Giesing:Rettung nach dem Sturzflug

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Wo bin ich denn da gelandet? Auf dem Boden fühlt sich der kleine Wanderfalke etwas unwohl. (Foto: Petra Schramböhmer)

Wanderfalken-Junges aufgepäppelt und zurück in den Horst im Turm gebracht

Von Julian Raff, Giesing

Dass auf Münchner Schornsteinen und Kirchtürmen Falken brüten, wusste Petra Schramböhmer längst, als sie am Abend des 28. Mai am Isarhochufer nahe der Orthopädischen Klinik an der Kurzstraße ein verletztes Jungtier entdeckte. Während sich andere Passanten verlegen an dem flaumigen, fünf bis sechs Wochen alten Wanderfalkenweibchen vorbeidrückten, ergriff die Fotografin die Initiative und brachte so, mit Expertenhilfe, zu einem guten Ende, was für kleine Stadt-Falken oft tödlich endet: Das Junge hatte offenbar seine Flugkünste überschätzt und war im steilen Gleitflug vom knapp 30 Meter hohen Turm des Klinikbaus auf den Fahrradweg gestürzt, wo es mit einem Haarriss im Flügelknochen liegen blieb.

Im Zwiebelturm brütet seit einigen Jahren ein Wanderfalkenpaar - für die Tierfreundin eine Überraschung, auch wenn sie in der Nähe wohnt und sich dank privater Kontakte zu Falknern mit Greifvögeln gut auskennt. Nicht lange suchen musste sie daher nach der Greifvogel-Auffangstation in Otterfing im Landkreis Miesbach, wo Alfred Aigner, im Hauptberuf Berufsschullehrer, seit Mitte der 1980er Jahre bis zu 150 Tiere pro Jahr aufpäppelt und teils auch großzieht, Flugtraining inklusive.

So viel Aufwand hatten Aigner und sein Ehrenamtler-Team mit dem Giesinger Jungvogel nicht. Nach knapp zehntägiger Genesung konnten sie es am Freitag voriger Woche wieder in den Horst zurückbringen. Den Zugang zum Turm hatte Petra Schramböhmer inzwischen mit der Landesschule für Körperbehinderte organisiert, die in diesem Gebäudetrakt residiert.

Dass der gefiederte Nachwuchs seiner Familie abhanden kam, wundert Aigner nicht. Oft versuchten noch nicht ganz flugfähige Jungtiere, den Eltern entgegenzufliegen, vor allem wenn, wie hier, ein Geschwistertier mit im Nest sitzt und um Nahrung konkurriert. In der "Bettelflug"-Phase lassen sich die Jungvögel in der Luft füttern und erlernen schließlich die Jagd. Im natürlichen Felsenhabitat sind gelegentliche Abstürze meist kein Problem, die Eltern füttern ihren Nachwuchs auch außerhalb des Nests weiter.

In der Stadt meiden Wanderfalken allerdings den Boden, nicht nur wegen der Menschen, sondern auch, weil sie Tauben nur im Flug schlagen und so ihr gesamtes Leben entweder im Horst oder in der Luft verbringen. Die auch am Boden jagenden Turmfalken und die am Stachus gezielt eingesetzten Bussarde tragen einiges dazu bei, die Taubenpopulation in Grenzen zu halten. Für Aigner ist auch dies ein Grund, in Notfällen zu helfen. Jährlich landen etwa 15 bis 20 "Münchner" bei ihm, darunter waren auch schon junge Turmfalken von der Frauenkirche.

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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