Gräfelfing:Dem Verkehr auf der Spur

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Die Gemeinderäte wollen bei einer Klausur klären, wie sie das Problem der wachsenden Mobilität in den Griff bekommen können - und wie man den Lärmschutz an der Autobahn verwirklichen könnte

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Zu viel, zu laut, zu schnell - auf diese Kurzformel zur Gräfelfinger Verkehrssituation können sich die meisten Bürger einigen. In den Dreiklang würden auch die anderen Würmtalgemeinden einstimmen, denn Gräfelfing steht mit seinem Verkehrsproblem nicht alleine da. Die Brennpunkte speziell in Gräfelfing sind der Lärm der Lindauer Autobahn und der tägliche Stau auf der Pasinger Straße. Aber inzwischen ist es im gesamten Gemeindegebiet keine Freude, sich zu Stoßzeiten in Bewegung zu setzen. Im Januar begeben sich Gemeinderäte in Klausur, um Wege zu finden, den Verkehr zu bewältigen.

Eines ist sicher: der Verkehr wird in Zukunft nicht weniger, sondern noch mehr. Der Trend zur Mobilität ist ungebrochen. Überregionale Verkehrsuntersuchungen zeigen, dass die Menschen noch häufiger unterwegs sein werden und dabei noch größere Entfernungen zurücklegen. Nicht nur der Autoverkehr nimmt weiter zu, auch mehr Lkw sind auf den Straßen zu erwarten, mehr Busse und mehr Fahrradfahrer. Dabei werden die Menschen künftig vermehrt Car-Sharing-Angebote oder Elektrofahrzeuge nutzen, zitiert Gräfelfings Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing) die Verkehrsexperten. Das ist zwar umweltfreundlich, verursacht aber trotzdem Staus.

Schon jetzt rollen täglich rund 115 000 Fahrzeuge in 24 Stunden durchs Gemeindegebiet, hat Verkehrsexperte Hellmuth Ammerl in einer der jüngsten Sitzungen des Bauausschusses vorgerechnet. Zu gut 70 Prozent sind die Gräfelfinger selbst auf der Straße, nur 30 Prozent entfallen auf Durchgangsverkehr. In einer Klausurtagung wird sich der Verkehr kaum wegdiskutieren lassen. Aber man kann alles daran setzen, ihn in Fluss halten, so die Vision der Bürgermeisterin. "Ein ruhiger Langsamverkehr ab dem Ortsschild" schwebt ihr vor. Eine Mehrheit für Tempo 30 im gesamten Gemeindegebiet zu gewinnen, wäre für sie "ein toller Erfolg" des eintägigen Treffens. Dann wäre auch Verkehrsverlagerungen, wie sie Ammerl in seiner Untersuchung dargestellt hat, der Riegel vorgeschoben: Als Errungenschaft im vergangenen Jahr wurde die Einführung von Tempo 30 tagsüber auf der Pasinger Straße gefeiert. Doch den Effekt spüren zum Beispiel die Bewohner der Rottenbucher Straße. Weil dort noch Tempo 40 gilt, sind nun deutlich mehr Autos unterwegs.

In der Klausur sollen auch die Ideen aus der Bürgerwerkstatt im vergangenen April zur Sprache kommen. Damals haben Bürger ihre Vorstellungen für ein verkehrsberuhigtes Gräfelfing in Workshops zusammengetragen. Die überfüllte Bahnhofstraße wurde dabei immer wieder kritisiert. "Wir brauchen viele Einkaufsmöglichkeiten", ist das Fazit für Wüst. Gemeint sind damit vor allem mehr Geschäfte am Jahnplatz in Lochham. Ein erstes Konzept zur Bebauung an der östlichen Seite entlang des Bahndamms wurde im vergangenen Jahr vorgestellt.

Diese Form von Verdichtung passt ins Konzept von ROEK - dem raumordnerischen Entwicklungskonzept für den Münchner Südwesten. Eine Verdichtung an den Bahnhöfen soll den Verkehr reduzieren, weil die Bürger direkt am Bahnhof einkaufen können. Das wird gerade in Planegg umgesetzt, wo noch heuer auf dem Bahnhofsareal ein Supermarkt, weitere Geschäfte und Wohnungen entstehen. Das ist auch der Plan in Gauting im Landkreis Starnberg, wo ein großes Wohn- und Geschäftshaus am Bahnhof geplant ist. Allerdings laufen hier die Bürger Sturm, denn sie befürchten deutlich mehr statt weniger Verkehr durch den Neubau. Wüst hält am ROEK fest. "Man muss dem Bürger die Vorteile von Einkaufsmöglichkeiten am Bahnhof gut vermitteln". Es sei ihr lieber, jemand erledige auf dem Weg von der S-Bahn seine Einkäufe, anstatt später mit dem Auto loszufahren.

Die Klausurtagung könnte auch Weichen stellen für zwei konträr diskutierte Themen im Gemeinderat: Die Tunnelverlängerung auf der Autobahn und der Bau der Entlastungsstraße entlang des Gewerbegebiets. Ein Tunnel bringt laut Machbarkeitsstudie die einzig wirksame Lärmreduzierung auf der Autobahn. Doch ob die Kosten von mehr als 100 Millionen Euro gegenüber den Bürgern zu rechtfertigen sind, die nicht unter dem Autobahnlärm leiden, ist strittig. Die Klausur soll den Weg für eine Grundsatzentscheidung ebnen. Auch beim Thema Entlastungsstraße sind längst nicht alle einer Meinung. Die Bürgermeisterin befürwortet die Straße. Doch eine sichere Mehrheit dafür hat sie nicht im Rücken.

© SZ vom 17.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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