Haidhausen:100 Jahre jung

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Die Pfarrgemeinde Sankt Wolfgang erinnert mit einem Festgottesdienst an ihre Gründung. Ihre erste Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, nur die Muttergottes konnte gerettet werden

Von Johannes Korsche, Haidhausen

Noch heute blickt Maria in der Sankt-Wolfgangs-Kirche auf ihre Haidhauser, wie schon 1920 zur Einweihung der Wolfgangskirche an der Balanstraße. Ansonsten ist nicht mehr viel so geblieben wie es damals war - nicht einmal die Grundmauern des ursprünglichen Kirchenbaus sind erhalten. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bomben das Gotteshaus. Nur der Turm überstand die Fliegerangriffe. Und eben jene Muttergottes, die "wunderbarerweise dastehend in ihrer Ruinen-Nische unverletzt und unversehrt" geblieben war, berichtet eine kleine Broschüre der Gemeinde aus den Sechzigerjahren. Und so wurde die Muttergottes des Bildhauers Johann Huber zu einem "Zeichen der Hoffnung" inmitten der Zerstörung, sagt Pfarrer Alfons Friedrich. Noch heute beobachtet er "viele ältere Haidhauser, die sich daran erinnern und vor ihr beten".

Am Sonntagvormittag von elf Uhr an feiert die Pfarrgemeinde Sankt Wolfgang mit einem Festgottesdienst ihre Gründung vor genau 100 Jahren. Die Geschichte der Kirchengemeinde reicht weit zurück. Dort, wo heute die Wolfgangsstraße bogenförmig von der Preysingstraße abzweigt, stand schon im Mittelalter eine "herzogliche Jagdkapelle", wie der kurze historische Abriss in der Broschüre ausführt. Im Schatten der Bauarbeiten der neugotischen Sankt-Johannes-Kirche riss man die kleine Kapelle allerdings um 1877 ab.

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(Foto: N/A)

Stillgestanden: Am 9. Mai 1915 wurde mit einer feierlichen Zeremonie der Grundstein für die Sankt-Wolfgangs-Kirche gelegt.

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(Foto: N/A)

Völlig zerstört wurde die erste Kirche der Pfarrgemeinde St. Wolfgang dann jedoch im Zweiten Weltkrieg.

Man dachte wohl, dass ein großes Gotteshaus für das inzwischen eingemeindete Dorf ausreiche. Doch Haidhausen wuchs. Lebten zur Jahrhundertwende etwa 45 000 Katholiken in dem Arbeiterviertel, waren es nur fünfzehn Jahre später bereits 58 000. Eine weitere Kirche musste her. Schließlich "ist Haidhausen zur Zeit die größte Pfarrei Bayerns, ja wohl auch von ganz Deutschland", heißt in der Festschrift zur Grundsteinlegung eben dieser neuen Kirche am 9. Mai 1915. Haidhausen sei zwar mindestens so groß wie Regensburg, aber es sei ein Regensburg ohne Dom, lediglich ein großes Gotteshaus und ein paar unbedeutende Kirchlein gebe es, beklagt die Festschrift. "Die Kirchennot war groß geworden, riesengroß."

Bereits 1896 gründeten daher etwa 40 Haidhauser den "Kirchenbauverein Sankt Wolfgang", in Erinnerung an die wenige Jahre zuvor abgerissene Kapelle. Auf der Suche nach einem geeigneten Stück Land tat sich bald eine ungewöhnliche Lösung auf: das nordöstliche Areal der ehemaligen Kreisirrenanstalt, eingefasst von Auerfeldstraße und Balanstraße. Noch heute steht die Sankt-Wolfgang-Kirche an dieser Stelle. Eine "zierliche, sehr geräumige, säulenlose, helle Barockkirche" wünschte sich der Bauverein damals. Nach diesen Vorgaben entwarf der Architekt Hans Schurr die Stadtpfarrkirche Sankt Wolfgang, die an ein früheres seiner Werke erinnerte, die Josephskirche in der Maxvorstadt. Fünf Jahre nach der Grundsteinlegung am Namenstag des Heiligen Wolfgang, dem 31. Oktober 1920, eröffnete die Kirche. Für den Bau waren insgesamt 670 000 Reichsmark bereitgestellt worden, umgerechnet entspricht das heute in etwa einer Summe von 5,5 Millionen Euro.

Nur die Muttergottes überlebte die Zerstörung der Kirche. (Foto: Sankt-Wolfgangs-Gemeinde)

1944, nicht ganz 25 Jahre nach dem ersten Gottesdienst, die Orgel war gerade fertig geworden, zerstörten Bomben die Kirche. Die Haidhauser feierten von nun an ihre Gottesdienste in einer ehemaligen Fabrikhalle an der Schornstraße, nur wenige Meter von der abgebrannten Kirche entfernt. Bis 1966, als der heutige Bau nach den Plänen von Michael Steinbrecher geweiht wurde. Heute erinnert neben dem erhaltenen Kirchturm nur noch eine Mauer an den ursprünglichen Bau. Verlässt man die Kirche in den Innenhof am Sankt-Wolfgangs-Platz, deutet sie auf der linken Seite die Umrisse des alten Gebäudes an.

Damals wie heute ist der Heilige Wolfgang mehr als nur Namensgeber. Pfarrer Friedrich leitet die Ziele seiner Arbeit von dem Leben des Mönchs ab, der vor mehr als 1000 Jahren lebte. "Wolfgang steht dafür, dass es in der Kirche nicht um weltliche Macht geht", sagt Friedrich. Der Heilige stehe dafür, dass die Kirche auf die Menschen zugehen soll. Eine Losung, die für Friedrich noch heute wichtig ist: "Was sind die Bedürfnisse der Menschen?" Und diese hätten sich seit der Gründung der Gemeinde sehr verändert. Aus dem Arbeiterviertel ist ein "elitärer Wohnbereich" geworden, sagt Friedrich. Viele junge Familien leben inzwischen in Haidhausen, manche von ihnen aus ganz Deutschland. Diese Haidhauser erinnern sich nicht an das alte Viertel oder die Geschichten über die Muttergottes, die den Fliegerangriff überstand.

Nach dem Neuaufbau gehört die Kirche längst wieder zum Ortsbild. (Foto: Stephan Rumpf)

Auch sie will Friedrich erreichen, sie gehören in seinen Augen zur Zukunft der Gemeinde. Deswegen engagiere sich die Pfarrei im Viertel, vor allem "die Jugendarbeit ist ein Schwerpunkt", sagt Friedrich. Noch so ein Bezug zum Heiligen Wolfgang, der in seiner Zeit als Bischof in Regensburg Erzieher des späteren Kaisers Heinrich II. war. Derzeit baut die Gemeinde, gemeinsam mit dem Orden der Salesianer Don Boscos ein Jugendhaus, direkt neben der Pfarrkirche und dem bereits bestehenden Salesianum. Für Friedrich verbindet das die Vergangenheit mit dem Kommenden: "Wir sind 100 Jahre jung und glauben an eine lange Zukunft."

© SZ vom 28.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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