen, die mit anderen Menschen arbeiten und nicht im Büro herumsitzen wollen", beschreibt es Maria Pojda. Kleinigkeiten im Alltag, kleine Zeichen signalisieren den beiden Frauen, dass ihre Arbeit Wirkung erzielt. Wie geht man mit dem täglichen Kontakt mit sozialer Not um? Man muss sachlich sein, tolerant, diplomatisch, empathisch und gerecht, sagt Pojda. "Und durchsetzungsfähig", ergänzt Angela Wieser, überlegt kurz - und betont, was sie an den Menschen tatsächlich beeindruckt: "Wie die Leute mit ihren Schicksalen umgehen."

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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