Harlaching:Abschied in den Ruhestand

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Für viele Eltern und Kinder ist Theresa Bauer Teil der Familiengeschichte. Am Mittwoch geht die Gründerin und Leiterin der "Kinderwelt Harlaching" nach 34 Jahren in Rente. Nachfolgerin wird Christina Schwarz

Von Julian Raff, Harlaching

Es ist jetzt auch schon wieder eine Weile her, dass Theresa Bauer die ersten ihrer einstigen Schutzbefohlenen als Eltern begrüßen konnte. Über 34 Jahre hinweg ist die Gründerin und Leiterin der "Kinderwelt Harlaching" Teil zahlreicher Familiengeschichten geworden - und man kann schon sagen, auch Teil der Stadtteilgeschichte. Leidenschaft braucht es für solch anhaltendes Engagement in einem beruflich und privat mobilen Umfeld. Entsprechend schwer fällt der Erzieherin, ihren langjährigen Kollegen, Eltern, Kindern und "Ehemaligen" der Abschied in den Ruhestand an diesem Mittwoch. Richtig deutlich wurde die enge Bindung vor zweieinhalb Wochen, als sich gut 50 Eltern und frühere Kindergartenkinder trafen und Erinnerungen austauschten.

Theresa Bauer in ihrem Element: Seit 34 Jahren ist sie tagtäglich von Kindern umgeben. Künftig will sich die Gründerin der "Kinderwelt Harlaching" der Fortbildung widmen. (Foto: Robert Haas)

Dass Teenies und junge Studenten ihre Kindergartenzeit am Ort des Geschehens spaßig nachspielen und ihrer "Frau Bauer" künstlerisch gestaltete Abschiedsbriefe basteln, sagt schon einiges.

Ihre Beliebtheit verdankt die "Kinderwelt" in erster Linie einem engagierten und vor allem treuen Team. Bauers Kollegin und gute Freundin Renate Nimmerfroh ist ebenfalls seit 34 Jahren dabei, Christine Schwarz, die von Februar an die Leitung übernimmt, immerhin seit 20 Jahren - nicht alltäglich, wenn man bedenkt, welche Wahlmöglichkeiten Erziehungs-Fachkräfte seit einiger Zeit haben. Zum Erfolg trägt wohl auch das fundierte, aber nicht überspannte Konzept bei: In drei Altersgruppen eingeteilt, werden Kinder gefördert und gefordert, sei es kreativ oder vorschulisch in Kooperation mit der Grundschule an der Rotbuchenstraße.

"Ich will zurück!": Teenager und junge Studenten haben auf ihre ganz eigene Art und Weise ihrer früheren Kindergärtnerin Theresa Bauer gehuldigt. (Foto: Robert Haas)

In erster Linie dürfen sie aber Kinder sein und frei miteinander spielen, am liebsten mit einfachem, bewährten Material. Keine verkrampfte Frühoptimierung mit drei Fremdsprachen, fünf Instrumenten und Poweryoga also, sondern ein bewährtes vielfältiges Angebot. So oft der nahe Perlacher Forst, die Isar und der große Garten auch nach draußen locken, lebt der familiäre Geist nicht zuletzt von der Geborgenheit des 180 Quadratmeter großen Hauses an der ruhigen Klara-Heese-Straße. Statt schickem Design und aufwendiger Technik gibt es robustes, gemütliches und praktisches Spielambiente mit viel Holz und origineller Dekoration. Von Anfang an hat Bauer Eltern und Kinder in die Pflicht genommen. Statt per SUV, steuern heute die meisten den Kindergarten zu Fuß an. Beim Spielen im Garten darf es natürlich auch mal lauter werden. Anders als manche Eltern glauben, könne man den Kleinen aber schon ein bisschen Rücksicht beibringen, findet Bauer.

Foto: Robert Haas (Foto: N/A)

Der Weg ins heutige Traumdomizil war freilich weit und mühsam: Theresa Bauer hatte die Gründung der "Kinderwelt Harlaching e. V." 1983 angestoßen, da der Privatkindergarten, wo die damals 29-Jährige tätig war schloss. Ein Verein als freier Träger war damals zwischen privatwirtschaftlichen, kirchlichen und kommunalen Einrichtungen die große Ausnahme. An der Isenschmidstraße fand sich eine Bleibe auf Zeit. Auch ein mit viel Eigenarbeit hergerichtetes Reihenhaus an der Lindenstraße blieb ein Interimsquartier. Eine dauerhafte Lösung zeichnete sich in den 90er-Jahren ab, als mit dem Abzug der US-Truppen in Harlaching zahlreiche von Armeeangehörigen bewohnten Immobilien an den Freistaat gingen. Der verkaufte das Haus schließlich vergünstigt an die Stadt, wofür Bezirksausschuss, Verein und Elternbeirat hartnäckig gekämpft hatten.

Mit einer sicheren Heimat konnte sich die Kinderwelt endgültig als Harlachinger Institution etablieren und auch auf dem wachsenden Betreuungsmarkt behaupten. Die reihum sprießenden "Kita-GmbHs" sieht Bauer nicht aus Konkurrenzgründen skeptisch, sondern wegen einer Kommerzialisierung des pädagogischen Angebots, von der sich in letzter Zeit immer mehr Familien enttäuscht abwenden würden. Ein persönliches Kennenlernen anstelle der anonymen Online-Anmeldung im Kita-Finder ist Bauer und ihre Nachfolgerin wichtig, auch wenn die Kinderwelt weder eine Elite-Kita, noch eine Elterninitiative sein will.

Eltern, die Kind und Eigenverantwortung "mit Blick auf die Uhr" abgeben wollen, passten einfach nicht in eine Gemeinschaft, die auch ein wenig Mittun verlangt, findet Bauer. Dabei fehle es in Familien nicht an pädagogischem Ehrgeiz, nur richte sich der zu sehr auf abstraktes vorschulisches Lernen aus als an praktischen Fertigkeiten, wie selbständiges An- und Ausziehen oder halbwegs kleckerfrei essen. "Lebendige Elternarbeit" ist nach ihrer Beobachtung zum wichtigsten, zugleich schwierigsten Teil der Kindergartenpädagogik geworden. Nostalgie und Kulturpessimismus liegen Theresa Bauer aber fern. Anstatt sich zurückzuziehen, will sie im Ruhestand in der Fortbildung wirken und ihre Erfahrungen weitergeben. Die übrige Zeit möchte sie sich großteils der alten Heimat widmen - gemeint ist das Allgäu, von wo aus sie Anfang der Siebziger-Jahre nach München zog, aber auch Laim, ihr erster Wohn- und Arbeitsort, wo es nach all den Harlachinger Jahren viel zu entdecken und neue Kontakte zu knüpfen gilt.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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