Varieté:Letzter Landgang

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Maritime Kraftjonglage: Cedric Pinault als Kapitän lässt den Anker kreisen. (Foto: Heike Krämer)

Die neue Gop-Show "Sailors" inszeniert eine Hafenkneipe als nostalgisches Sammelbecken für Artisten und schräge Typen.

Von Barbara Hordych

Vielleicht ist es mit dieser Hafenkneipe wie mit vielem im Leben: Die Vorstellung davon ist praller, schräger und amüsanter anzusehen als die Wirklichkeit. Die Gop-Show "Sailors" jedenfalls haben sich die beiden Freunde Francis Gadbois und Gabriel "Gab" Drouin erträumt. Und sie ist gewissermaßen bereits die Erfüllung eines Traums: Denn die beiden Kanadier wünschten sich seit ihrer Ausbildung in der Zirkusschule in Québec, gemeinsam in einer Show aufzutreten. Aber weil niemand die Weitsichtigkeit hatte, sie gemeinsam zu engagieren, griffen sie zur Selbsthilfe: Gab - mittlerweile verheiratetet mit einer Münchnerin, die er während eines Engagements vor acht Jahren kennenlernte - lud seinen Freund Francis während eines Besuchs in München ins "Nage und Sauge" ein, eine Stammkneipe der Künstler ganz in der Nähe des Münchner Gop-Varieté-Theaters. Dort spannen die beiden ihr Seemannsgarn zu einer maritimen Konzeptshow, die sie dann den Gop-Verantwortlichen vortrugen: Seinerzeit war das noch Kreativ-Direktor Werner Buss, dessen Frau Nicola Wucher heute gemeinsam mit Peter Weil die Geschicke des Münchner Hauses leitet. Und die griffen zu.

In ihrem Regiedebüt realisieren Drouin und Gadbois ihre Vision einer berauschenden letzten Nacht an Land in einer Hafenkneipe aus den 1920er-Jahren, die irgendwo in Hamburg, in Lissabon, in Südamerika existieren könnte. Nun aber liegt sie in München, bevölkert von neun französisch-kanadisch-australischen Artisten und Artistinnen. Ergänzt um den Bremer Nagelritz als Moderator, der als Akkordeon spielender Seemann mit norddeutschem Zungenschlag durch ein Programm führt, in dem tätowierte Schwermatrosen mit Flaschen und Menschen um sich werfen, Kraftakte am Chinese Pole und Schwebeakte auf dem Drahtseil zeigen. Dazwischen streut Nagelritz Tütchen von Ahoi-Brause und krude Geschichtchen ins Publikum. Beispielsweise seine Version der Entstehung des Rettungsringes: Die Abkürzung "ISDN" war angeblich zuerst hier eingraviert und steht für "Innen sicher, draußen nicht".

Vor der "Schwarzen Witwe" (Alexanne Plouffe) wird gewarnt: Wer sie küsst, dessen Schiff läuft Gefahr, unterzugehen. (Foto: Ralf Mohr)

Indes trägt Gadbois als Barmann hinter der Theke aus seinem Buch Gedichte vor, die aber keiner der Stammgäste oder dort Gestrandeten hören will. Glücklicherweise vermag der verkannte Poet mit seinen Büchern hervorragend zu jonglieren, den Kopfstand auf dem Fahrrad beherrscht er auch. Seemannsbräute dürfen in diesem Ambiente natürlich nicht fehlen, es gibt ihrer drei: Louana Seclet, Caroline Baillon und Alexanne Plouffe. Aber Vorsicht: Letztere trägt den Spitznamen "Schwarze Witwe". Denn wer die Luftartistin auf den Mund küsst, dessen Schiff geht bei der nächsten Fahrt unter. Der muskelbepackte und Fässer stemmende Kapitän, Cédrik Pinault, küsst sie am Ende unerschrocken trotzdem.

Sailors - Eine berauschende Nacht an Land, bis 3. Juli, Gop-Varieté , Maximilianstraße 47

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