Haidhausen:Männer vom Bau müssen nachsitzen

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Sie sind ratlos: Die Elternbeiräte Susanne Gruber (links) und Wiebke Kuhn-Kettenberger fürchten Schlimmes. (Foto: Stephan Rumpf)

Schicke Fassade, tolle Ausstattung, aber unbrauchbar: Das Baureferat gibt den dringend benötigten Schulpavillon der Adalbert-Stifter-Realschule nicht frei. Bemängelt werden Fehler in der statischen Berechnung

Von Johannes Korsche, Haidhausen

Im Schulpavillon der Adalbert-Stifter-Realschule an der Flurstraße werden erst einmal keine Kinder unterrichtet. Stattdessen muss die Firma "Losberger", die den Containerbau errichtet hat, wohl nachsitzen. Der Grund: Der zweigeschossige Bau - Kosten: 4,1 Millionen Euro - ist zwar seit Februar fertig, weicht aber von den "genehmigten Plänen und der statischen Berechnung" ab, wie das Baureferat mitteilt. Der Schulpavillon sollte die Raumnot an der Realschule lindern und wird nun selbst zum Problem. Denn momentan ist alles möglich: Sanierung und Nachbesserung oder Rückbau und erneute Ausschreibung. Bis geklärt ist, wie es mit dem Schulpavillon weitergeht, soll von den kommenden Herbstferien an ein Ersatzcontainer auf dem benachbarten Rasenplatz aufgestellt werden - zur Miete auf unbestimmte Zeit.

Der zweite Container ist der Ersatz für den Ersatz. Denn dass die Schule im Bestand nicht erweitert werden kann, hatte die Verwaltung schon geprüft. Eine solche Option "ist auf Grund des fehlenden Baurechts und der beengten Grundstückssituation" im Falle der Adalbert-Stifter-Realschule "sehr schwierig", fand das Baureferat. Nicht von ungefähr hätte der Schulpavillon eigentlich bis 2023 die Unterrichts-situation an der Schule verbessern sollen. "Der Container wäre ja eigentlich super", sagt Elternbeiratsmitglied Susanne Gruber und deutet auf die rote und orangefarbene Fassade des Schulpavillons. Auch die Ausstattung sei schon in den acht Klassenzimmern vorhanden: Stühle, Tische, Whiteboards. Alles auf dem neuesten Stand. Außerdem waren ein Gemeinschaftsraum und ein Lehrerzimmer samt Kopierer vorgesehen, um möglichst gute Voraussetzungen für Schüler und Lehrer zu schaffen. Auf dem Vorplatz stehen farbige Bänke - nach einer Notlösung sieht der Schulpavillon nicht aus.

Während der Containerbau leer steht, wird eine Erweiterung der Schule immer dringlicher: "Jedes Jahr wollen alleine 80 bis 90 Gymnasiasten auf unsere Realschule wechseln", sagt Elternbeirätin Wiebke Kuhn-Kettenberger, "es ist noch gar nicht so lange her, da waren es hier gerade einmal 180 Schüler". Inzwischen sind es etwa 480. Außerdem wächst die Grundschule, die im selben Gebäude untergebracht ist, ebenso stetig. Für solche Situationen rief die Stadt vor drei Jahren die sogenannte Münchner Schulbauoffensive aus. Bis 2030 will sie mit geschätzt neun Milliarden Euro Schulhäuser neu bauen, sanieren und erweitern. Von Anfang an war die Erweiterung der Adalbert-Stifter-Realschule dabei ein wichtiges Projekt - noch im Juli 2015 wurde ihr in einem Stadtratsbeschluss höchste Priorität bescheinigt.

Dementsprechend ging zunächst alles ganz schnell. Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) besuchte die Schule im August 2014, es folgten die Ausschreibung und der Baubeginn. Geplanter Eröffnungstermin des Schulpavillons: September 2015, pünktlich zu Schuljahresbeginn. Die "kurze Planungs- und Bauzeit" ist laut Baureferat einer der Gründe, warum so häufig Schulpavillons errichtet werden. Doch an der Adalbert-Stifter-Realschule verschob sich die Eröffnung immer wieder. Anfang August 2015 sei von "einem Plan B für zwei bis drei Wochen" die Rede gewesen, erinnert sich Kuhn-Kettenberger; also fanden die Klassenfahrten und Wandertage früher statt. Zudem wurde die Aula zum Klassenzimmer umfunktioniert, eine der Realschulklassen wird seither in einem Kellerzimmer unterrichtet. Doch die Übergangslösung wurde zum dauerhaften Zustand. Ein ums andere Mal sei man vertröstet worden, sagt Gruber. Aus den anfänglichen Tagen wurden "zwei bis drei Wochen", es kamen der darauffolgende Oktober, Dezember, der Beginn des Sommerhalbjahres. Monat für Monat wurde die Eröffnung verschoben. Auch der bisher letzte Termin - zum 50. Jubiläum der Schule und zur Verabschiedung der langjährigen Rektorin Beate Eilberg im vergangenen Juli - verstrich ohne feierliche Eröffnung des Schulpavillons.

Ob in dem derzeitigen Containerbau überhaupt einmal unterrichtet werden wird, ist noch unklar. Auch weil sich die Baufirma uneinsichtig zeigt: "Die von uns vorgelegte Statik ist in Ordnung", sagt Dieter Schimmel, Leiter der Marketingabteilung der Losberger GmbH. Zwar sei der Prüfstatiker in Teilen anderer Auffassung, doch man befinde sich mit ihm und der Stadt München in konstruktiven Gesprächen, um eine Lösung zu finden. Im Baureferat scheint man aber bereits einen Schritt weiter zu sein: "Kann der Mangel nicht behoben werden, muss die Anlage rückgebaut und die Leistung neu ausgeschrieben und vergeben werden", heißt es bei der Behörde.

Kuhn-Kettenberger hat "Muffensausen", wenn sie daran denkt, wie es im kommenden Schuljahr auf dem einstigen Sportplatz der Schule zugehen könnte. Sie rechnet fest damit, dass der derzeitige Schulpavillon rückgebaut und durch einen neuen ersetzt werden muss. Ihre Befürchtung: Baustellenlärm als Hintergrundgeräusche des Unterrichts und kein Platz mehr für den Schulsport. Ob ihre Tochter, die nach den Sommerferien in die neunte Jahrgangsstufe kommt, noch in einem statisch freigegebenen Schulpavillon unterrichtet werden wird? - Wiebke Kuhn-Kettenberger hat die Hoffnung längst aufgegeben.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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