Härtefall:Munitionsfund von Freimann: Stadt und Freistaat stehlen sich aus der Verantwortung

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In Freimann müssen Anwohner wegen eines Sprengstofffundes ihre Häuser räumen. (Foto: dpa)

Wird Munition auf einem privaten Grundstück entdeckt, zahlen die Anwohner für die Entsorgung. So ist die Regel. Im Fall von Freimann sollte man aber eine Ausnahme machen.

Kommentar von Kassian Stroh

Gesetze sind gut. Weil sie klare Regeln definieren, an die sich alle zu halten haben und die immer gelten, unabhängig vom Einzelfall. Im Fall des riesigen Munitionsfunds von Freimann ist die gesetzliche Lage eindeutig: Für die Entsorgung der gefährlichen Altlast im Boden müssen die Eigentümer des Grundstücks zahlen. Dass die Stadt bislang darauf pocht, ist also nur recht.

Aber es ist nicht billig - im Wortsinne nicht, weil es in diesem Fall um geschätzte 200 000 Euro geht, aber auch im übertragenen Sinne nicht, weil es dem Fall nicht gerecht wird.

Da wäre zum einen die Dimension des Fundes: Es handelt sich um zehn Tonnen Kampfmittel in einem alten Löschbecken, teils einbetoniert und bis an das Fundament des Hauses der betroffenen Familie reichend. Das ist weit mehr als ein einzelner Blindgänger, der in einem Garten oder auf einem Acker entdeckt wird. Und die geschätzten Bergungskosten von 200 000 Euro sind auch für Besitzer wertvollen Münchner Baulands potenziell ruinös und rechtfertigen das Wort vom Härtefall.

Zum anderen wäre da noch ein Argument, das über diesen Einzelfall hinausreicht: Jeder Grundbesitzer ist Nutznießer von dem, was sich in seinem Boden befindet, und er muss eben auch für dessen Altlasten haften - dieses Prinzip ist richtig, hat aber Grenzen, wenn es um öffentliche Interessen geht. Und im Falle Freimann ist es durchaus in öffentlichem Interesse zu verhindern, dass hier irgendwann eine Explosion ein ganzes Wohngebiet zerstört. Deshalb wäre es Prinzipienreiterei, der Familie jegliche öffentliche Unterstützung zu versagen.

Es gibt auch ein Vorbild dafür: Im unterfränkischen Schonungen wurde vor gut zehn Jahren eine gigantische Bodenverschmutzung festgestellt, Reste der Farbenfirma Sattler, hochgiftig und teuer in der Entsorgung. 123 Grundstücke waren betroffen, der Freistaat einigte sich mit den Besitzern nach langem Hin und Her auf einen Kompromiss und zahlte einen Gutteil der Kosten.

Im Fall Freimann ist stattdessen zu beobachten, wie Stadt und Freistaat versuchen, sich einen schlanken Fuß zu machen. Die Stadt verweist auf einen angeblichen Härtefallfonds des Freistaats, von dem das Innenministerium nichts wissen will. Das Ministerium benennt die Stadt als zuständig. Das ist unwürdig und wird dem Fall nicht gerecht. Ein Kompromiss wäre auch hier recht und billig, im Sinne von angemessen.

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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