Gräfelfinger Gemeinderat:Gespaltenes Gremium

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Mit immerhin fünf Gegenstimmen wird der Haushalt 2017 verabschiedet - ein Novum im Ort

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Mit der Feststellung, dass "der tiefe Griff in die Rücklagen nicht jedem gefällt", lag Gräfelfings Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing/IGG) in der jüngsten Gemeinderatssitzung mehr als richtig. Im Haushaltsplan schmilzt die Rücklage von derzeit 45,51 Millionen auf 1,25 Millionen Euro im Jahr 2021 ab, wenn alles so kommt, wie jetzt geplant. Das brachte der Bürgermeisterin heftige Kritik ein. Mit fünf Gegenstimmen wurde der Haushalt verabschiedet - das ist ein Novum im Gräfelfinger Gremium, das sich sonst in Finanzsachen eher einig ist.

Die vielen Investitionen der Gemeinde - im Jahr 2017 allein 26,4 Millionen Euro - haben verschiedene Ursachen, verteidigte die Bürgermeisterin zu Beginn der Sitzung die Finanzlage. Zum einen müsse die Gemeinde Pflichtaufgaben erfüllen, wozu die Erweiterung des Schulcampus' gehört - hier fallen für den Anbau an die Volksschule Lochham, der sich bereits im Rohbau befindet, und für den Neubau der Turn- und Schwimmhalle bis 2020 insgesamt 27 Millionen Euro an. Der Hallenneubau war laut Wüst eigentlich erst am Ende der Campuserweiterung geplant, rückte nun aber nach oben auf der Prioritätenliste, weil die Sanierung der Halle drängt. Es sei "eine Peinlichkeit, dort Schüler Sport machen zu lassen", hatte Campus-Architekt Clemens Pollok gesagt.

Weitere zukünftige Großprojekte sind laut Wüst die Sanierung des Alten- und Pflegeheims Rudolf-Maria-Gunst-Haus, das mit Jahresbeginn an die Gemeinde als Betreiberin übergegangen ist. Angesichts der bevorstehenden Sanierungskosten nimmt die Idee Gestalt an, hier einen Partner ins Boot zu holen. Eine kostspielige Überraschung ist auch das Geothermie-Projekt, das seit Anfang Dezember unter Federführung der Gemeinde betrieben wird, weil Investor Trinkl nach langer Hängepartie abgesprungen ist. Dafür kann die Gemeinde zwischen sieben und 45 Millionen Euro in den nächsten Jahren ausgeben, je nachdem, wie sehr sie das Projekt in Eigenregie führt, sagte Wüst. Im Haushalt sind derzeit bis 2020 zunächst 7,5 Millionen Euro eingestellt.

In scharfem Ton, den Ratskollege Günter Roll (Bürgerverein Gräfelfing-Lochham/BVGL) als "aggressiv" bezeichnete und in den letzten 14 Jahren so im Gemeinderat nicht erlebt habe, ging Jörg Scholler (FDP) die Bürgermeisterin an. Er warf ihr vor, ein "rosa Bild" zu zeichnen und die Finanzen nicht im Blick zu haben. Nach wie vor halte er ein Schwimmbad mit sechs Bahnen für überzogen, mahnte die Folgekosten sowie die "Rücklagenplünderung" an und forderte eine "seriöse und nachvollziehbare" Kostenplanung. Er lehnte schließlich den Haushalt ab. Auch die SPD stimmte nicht für das Zahlenwerk. Die Fraktion kritisierte ebenfalls den Rücklagenverzehr wie auch im Haushalt fehlende Investitionen.

Mit dem Argument, dass sich auch im laufenden Jahr noch Veränderungen zugunsten der Haushaltslage ergeben können, verteidigte Benno Stübner (IGG) den Haushalt. Das Jahr 2016 zeige dies. Tatsächlich zeichnete Kämmerin Tanja Lindner ein positives Bild: Anstatt wie geplant elf Millionen aus den Rücklagen zu entnehmen, können 2016 vier Millionen zugeführt werden. Ein Plus, das so nicht geplant war. Auch die Gewerbesteuer entwickelt sich besser als gedacht: 46 Millionen Euro an Einnahmen waren geschätzt, derzeit sind es schon 48,6 Millionen Euro. Stüber warf Scholler "stilloses" Verhalten vor und empfindet dessen Vorwürfe als "Unterstellung". Auch Frauke Schwaiblmair (Grüne/Unabhängige Liste) kritisierte Schollers "populistische Äußerungen". Und Günter Roll forderte Vorschläge von den Kritikern: "Dann müssen Sie auch konkret sagen, was der Bürger nicht kriegt. Kritisieren reicht nicht."

© SZ vom 16.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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