Kritik:Kleine Wunder

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Beim Abschlusskonzert der Zweiten Hans Zender Akademie befassen sich elf junge Meistermusiker, angeleitet von der Dirigentin Susanne Blumenthal, mit der Musik ihrer Urgroßvätergeneration. (Foto: Internationale Ensemble Modern Akademie)

Die Hans Zender Akademie erforscht die große Freiheit der Klassik.

Von Reinhard J. Brembeck

Wer Wunder, zumindest kleine, sucht, wird meist in Münchens Hinterhöfen fern der Maximiliansstraße fündig. Nun ist die an der Maximiliansstraße gelegene Residenz nicht hinterhofverdächtig, doch es gehört Mut dazu, an zwei Aufpassern vorbei und drei Stockwerke hoch zu steigen, um im Vortragssaal auf Wunderschau zu gehen. Auf der Bühne sitzen beim Abschlusskonzert der "Zweiten Hans Zender Akademie" elf junge Meistermusiker, die sich, angeleitet von der Dirigentin Susanne Blumenthal, mit der Musik ihrer Urgroßvätergeneration befassen.

Sie beschreiben mit Hanns Eisler in vierzehn Miniaturen den Regen, es prasselt selten, dafür nieselt und sprühregnet es oft. Dann aber begeben sie sich in die von Musikern gefürchtete Grauzone zwischen Spielen, Partitur und Selberkomponieren. Howard Skempton, Hans Zender, Earle Brown und Mauricio Kagel haben solche Mitmachkompositionen geliefert, wo es nicht genügt, einen Notentext inspiriert zu spielen. Nein, die Musiker müssen ihn selber entwickeln. Diese Freiheit ist für Musiker, immer eingespannt zwischen Partitur und Dirigent, schwer erreichbar. Die Münchner Elf hat deshalb beim legendären Ensemble Modern zehn Tage lang Linienuntreue geprobt. Das Erarbeitete spielen sie unter der gestrengen Leitung von Susanne Blumenthal im üblichen Konzertritus.

Kagels Beethoven-Persiflage bietet viel Bekanntes in verfremdender Potpourrimanier. Eine freie Ensembleimprovisation zeigt genau wie Zenders "Modelle", dass die neu gewonnene Musikerfreiheit noch durch Kühn- und Frechheit vertieft werden könnte. Erstaunlicherweise sind die Elf dann beim Auftaktstück am überzeugendsten, in Howard Skemptons "May Pole". Skempton ist ein witziger Anarchist, ein hinterfotziger Esoteriker. Er schielt nie wie seine Kollegen nach einem gängigen Meisterwerk, sondern ermöglicht Momente. Hier ist es ein unaufgeregtes Klangband, vielfarbig schimmernd, ganz Atem, ganz Sehnsucht. Vulgo ein kleines Wunder.

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