Gräfelfing:Streit auf dem Friedhof

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Gräfelfing lehnt einen stehenden Grabstein ab und beruft sich auf Pläne des Münchners Richard Riemerschmid aus dem Jahr 1913 sowie den Denkmalschutz. An diesem Freitag soll vor dem Verwaltungsgericht das Urteil fallen

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Ob ein Grabstein liegen oder stehen soll, das ist Gegenstand eines erbitterten Rechtsstreits zwischen einem Gräfelfinger Bürger und der Gemeinde. Am Donnerstagmittag trafen sich beide Parteien samt einer ganzen Richterriege vom Verwaltungsgericht München auf dem denkmalgeschützten Gräfelfinger Waldfriedhof zum sogenannten Augenscheintermin; anschließend wurde im Sitzungssaal der Gemeinde weiterverhandelt.

Im Kern geht es darum, ob die von der Gemeinde erlassene Gestaltungssatzung, die den Friedhof nach Plänen seines Architekten Richard Riemerschmid bewahren soll, Gültigkeit hat oder nicht. Sollte das an diesem Freitag erwartete Urteil negativ für die Gemeinde ausfallen, wird befürchtet, dass dieser Präzedenzfall weitere Bürger auf den Plan rufen könnte, die ebenfalls Gräber jenseits der bisherigen Satzungsvorgaben gestalten wollen. Damit wäre aus Sicht des Rathauses das Erbe Riemerschmids wohl endgültig verloren.

Der alte Teil des Waldfriedhofes geht auf Pläne aus dem Jahr 1913 des Münchner Künstlers und Architekturprofessors Richard Riemerschmid zurück. Zu dieser vom Jugendstil geprägten Architektur gehört, dass die Gesamtanlage als "schützende Hand" gestaltet ist: nur ganz außen, hin zur Friedhofsmauer, sollen die Grabsteine stehen, dazwischen sollen sie liegen, damit ein geborgener Eindruck entsteht. So erklärte es einst die frühere Gemeindearchivarin Friederike Tschochner.

Zahlreiche Ausnahmen wurden in der Vergangenheit hinsichtlich der Gestaltung gemacht. (Foto: Catherina Hess)

Genau dieses Prinzip ist jetzt Kern des Streites, der sich schon mehr als drei Jahre hinzieht und sich nun zu einem Prozess ausgewachsen hat. Genau am Hauptweg des Friedhofes möchte der Kläger einen stehenden Grabstein auf dem Familiengrab errichten; gekauft hat er ihn bereits. Die Gemeinde verbietet den stehenden Stein jedoch und beruft sich auf ihre im März 2016 überarbeitete Satzung, der die ursprünglichen Riemerschmid-Pläne zu Grunde liegen, die eben an genau dieser Stelle einen liegenden Stein vorsehen.

Was den Streit so pikant macht, ist die Tatsache, dass der Friedhof längst nicht mehr im Originalzustand ist. Zahlreiche Ausnahmen wurden in der Vergangenheit hinsichtlich der Gestaltung gemacht. Der Denkmalschutz ist bereits "durchlöchert wie ein Schweizer Käse", sagte der Kläger beim Augenscheintermin. Und sein Anwalt zweifelt die Gültigkeit der Satzung ebenso wie den Eintrag des Friedhofes in die Denkmalliste an. Das Prinzip der "schützenden Hand" ist nirgends schriftlich festgehalten.

Ruhen mit System: Der Gräfelfinger Waldfriedhof wurde 1913 von Richard Riemerschmid als "schützende Hand" entworfen: nur ganz außen, hin zur Friedhofsmauer, sollen die Grabsteine stehen, dazwischen sollen sie liegen. (Foto: Catherina Hess)

Grundsätzlich müssen sich alle an die Gestaltungsvorschriften halten, stellte die Vorsitzende Richterin Rosa Schaffrath fest. Die Frage ist nur, ob sich die Gemeinde dabei auf die alten Riemerschmid-Pläne berufen kann oder ob es nicht schon so viele Abweichungen auf dem Friedhof gibt, dass diese keine Grundlage mehr sein können. Der Bitte der Richterin, zu einer gütlichen Einigung zu kommen, kamen beide Parteien nicht nach. Sollte das Urteil negativ für den Kläger ausfallen, ließ sein Anwalt anklingen, dass eine Normenkontrollklage gegen die Satzung und die Anfechtung des Eintrages des Friedhofes in die Denkmalliste möglich wäre.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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