Varieté-Theater:Akrobatisches Lesevergnügen

Lesezeit: 2 min

Im Buchladen der französischen Varieté-Künstlerin Amélie Demay (Mitte) alias Frau Sonntag geht es hoch her. (Foto: Gop München)

Die neue Gop-Show "Bookshop" versprüht handgemachten Retro-Charme: In einem wundersamen Buchladen werden literarische Figuren artistisch zum Leben erweckt.

Von Barbara Hordych

Dies ist ein herrlich versponnener Buchladen, in dem man am liebsten sofort selbst Stammkundin würde: Hier lässt sich nicht nur nach Herzenslust stöbern, nein, hier kann man sich derart tief in Bücher versenken, dass sie zum Leben erwachen: Und zwar im wortwörtlichen Sinne, in der von Sabine Rieck inszenierten Gop-Show "Bookshop".

Gleich mehrere Herren in grauen Anzügen umkreisen auf Skateboards Michael Endes "Momo". Dazu tickt eine große Wanduhr mit riesigen Zeigern. Diese entpuppen sich als zwei große Keulen - die die kanadische Jongleurin Bekka Rose kurzerhand abmontiert. Weitere Keulen kommen hinzu, und schon demonstriert die Künstlerin, warum sie in Kanada zur "Jongleurin des Jahres" gekürt wurde. Zwischendurch tippelt eine gebückte Frau am Stock quer über die Bühne - die kleine Hexe oder die Vergänglichkeit in eigener Person?

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Spaß macht das Rätselraten darüber, welche literarischen Figuren da artistisch "angetanzt" werden. Einige werden benannt, bei anderen bleibt es eher vage: Joel Baker aus den USA, der es sich mit seinem Buch in einem Sessel bequem gemacht hat, erlebt beispielsweise, dass seine Stehlampe ein seltsames Eigenleben entwickelt. Bis der Handstand-Artist sich selbst den Schirm auf den Kopf setzt, um als Lampe über die Bühne zu irren. Handelt es sich bei ihm vielleicht um den verrückten Laternenanzünder aus dem "Kleinen Prinzen"? Egal - denn recht eigentlich steht hier wie in den anderen Buch-Szenen die artistische Darbietung im Zentrum, und die ist furios.

Hoch her geht es überhaupt in diesem Buchladen, dessen Inhaberin Frau Sonntag, verkörpert von der französischen Varieté-Legende Amélie Demay, Gitarre sogar auf dem Kopf stehend zu spielen vermag. Ansonsten steht die quirlige Künstlerin aber fest auf ihren Füßen und hinter der Registrierkasse, dirigiert gemeinsam mit ihrem Partner Michélé Chen - der einen schrägen Zauberartikel-Händler mimt - die Geschicke in ihrem Geschäft.

Ganz neue Perspektiven ergeben sich beim Lesen zwischen dem Handstandakrobaten Joel Baker und seiner Stehlampe. (Foto: Gop München)

Da schwimmen bei einer stürmischen Seefahrt schon einmal eine kleine Meerjungfrau und ein Hai vorbei, und ein Robinson Crusoe wird über Bord gespült. Derweil haben die ukrainischen Akrobaten Alex und Vlad als Paketboten alle Hände voll zu tun - und wirbeln einander auf den Fußsohlen durch die Luft. Zum handgemachten Retro-Charme dieses Ladens passt die ukrainisch-russisch-polnische Drei-Männer-Band TriOle mit Akkordeon, Schlagwerk und Kontrabass ganz fabelhaft. In einer Gruppenszene rund um Shakespeares "Romeo und Julia" erhalten sie sogar noch stimmliche Verstärkung durch die Artisten. Gemeinsam begleiten sie einen Liebes-Pas de deux, den Bénédicte Petit und Simon Joubert am Chinesischen Mast zeigen.

Zu sehr sollte man sich allerdings nicht in ein Buch versenken - ein Schicksal, das wohl einem Lesenden widerfuhr, der nun als Skelett auf der Couch sitzt. Aber auch er wird verwandelt - in einer schaurig-schönen Nummer nimmt die Belgierin Helena Jans ihn mit zu einem melancholischen Totentanz ans Trapez.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Bookshop, bis 30. April, Gop -Varieté, Maximilianstraße 47

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: