Was in so einen knallroten Hartschalenkoffer alles hineingeht: Klemmbretter, Umhängetaschen, ein Aufnahmegerät, ein Fotodrucker, sogar zwei Digitalkameras. Und noch vieles mehr. Ein kleines Büro auf Rollen ist das. Nicht für eilige Manager, die ohne Arbeit nicht auskommen können, sondern für Kinder und Jugendliche im Alter von sieben bis 14 Jahren, die ihren Stadtteil kinderfreundlicher machen wollen. Die Kinder, die den Koffer demnächst auch im Harthof hinter sich herziehen werden, haben Wünsche. Sie wollen etwas in ihrem Stadtteil verändern, den Erwachsenen zeigen, dass nicht alles, was sie gut finden, auch für Kinder gut ist. Dass die Erwachsenen die Welt doch ein bisschen mehr von oben sehen, die Kinder ein bisschen mehr von unten.
"Die nächste Bücherei ist mindestens 20 Minuten mit der U-Bahn entfernt, und der Bücherbus kommt nur alle zwei Wochen zu uns an die Schule", klagte die zehnjährige Thamina vor einiger Zeit. Sie forderte eine Bibliothek in ihrem Stadtteil Messestadt Riem. Ein großer Wunsch, natürlich kaum zu verwirklichen. Weil, wie Thamina erfährt, kein Geld da ist für solche Träume.
Doch ihr Einsatz hat sich gelohnt. Das Kinder- und Jugendforum, das wie der Bezirksausschuss und der Regsam-Facharbeitskreis Kooperationspartner des Kinder-Aktions-Koffers ist, suchte mit Thamina nach einer kreativen Lösung. Heute gibt es einen Raum im Spieltreff 65 Grad Ost, der zu einer kleinen Bibliothek umfunktioniert worden ist. So wie Thamina könnte es auch anderen Kindern ergehen, am Harthof zum Beispiel. Denn die Kinder dort haben sicher auch viele Wünsche. Der Aktions-Koffer bietet eine Möglichkeit, unter Anleitung von Erwachsenen oder auch in Eigenregie das Stadtviertel zu erkunden und zu entdecken, was eben nicht kinderfreundlich umgesetzt ist - und dabei frische Ideen zu formulieren.
"Spielerisch Demokratie-Erfahrungen machen" - Jana Fädrich sagt es bei der Vorstellung des Projekts im Bezirksausschuss Milbertshofen-Am Hart immer wieder. So, als ob die Kinderbeauftragte der Landeshauptstadt München den Lokalpolitikern eine Botschaft mit auf den Weg geben wollte. Die Botschaft, dass diese Kinder vielleicht einmal zu politisch interessierten und engagierten Bürgern werden könnten. Sie stellt das Projekt vor, das von Ende Februar bis Anfang März 2016 am Harthof starten soll. "Harthof aktiv" lautet das Motto. "Die Kinder sollen", so erklärt Fädrich, "Bedürfnisse feststellen, sie diskutieren und feststellen: Aha, für unsere Sache braucht es Mehrheiten." Das sei "Demokratie im Kleinen."
Einmal im Jahr wird der Aktions-Koffer, der auch ein Methodenheft für Erwachsene enthält, in einem anderen Stadtteil auf Reisen geschickt. Zum Koffer-Einsatz gehört auch, dass in einem Zeitrahmen von drei bis vier Monaten verschiedene Kindereinrichtungen im Stadtteil parallel Aktivitäten anbieten. Zum Beispiel ein Kinderforum, in dem die Kinder und Jugendlichen ihre Anliegen und Forderungen vortragen. Alle Anträge werden gesammelt, ernst genommen, in einer zweiten Phase der Umsetzung ausgewertet und erste Gespräche mit Vertretern der Politik geführt. "Das Wichtigste", sagt Fädrich, "ist es, die Kinderanliegen möglichst schnell umzusetzen." Dann sei die Erfahrung der Demokratie positiv.
Wenn also am Harthof von Februar an in den Straßen Kinder mit einem roten Koffer gesehen werden, dann könnten junge Politiker von morgen unterwegs sein.
Fünf Kinderkoffer können nach Voranmeldung und Terminabklärung im Spiel- und Begegnungszentrum am Hart, Telefon 316 056 912, und im Jugendtreff Harthof, Telefon 311 25 44 ausgeliehen werden. Der Workshop zur Arbeit mit dem Koffer findet am Dienstag, 23. Februar, 14 bis 17 Uhr, im Jugendtreff Harthof, Wegenerstraße 7, statt.