Gräfelfing:"Es war ein Ritt, eine Grenzerfahrung"

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Eine Goldmedaille erinnert Ute Zima an die Plackerei im Regen. (Foto: privat)

Ute Zima ist innerhalb von 24 Stunden 100 Kilometer gelaufen - und hat dabei Geld für Hilfsprojekte in Afrika gesammelt

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Die Gefühlslage am Montag bewegte sich zwischen Stolz und Schmerz. Die Gräfelfingerin Ute Zima ist am Wochenende in 24 Stunden 100 Kilometer für einen guten Zweck gelaufen. Die meiste Zeit im strömenden Regen, mit Rucksack auf dem Rücken und Stirnlampe auf dem Kopf. Von 478 Teilnehmern des Spendenlaufs kamen 78 ins Ziel, Ute Zima war eine davon. "Es war ein Ritt, eine Grenzerfahrung", sagt sie. Die schmerzenden Beine und die Blasen an den Füßen lassen sie am Montag nur humpeln.

Die Idee des Spendenlaufs für Bildungsprojekte in Afrika hat die Gräfelfingerin überzeugt. Die gemeinnützige Initiative Learning Lions fördert Ausbildung und faire Arbeitsplätze in Afrika. Der Verein Löwenmarsch mit Sitz in Geltendorf wiederum organisiert die Spendenveranstaltung. Ute Zima, vielen in Gräfelfing bekannt, weil sie den Tag der offenen Unternehmen ins Leben gerufen hat und sich in der Flüchtlingsarbeit engagiert, war dabei. Sie warb um Sponsoren und ließ sich auf die bislang größte sportliche Herausforderung ihres Lebens ein: In 24 Stunden 100 Kilometer laufen, ohne größere Pausen, von Schloss Kaltenberg bis Schloss Hohenschwangau. Ute Zima hat Wettkampfgeist, sagt sie von sich selbst, und fühlte sich gut trainiert: Von Gräfelfing nach Starnberg laufen oder auch mal 130 Kilometer Radfahren, das bewältigt sie. Dass 100 Kilometer zu laufen jedoch eine derartige Grenzerfahrung werden würde, hatte sie unterschätzt. Aber erst mal ging es locker los, ihre Schwester begleitete sie die ersten 40 Kilometer. Dann musste Ute Zima sich im weiten Feld der Teilnehmer andere Begleiter suchen, allein durch die Nacht - weite Waldstrecken waren vorgesehen - wollte sie nicht. Doch die Begleiter wechselten immer wieder, man verlor sich, manche gaben auf oder gingen ein anderes Tempo. Über weite Strecken lief sie dann doch alleine. Und dann kam der Regen. Das Wasser lief in den Kragen, den Rücken entlang, durch die Hose bis in die Schuhe. Um 3.30 Uhr im Märchenwald Schongau war sie "nass bis auf die Unterhose". Und die Wechselkleidung im Rucksack ebenso. An einem der diversen Streckenposten, die Getränke, Snacks und heiße Suppe verteilten, ließ sie sich eine Decke geben, Schnitt Löcher für die Arme hinein und bastelte sich einen Poncho, den sie mit Mullbinden um den Leib band. Darüber kam ein Müllsack als Regenschutz. Viel später brachte der Ehemann Wechselkleidung zur Wieskirche.

Das Laufen wurde immer beschwerlicher, nach einem ersten Durchhänger bei Kilometer 35 folgte ab Kilometer 75 die "totale Erschöpfung". Nach jeder kurzen Pause ging sie schwankend los, bis sie in ihren Rhythmus fand, der Körper meldete längst, dass er nicht mehr konnte. Aufgeben kam aber nicht in Frage. "Manchmal schreit der innere Schweinehund, aber dann hört man nicht hin", ist Zimas Devise. Irgendwann lief sie nur noch "auf Autopilot", wie sie sagt. Doch dann machte sie eine spannende Erfahrung: "Der Geist ist stärker als der Körper." Hätte sie nicht den absoluten Willen gehabt, ins Ziel zu kommen, hätte sie es nicht geschafft.

Sie verlief sich dann noch im Morgennebel, Schloss Hohenschwangau schon im Blick, was zusätzliche Kilometer kostete. Doch sie kam im Schloss an, am Sonntagnachmittag um 15.36 Uhr, wurde mit einer der Goldmedaillen geschmückt - und dann streikten ihre Beine. Kein Schritt war mehr möglich. Eine Badewanne, ein Essen und zwölf Stunden Schlaf brachten erste Erholung. Am Tag danach quälen sie schmerzende, steinharte Muskeln im Unterschenkel.

"Die Erfahrung lohnt sich, aber ich würde es nicht mehr so blauäugig machen", sagt sie rückblickend. Mehr Training im Vorfeld hätte gutgetan. Ihr Ziel hat sie erreicht, 1 335 Euro Spendengelder hat sie erlaufen, gehört damit zu den zehn größten Spendern der Aktion, die insgesamt über 106 000 Euro einbrachte. Vielleicht macht sie nächstes Jahr wieder mit. Dann aber mit einem Team aus Familie und Freunden an ihrer Seite, die sie abschnittsweise begleiten. Vorerst jedoch legt sie die Beine hoch.

© SZ vom 11.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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