Haidhausen:Ausgebremst

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Auch Umweltaktivisten sind gegen das Behördenkonzept: Mitglieder von Green City und dem ADFC bei einer Protestaktion auf der Rosenheimer Straße. (Foto: Stephan Rumpf)

Nach dem Votum der Einwohnerversammlung stellt sich auch die Mehrheit im Haidhauser Bezirksausschuss gegen das Konzept zur Umgestaltung der Rosenheimer Straße. SPD und Grüne plädieren für Tempo 30. Die zuständige Behörde ist skeptisch, ob das möglich ist

Von Johannes Korsche, Haidhausen

Der Haidhauser Bezirksausschuss (BA) hat den derzeitigen Entwurf des Baureferats für die Umgestaltung der Rosenheimer Straße mehrheitlich abgelehnt. Mit den Stimmen der SPD- und der Grünen-Fraktion folgte das Gremium damit dem Votum einer Einwohnerversammlung, die in der vergangenen Woche stattgefunden hatte. Damit verstärkt sich der Gegenwind für die Rathaus-Koalition und das Behördenkonzept für die Rosenheimer Straße. Neben Umweltverbänden und Anwohnern ist nun auch das Gros der Stadtviertelvertreter dagegen. Geht es nach der Mehrheit aus SPD und Grünen im BA, soll statt der großen und teuren Neugestaltung lieber Tempo 30 eingeführt werden.

Der Entwurf der Verwaltung sieht vor, dass die vier Autospuren zwischen Rosenheimer Platz und Orleansstraße drei Meter, die beiden Radspuren zwei Meter breit werden. Der Gehsteig bekommt 3,60 Meter Platz, zumindest an den Stellen, an denen nicht geparkt wird. Neben den 40 geplanten Stellplätzen - derzeit sind es entlang des gut 500 Meter langen Teilstücks 80 - schrumpft der Gehsteig auf 1,60 Meter Breite. Für den Radweg bleibt an diesen Stellen noch 1,50 Meter. Die völlige Neugestaltung der Fahrbahnen ist mit erheblichen Baumaßnahmen verbunden. Sogar unterirdisch verlaufende Rohre müssten verlegt werden. Außerdem müssten 20 Bäume weichen. Als Ersatz sollen 18 neue gepflanzt werden. Die Baukosten werden mit 5,2 Millionen Euro angegeben, die Bauzeit mit mehr als einem Jahr.

Im Bezirksausschuss war nur die CSU-Fraktion für den Entwurf. Sie folgte damit der Linie der Stadtrats-Mehrheit und stellt sich gegen das Votum der Einwohnerversammlung. SPD und Grüne sind sich zwar einig darin, diese Pläne nicht zu unterstützen. Doch haben sie unterschiedliche Vorstellungen, wie der Verkehr auf der Rosenheimer Straße in Zukunft verlaufen soll.

Die Grünen forderten in einem Antrag die Umsetzung der "Konzeptvariante". Das würde bedeuten, dass den Autofahrern nur noch eine Autospur je Fahrtrichtung bliebe. Radfahrer und Fußgänger hätten deutlich mehr Platz. Bis zur Umsetzung soll nach Vorstellung der Grünen "hilfsweise Tempo 30 sofort umgesetzt werden". Lydia Dietrich (Grüne) sagte, sie habe für den Antrag die Unterstützung des größten Teils der Einwohnerversammlung. Der Haken daran: Einen entsprechenden Entwurf hatte die Stadtverwaltung bereits vorgeschlagen, scheiterte aber im Stadtrat. BA-Chefin Adelheid Dietz-Will (SPD) kommentiert diesen Wunsch als "illusionär".

Für weniger illusionär hält die SPD wohl die Einführung von Tempo 30 für den Abschnitt der Rosenheimer Straße. Sie will aber keine Tempo-30-Zone. Auf den Unterschied wies Heinz-Peter Meyer (SPD) hin: "In einer Tempo-30-Zone gibt es laut Straßenverkehrsordnung keine Ampeln." Deshalb sei man zwar für eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Stundenkilometer, aber gegen eine Ausweisung als Tempo-30-Zone. Sabine Effner, Leiterin der Verkehrsabteilung im Kreisverwaltungsreferat (KVR), hatte darauf bei der Einwohnerversammlung sehr skeptisch reagiert. Man dürfe rechtlich von der Grundgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometer innerorts nur abweichen, wenn die Verkehrssicherheit anders nicht zu gewährleisten sei. Das gelte besonders für Hauptstraßen wie die Rosenheimer Straße. Die SPD im Lokalgremium sieht dennoch eine "Verkehrssicherheitsproblematik, die Tempo 30 begründet" gegeben, wie SPD-Fraktionssprecherin Nina Reitz sagte. Zudem führt Dietz-Will an, dass bereits in Hamburg und Kassel eine Geschwindigkeitsbegrenzung für Hauptstraßen auf 30 Stundenkilometer umgesetzt worden sei.

Den Vorschlag eines Anwohners, wonach die jeweils mittlere Autospur mit Tempo 50 zu einer reinen "Gerade-Aus-Fahrbahn" und die äußeren Fahrbahnen als Fahrradstraßen ausgewiesen werden, wird das Gremium an das KVR zur Prüfung weiterleiten. Die äußeren Fahrbahnen wären dementsprechend nur zum Rechtsabbiegen und Einparken freigegeben. Die Autos, die sich auf dieser Fahrbahn hinter den Radfahrern einordnen müssten, kämen ohnehin nicht über 30 Stundenkilometer hinaus, so die Vermutung des Anwohners.

Einigkeit herrscht bei einigen Sofortmaßnahmen. So beschloss der BA einstimmig, dass auf der Rosenheimer Straße verstärkt Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt werden sollen. Anlass sind Anwohnerbeschwerden über "Autorennen" auf der Rosenheimer Straße. Außerdem soll baldmöglichst eine "Gefahrenstelle für den Radverkehr" beseitigt werden, wie es in einer SPD-Initiative heißt. Wer in Richtung Stadt auf der Rosenheimer Straße unterwegs ist, werde derzeit kurz nach der Orleansstraße "abrupt verschwenkt und auf die rechte Fahrbahn geleitet". Das müsse entschärft werden.

© SZ vom 23.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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