Münchner Momente:Was die S-Bahn von Grumpy Cat lernen kann

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Grumpy Cat wurde durch ihr stets mürrisches Gesicht 2012 zur Internet-Sensation. (Foto: dpa)

Die grimmig dreinschauende Katze Tardar Sauce war ein Internet-Star, der lukrativ vermarktet wurde. In Sachen schlechter Laune kann München durchaus mithalten.

Glosse von Stefan Simon

Tardar Sauce ist gestorben, was für ein Verlust. Sieben Jahre ist sie alt geworden, das ist nicht viel. Auch wenn sie ein Mensch gewesen wäre, umgerechnet also Mitte vierzig: Das ist kein Alter, um ins Katzengras zu beißen. Tardar Sauce war Katze, von Natur und von Beruf. Nicht irgendeine Katze, sondern die, die jeder kennt: die mit den heruntergezogenen Mundwinkeln, die im Internet selbst tot noch hundert Mal mehr Fans und Follower hat, als der hiesige Top-Influencer jemals haben wird, Sie wissen schon: der aus der Staatskanzlei. Tardar Sauce war Grumpy Cat, Symbol schlechthin für den kulturellen Reichtum Amerikas. Auch wenn man, bei aller Trauer, sagen muss: München ist reicher.

Was ist schon ein grantig schauendes Haustier gegen all die Grantler an der Isar? Man begegnet ihnen überall. Am Fließband in der Kantine, wo ein einziger Blick des griesgrämigen Tablettrückgabewächters genügt, damit auch wirklich jeder seine saucenverschmierte Papierserviette vom Teller pflückt, auf dass sie nicht mit hinab in den vollautomatisierten Spülschlund fahre. Oder daheim, wenn man einen Handwerker ruft, die Annahme, der Kunde sei König, aber gekontert wird mit dem Hinweis, man verfüge nur über ein recht schlecht sortiertes Königreich, ohne Ersatzteile und Werkzeuge, von denen man leichtsinnigerweise annahm, der Fachmann würde sie sicher kennen und auch mitbringen. Und, natürlich: in der S-Bahn, die das Prinzip Grumpy Cat eigentlich erfunden hat und immer weiter perfektioniert.

Man kennt diese Durchsagen: Treten Sie von der Bahnsteigkante zurück, gehen Sie ins Wageninnere durch, Zurückbleiben, hab ich gesagt, treten Sie aus der Lichtschranke, und dann lassen Sie den Platz hinter der Fahrertüre gefälligst frei, sonst fahren wir nicht los. Als Geschäftsidee ist das nicht schlecht: Menschen in Fahrt bringen, selbst wenn nichts vorangeht. Wenn Kunden dafür zahlen, warum nicht richtig Kasse machen? Die Besitzer von Grumpy Cat sollen 100 Millionen Dollar und mehr durch die Vermarktung der zur Schau getragenen schlechten Laune verdient haben. 100 Millionen mit einer Katze, im Ernst? Und warum genau tut München sich dann so schwer, Geld für den öffentlichen Nahverkehr zu sammeln? Wo bleiben die giftgrünen Plüschschaffner und die Ich-bin-ein-grantiger-Lokführer-Tassen? Ach, Tardar Sauce, grummle in Frieden.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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