Haidhausen:Das Casting

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Eine Rechtsanwältin, ein Lehrer und ein Ikea-Angestellter wetteifern um ein Stipendium für die Designer-Akademie U 5. Wer von ihnen sein Leben ändern wird, bestimmen die Hörer des Radiosenders egoFM per Klick auf den Facebook-Like-Button

Von Jutta Czeguhn, Haidhausen

27 000 Euro sind ein Batzen Geld, selbst auf drei Jahre gerechnet. So viel kosten sechs Semester Studium an der U 5, einer privaten Akademie für Kommunikationsdesign an der Einsteinstraße. Viele seiner Studenten, sagt Direktor Hans-Peter Albrecht, müssten die Gebühren selbst finanzieren. Durch Nebenjobs, nachts an der Fritteuse von McDonald's stehen und dergleichen. Oder sie nähmen Studenten-Kredite auf. Einige Quereinsteiger hätten sich auch etwas angespart. Dann gebe es noch die "rich kids", die Eltern haben, die ihnen das Studium bezahlen können. Jetzt kommt noch eine weitere Möglichkeit hinzu: ein Stipendium. Wer es ergattern will, muss eine Jury "vom Hocker reißen". Es hört sich schwer nach einem Casting für eine dieser notorischen Super-Irgendetwas-Talente an, wenn die U 5-Akademie und der Privatsender egoFM verkünden: "Wir spendieren euch das lässigste Studium eures Lebens". An diesem Samstag fällt die Entscheidung, die das Leben des Siegers durchaus in eine andere Richtung katapultieren könnte.

Albrecht leitet die Akademie seit etwa einem Jahr. Der Österreicher, Glatze und dunkle, runde Designerbrille, hält nichts von Bescheidenheit, wenn sie ihm nicht angebracht erscheint. Seine Schule sei ihr Geld wert, sie liefere die beste Ausbildung für Kommunikationsdesign in Deutschland. Die U 5-Absolventen würden von den Chefs der großen Agenturen quasi "von der Bühne weg verhaftet". Und jüngst hat Student Moritz Breitenhuber den Wettbewerb um das Wiesnplakat 2015 gewonnen. Wer also die Werbebranche mit immer neuen Kreativ-Talenten füttert, muss sich auch selbst verkaufen können. Albrecht hat sich zusammen mit dem Programmchef von egoFM, Fred Schreiber, etwas einfallen lassen, das er "nachhaltig und deutschlandweit einmalig" nennt. Konzertkarten oder andere "ideenbefreite Preise" verlosen, das könne schließlich jeder. EgoFM, das dem österreichischen Kult-Jugendsender FM 4 nacheifert, passe mit seiner jungen Hörerschaft und seiner Philosophie perfekt zur Akademie.

200 EgoFM-Hörer haben Anfang März auf den Aufruf via Radio reagiert und sich der ersten Aufgabe, der "Einstiegschallenge", im Rennen um das Stipendium gestellt. Sie sollten die Tram, die der Sender zu Werbezwecken durch München tuckern lässt, optisch aufpeppen. Viele Quereinsteiger aus allen möglichen Berufen waren unter den Bewerbern: Polizisten oder Barkeeper. "Natürlich mussten wir die meisten enttäuschen, aber sie haben für zwei Stunden gebrannt und darüber nachgedacht, ihr Leben zu ändern", sagt HP Albrecht. Die Chance dazu haben nun die drei Finalisten, die Albrecht gemeinsam mit Radio-Moderatorin Anna Häberle ausgewählt hat. Die drei hatten in den vergangenen Wochen weitere Herausforderungen zu bewältigen. Immer samstags zwischen 10 und 14 Uhr hat der Akademie-Direktor live in Häberles Sendung über die Entwürfe diskutiert, Punkte vergeben und neue Aufgaben gestellt. Aber nicht nur die beiden im Studio durften werten, auch die Hörer. Diese konnten die Arbeiten der Finalisten auf der Facebook-Seite des Senders begutachten und ihr Votum per Like-Button-Klick abgeben. "Gestalte dein Ego", lautete die zweite Aufgabe, "Visualisiere einen Radio-Werbespot" die dritte. An diesem Samstag werden die Kandidaten schließlich ihre Ideen zu einem TV-Film zum Thema "Musik entdecken" vorstellen.

Vorne liegt derzeit Florian Reichenberger, der 33-Jährige hat die Jury und die Hörer mit seinen Ideen bislang am meisten überzeugt. Reichenberger arbeitet als Lehrer. Eigentlich aber wollte er nach dem Abitur Kommunikations- und Grafikdesign studieren. Hat sich das dann aber von Berufsberatern und seinem Umfeld ausreden lassen: zu unsicher. "Trotzdem habe ich die Entscheidung immer etwas bereut", schreibt er über sich selbst. Als er von der Stipendium-Aktion hörte, habe er sofort losgelegt. "Mein Wunsch ist, dass meine Arbeiten die Menschen erreichen und raus in die Welt kommen."

Julia Wiesbeck, die Zweitplatzierte, hofft, dass ihr am Samstag noch der Sprung nach vorne gelingt. Auch die 30-jährige Regensburgerin lebt ihre kreativen Talente bisher anders aus, sie ist Rechtsanwältin. "Ich habe immer schon Texte geschrieben, gezeichnet, Designs entworfen", erzählt sie am Telefon. Eigentlich wollte sie sich nach dem Abi - natürlich Kunstleistungskurs - an einer Akademie bewerben. Doch war da ihre zweite Liebe, Sprachen, und der Wunsch, für das Auswärtige Amt zu arbeiten. Also habe sie sich für ein Jura-Studium entschieden. Sollte sie das U 5-Stipendium bekommen, will Wiesbeck zweigleisig fahren und weiterhin stundenweise als Anwältin arbeiten.

Finalist Nummer drei ist der 24-jährige Ambros Schwarz. Anders als seine beiden Konkurrenten, ist der gebürtige Franke schon immer gestalterisch unterwegs. "Nach meiner ersten Ausbildung zum Kirchenmaler in meiner Heimat Thalmässing nahe Nürnberg bin ich für eine zweite Ausbildung zum Gestalter für visuelles Marketing nach München gezogen", berichtet er. Derzeit arbeitet er bei Ikea und kümmert sich dort um die Planung und Ausgestaltung der Musterzimmer. Seine Arbeit als "Interieur Designer" beim schwedischen Einrichter sei eigentlich ein spannendes Feld. "Trotzdem habe ich riesige Lust auf neue Herausforderungen!" Ambros Schwarz, mit seinen 24 Jahren noch im Studenten-Alter, scheint es nicht schwer zu fallen, seinem Leben eine neue Richtung zu geben. "Sollte ich das Stipendium wirklich gewinnen, werde ich meine jetzige Anstellung kündigen müssen. Natürlich - ein mutiger Schritt ist das bestimmt." Allerdings hat er großen Respekt vor seinen Mitstreitern. "Die beiden haben bis jetzt absolut brillante Arbeiten abgeliefert. Es wird also nicht leicht für mich", schätzt er.

An diesem Samstag werden die Finalisten im Studio live dabei sein, wenn HP Albrecht und Anna Häberle in der Sendung das Ergebnis verkünden werden (www.egofm.de, UKW 100,8 MHz).

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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