Glück ist ein Reizwort im Würmtal. Es ist der Name eines der größten Kieswerke in Bayern, das seit über achtzig Jahren seinen Sitz in Gräfelfing hat: die Bernhard Glück Kies-Sand-Hartsteinsplitt GmbH. Viele Umweltschützer und Anwohner in Gräfelfing, Planegg und Neuried verbinden den Namen vor allem mit gerodeten Waldflächen, mit Zerstörung von Naturraum und belastendem Schwerlast-Verkehr. In den vergangenen Wochen hat sich massiver Widerstand gegen den Kiesabbau formiert, eine neue Bürgerinitiative ist daraus hervorgegangen. Der Grund: Neue Abbaugebiete sollen erschlossen werden. Dieses Vorhaben bereitet nicht nur den Protestierenden Sorge, auch der Firma Glück selbst. Aber aus einem anderen Grund. Markus Wahl, Geschäftsführer, empfängt im Firmensitz. Es ist der Besuch bei einem Unternehmen, das um seine Zukunft ringt.
Der Bauboom in München und Umgebung hat ein Gerangel um den wertvollen Rohstoff Kies ausgelöst, "der Bedarf an Kies ist signifikant gewachsen", sagt Wahl. Würde die Firma alle Anfragen bedienen - darunter große Mengen Kies für die zweite S-Bahn-Stammstrecke - wären sämtliche Kiesvorräte in den aktuellen Abbaugebieten im Forst Kasten und im Martinsrieder Feld in drei Jahren ausgeschöpft. Weil die Firma bei ihrer Fördermenge von 800 000 Tonnen pro Jahr bleiben will, reicht der Vorrat noch für sieben Jahre, dann ist Schluss. Ähnlich geht es den anderen Kieswerken rund um München, sagt Wahl. Sie alle treibe die Sorge um die Rohstoffsicherheit um. Kies gebe es mehr als genug, aber die Sicherung des Rohstoffes sei "signifikant schwer" geworden. Die Genehmigungsverfahren sind laut Markus Wahl langwierig, zudem wollten die Kiesunternehmen möglichst im nahen Umfeld vom Werk abbauen, denn kurze Transportwege sparten Geld. Das grenze jedoch die Abbaumöglichkeiten ein, denn nicht viele Land- und Forstwirte wollen ihre Flächen zur Verfügung stellen.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich die aktuellen Begehrlichkeiten, was die Kiesvorkommen in den Wäldern rund um die Würmtalgemeinden betrifft. Seit Jahrzehnten baut die Firma Glück im Forst Kasten bei Neuried Kies ab, über ein fünf Kilometer langes unterirdisches Förderband wird der Rohstoff direkt ins Werk geliefert. Jetzt hat die Heiliggeistspital-Stiftung, Eigentümerin des Waldes, ein neues Abbaugebiet europaweit ausgeschrieben. Die Firma Glück ist davon ausgeschlossen, es gibt Besonderheiten im Ausschreibungsverfahren, die für die Firma nicht erfüllbar sind, formuliert es Stephan Heller. Der Kommunikationsexperte ist neu an Bord der Firma Glück und seine Präsenz kann durchaus als Hinweis für den hohen Grad an Krisenstimmung im Gräfelfinger Unternehmen verstanden werden - die Agentur Heller & Partner ist Profi unter anderem in politischer Öffentlichkeitsarbeit und Krisenkommunikation (dritte Startbahn). Die Firma Glück führt mit Hellers Begleitung derzeit einen Rechtsstreit mit der Stiftung, um das Gebiet im Forst Kasten doch noch für das Unternehmen zu sichern.
Die vertrackte Lage hat den Blick auf alternative Abbaugebiete gelenkt. Fündig geworden ist man im Planegger Holz, auch "Dickwiese" genannt. Das Waldgebiet ist im Eigentum von Baron Philipp Freiherr von Hirsch und liegt westlich von Planegg, zwischen der Autobahn A 96, Anschlussstelle Germering-Süd und der Germeringer Straße. Die vorgesehene Abbau- und Verfüllungsfläche hat einen Umfang von 24,4 Hektar, unter der Erde sollen dort rund 5,85 Millionen Tonnen verwertbares Substrat lagern, was Abbau für etwa 13 Jahre bedeutet. Derzeit läuft der erste Schritt im bis zu fünf Jahre dauernden Genehmigungsverfahren, ein Raumordnungsverfahren, bei dem auch die umliegenden Kommunen ihre Stellungnahme zu dem Vorhaben abgeben. Germering hat es bereits abgelehnt. "Hier entsteht kein Wachstumsszenario", betont Wahl. Die Dickwiese sichere den Fortbestand des Unternehmens.
Das Argument der Kiesgegner, der Abbau zerstöre wertvollen Naturraum, lässt das Unternehmen nicht gelten. Der Baumbestand in der Dickwiese sei stark geschädigt von Stürmen und leide unter Borkenkäferbefall. Der Wald müsste ohnehin "geerntet" werden, sagt Stefan Heller. Zudem sei die Humusschicht sehr dünn. Nach der Verfüllung der Kiesgruben werde eine wesentlich dickere Humusschicht aufgebracht und ein Mischwaldkonzept umgesetzt. Der entstehende Wald habe dann "eine höhere Qualität als der Ursprungswald". Auch dem Vorwurf der Naturschützer, die Firma würde mit den beantragten rund 24 Hektar Abbaugebiet eine Umweltverträglichkeitsprüfung umschiffen wollen - sie wird erst ab 25 Hektar obligatorisch - wolle man sich stellen. Laut Heller werde derzeit geprüft, ob die Firma Glück die Umweltverträglichkeitsprüfung freiwillig durchführt.
Den im Planegger Holz gewonnen Kies müssten Laster abtransportieren: Mit rund 186 Fahrten am Tag ins Werk und zurück zur Grube ist zu rechnen. Die Glück-Laster würden den Weg über die Autobahn A 96 und das Gräfelfinger Gewerbegebiet ins Kieswerk nehmen, "das garantieren wir", sagt Heller. Die Fahrzeuge seien alle mit GPS ausgestattet, Fahrtwege ließen sich nachprüfen. Geplant ist, dass das künftig auch Bürger über die Homepage der Firma machen können.
Am Ende des Glück-Besuchs scheinen drei Zukunftsszenarien denkbar: Die Firma Glück kann weder Forst Kasten noch Dickwiese als Abbaugebiet sichern. Dann schließt die Firma am Standort Gräfelfing in sieben Jahren. Den Kiesbedarf im Würmtal müssen dann andere Kieswerke sicherstellen. Oder aber es gelingt der Firma, das Abbaugebiet Forst Kasten zu sichern, dann wird Kies weiter unterirdisch ins Werk geliefert. Das Gebiet Dickwiese bleibt in der Hinterhand. Schließlich könnten auch zwei Firmen zum Zuge kommen: Eine baut im Forst Kasten ab, transportiert den Rohstoff mit Lkw ab und liefert zusätzlich Verfüllmaterial an; die Firma Glück macht dasselbe im Bereich Dickwiese. Welches dieser Szenarien für das Würmtal das Beste ist, darüber gibt es vermutlich geteilte Meinungen.