Gräfelfing:Die lange Reise der alten Hose

Lesezeit: 3 min

Mode und Müll: Immer schneller dreht sich der Kreislauf zwischen Produktion, Kauf und Entsorgung von Kleidungsstücken. Das Ergebnis sind übervolle Sammelcontainer wie der des Malteser Hilfsdienstes in Gräfelfing-Lochham. Die Gemeinde will die Flut jetzt eindämmen. (Foto: Catherina Hess)

In Deutschland fallen jährlich eine Million Tonnen Altkleider an. Manche Ware gelangt dabei bis nach Übersee. In Gräfelfing wird es trotz überfüllter Behälter keine weiteren Container geben - aus erzieherischen Gründen

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Das Entsorgen von Altkleidern macht Ärger in Gräfelfing. Die Altkleidercontainer sind häufig überfüllt, die Einwurfklappe klemmt und die Bürger stellen infolgedessen ihre Altkleidersäcke und auch anderen Müll in Tüten neben den Container, kritisierte Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing) in der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses. "So geht es nicht weiter." Dabei soll doch alles für einen guten Zweck sein: Ein Teilerlös aus der Kleiderverwertung kommt dem Malteser Hilfsdienst in Gräfelfing zugute, der das Geld in soziale Projekte investiert.

Die Altkleidersammlung in Gräfelfing ist das Monopol der Malteser. Alle der rund 20 aufgestellten Container in der Kommune sind von der Hilfsorganisation, die ihre Bezirksgeschäftsstelle in Gräfelfing hat. Das Gerangel um die Stellplätze ist enorm, denn Altkleider sind ein gefragter Rohstoff. Aus der Verwertung ausrangierter Klamotten, Bettwäsche oder Schuhen lässt sich bares Geld machen. Die Gemeinde muss immer wieder auf Anfragen gemeinnütziger Organisationen oder Firmen reagieren, die Containerstandorte suchen. Auch private Grundstücke sind gefragt, etwa vor Bäckereien, Getränke- oder Supermärkten. So sucht etwa der Münchner Sozialbetrieb Diakonia derzeit Stellflächen in der Stadt und in den Umlandgemeinden. In Gräfelfing wird er nicht fündig werden. Denn auch wenn der Sammelbehälter auf einem privaten Grundstück platziert werden soll, ist eine Erlaubnis einzuholen, und die wird die Gemeinde nicht geben. "Die Sammlung muss beim Landratsamt genehmigt werden, die Gemeinde kann dann Stellung beziehen", erklärt Lydia Brooks vom Umweltamt auf SZ-Anfrage. Wenn die Kommune nachweisen kann, dass sie ausreichend Sammelcontainer bereithält, kann sie weitere Container ablehnen. Das hat vor Jahren der Gemeinderat so beschlossen.

Da die Altkleidersammlung kein Kerngeschäft der Malteser ist, überlässt die Hilfsorganisation die Leerung und Verwertung der Ware einem Kooperationspartner, der Firma FWS in Bremen, sagt Julia Krill von den Maltesern. Die Firma räumt auf Anfrage ein, dass es in Gräfelfing krankheitsbedingt zu Ausfällen bei der Leerung gekommen sei. Zudem sei es nicht einfach, Mitarbeiter für den Job zu finden, denn dieser sei nicht sehr begehrt. Auch die Bürger leisteten ihren Beitrag: Sie entsorgen Dinge im Container, die dort nicht hineingehören, sagt Ramona Diercksen von FWS. Etwa Gartenmöbelauflagen und Schaumgummireste, die die Einfüllschächte verstopften.

Ein Hauptgrund für die überfüllten Container sei aber, dass man der Altkleidermassen kaum mehr Herr werde. Billigketten brächten bis zu 27 Kollektionen im Jahr auf den Markt. Da wird gekauft und wieder aussortiert - "fast fashion" nennt man das in der Branche. Die Entsorgung im Container mag das Gewissen beruhigen, mit der Kleiderspende wenigstens Gutes zu tun. Doch ein Großteil der Klamotten sei von minderwertiger Qualität und lasse sich nicht so gut weiterverwerten, sagt Diercksen. Es gebe ein hohes Warenaufkommen, ohne dass dabei mehr Geld verdient werde. Vor einigen Jahren sei eine Tonne Altkleider 400 bis 500 Euro wert gewesen, heute seien es noch rund 260 Euro. Nur wirklich hochwertige Ware - Markenkleidung - lasse sich optimal verwerten, also weiterverkaufen. Diese mache aber nur acht bis neun Prozent der verwertbaren Kleidung aus. Und verwertbar ist nur etwa die Hälfte der im Container entsorgen Altkleider. Der Rest wird zu Putzlappen (20 Prozent), Füll- und Dämmstoffen (20 Prozent) oder Ersatzbrennstoffen (sechs Prozent) - und manches landet auch im Müll (vier Prozent). Ein Großteil der Second-Hand-Ware wird auf den Märkten der Welt verkauft, unter anderem in Afrika und Osteuropa. In Deutschland fällt laut Diercksen jährlich eine Million Tonnen Altkleider an. Das sei sehr viel mehr als der heimische Markt an Bedarf hat. So kommt die Ware nach Übersee und hat bis dahin schon etliche Stationen hinter sich: Eine entsorgte Gräfelfinger Hose wird nach Leerung der Container zwischengelagert und per Spedition in die Sortierbetriebe gebracht - FWS unterhält Standorte in Holland, Belgien und drei in Deutschland. Wo die Hose sortiert wird, steuert FWS "bedarfsgerecht", wie es heißt, von Bremen aus. Hat das Kleidungsstück dann schließlich einen Käufer gefunden, kommen die Malteser ins Spiel: Sie erhalten fünf Prozent vom Gewinn, der in einer Tonne Altkleider steckt, sagt Krill. Das Geld fließe in die sozialen Dienste wie den Kinderhospizdienst oder die Demenzarbeit.

Das Thema kam im Gräfelfinger Hauptausschuss auf, weil Gemeinderätin Frauke Schwaiblmair (Grüne) wissen wollte, ob es in Gräfelfing genug Container gebe und wie die Ware verwertet werde. Die Bürgermeisterin machte klar, dass mehr Container aufzustellen, um die Klamottenflut aufzufangen, für sie keine Lösung sei. Sie kritisierte gegenüber der SZ die Mentalität, Garderobe wie Einwegware zu behandeln. Am liebsten würde sie die Anzahl der Container in der Kommune reduzieren und die verbleibenden auf wenige Standorte beschränken.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: