Giesing:Massive Erscheinung

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Die Villa, die sich ein Unternehmer an der Traminer Straße 6 errichten ließ, steht seit dem Tod seiner Witwe leer. Jetzt gibt es Pläne, das Grundstück zu bebauen - wogegen sich Protest rührt. (Foto: Robert Haas)

Wo derzeit an der Traminer Straße noch eine Villa aus den Fünfzigerjahren steht, sollen 90 Wohnungen und Apartments entstehen. Nachbarn protestieren gegen dieses Bauprojekt und den Verlust von Bäumen

Von Julian Raff, Giesing

Offiziell liegt das "Südtiroler Viertel" in Giesing, dem Ambiente nach gehört der Winkel zwischen der Säbener Straße und dem als "Tiroler Berg" bekannten Schlittenhang aber zur Gartenstadt Harlaching, auch wenn sich zusehends Mehrfamilienhäuser unter die Vorstadtvillen mischen. Was auf einem parkartigen Grundstück an der Traminer Straße 6 bevorsteht, sprengt allerdings das bekannte Maß der Nachverdichtung: Wo derzeit noch eine stattliche Unternehmervilla aus den Fünfzigerjahren - leer - steht, könnten bald 90 Wohnungen und Klein-Apartments gebaut werden, verteilt auf sieben Wohnblöcke.

Nachbarn kritisieren denn auch die massive Erscheinung des Ensembles und den drohenden Verlust des Baumbestandes. Vor allem aber befürchten sie ein Verkehrschaos in der engen Traminer Straße, wo drei von fünf geplanten Tiefgaragenzufahrten platziert werden sollen. Inzwischen haben sich die Anwohner zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, 190 Unterschriften gesammelt und OB Dieter Reiter (SPD) angeschrieben. Der Bezirksausschuss (BA) 18 spricht sich ebenfalls gegen das Projekt aus.

Dass der Generationswechsel eine dichte Bebauung des 7400-Quadratmeter-Areals nach sich ziehen würde, war im Viertel seit Jahrzehnten absehbar. Ein erfolgreicher Fabrikant für Berufskleidung hatte das Grundstück in der Nachkriegszeit, angeblich für einen Quadratmeterpreis von 50 Pfennig, gekauft und hier eine stattliche, im Stil aber zurückhaltende Villa gebaut. Seit die Unternehmerwitwe vor sieben Jahren hochbetagt starb, steht das Haus leer. Das Grundstück wurde unter den Erben dreigeteilt. Aktuell liegen der LBK zwei Bauanträge vor: Eine Immobiliengesellschaft plant im südlichen Teil vier Gebäude mit 56 Wohnungen, 40 davon als Ein-Zimmer-Apartments mit Größen um die 30 Quadratmeter. Zwei weitere Erben beantragen weiter nördlich zwei Gebäude mit 22 Wohnungen, knapp die Hälfte davon ebenfalls als Single-Bleibe mit einer Größe unter 40 Quadratmetern.

Wie Thorsten Vogel, Sprecher des Planungsreferates, bestätigt, ist der Antrag eines weiteren Erben auf dem Weg. Falls auch im siebten Gebäude kleine Wohnungen beantragt werden, dürften rund 90 Einheiten entstehen. Die "Mini Wohnparzellen" passen eher in innerstädtische Gefilde, findet Anwohner-Sprecher Martin Baur - unter anderem könnten sie zur Lärmbelastung für die Nachbarn werden, da sich das Wohngeschehen im Sommer auf die kleinen Balkone verlagern dürfte. Falls am Ende, wie Baur erwartet, Paare oder Zweier-WGs in die Apartments einziehen, wird es nicht nur dort eng, sondern im ganzen Viertel. "Wir wenden uns ja nicht grundsätzlich gegen eine Bebauung" betont Baur im Namen seiner Nachbarn. Mit einer Aufteilung und dichten Bebauung hatte schließlich schon der frühere Eigentümer zu Lebzeiten gerechnet. Auf seinen ausdrücklichen Hinweis hatte sich Ende 1999 ein Nachbar aus der Traminer Straße ans Planungsreferat gewandt und dort die Auskunft erhalten, das Grundstück sei vom Geltungsbereich der damals frisch erlassenen Gartenstadtsatzung ausgespart worden, da hier akut keine Veränderung drohe. Vorsichtshalber sei es aber als "Planungs-Vorbehaltsgebiet" deklariert. Demnach werde die Stadt einen Bebauungsplan samt Veränderungssperre erlassen, sobald Bauanträge eingehen, die dem Umgebungscharakter widersprechen. Eine Auskunft, auf die sich die Anwohner verlassen hatten, auch nachdem die Gartenstadtsatzung 2004 wieder aufgehoben wurde. Ein Vorbescheidsantrag ließ die Nachbarn im Jahr 2014 zwar aufhorchen, eine Klage zogen sie aber nicht in Erwägung. "Wogegen soll man sich aussprechen, wenn man nicht genau weiß, was gebaut wird?", sagt Irmina Elhardt, die sich, wie ihre Nachbarn, durch die Zusage eines Bebauungsplans getäuscht sieht. Besonders verärgert zeigt sich Elhardt über den fast kompletten Kahlschlag auf dem südlichen Nachbargrundstück. Sogar auf ihrem eigenem Grund müsse aus Sicherheitsgründen ein Baum gefällt werden, ohne dass sie um Erlaubnis gefragt worden sei. Ihrer Anfrage aus der Bürgerversammlung 2014 beschied die Lokalbaukommission, die Bäume lägen nun einmal innerhalb der geltenden Baulinien.

Das Prinzip "Baurecht vor Baumrecht" bestätigt auch Referats-Sprecher Vogel. Im Übrigen eröffne das Vorbehaltsgebiet "keinen Rechtsanspruch der Öffentlichkeit auf Planung", zumal sich das Vorhaben nach dem "Umgebungsparagraphen" 34 Baugesetzbuch ins Umfeld einfüge. Die Referenzbauten, zwei viergeschossige, knapp 13 Meter hohe Mehrfamilienhäuser, finden sich jenseits der Dolomitenstraße an der Ostseite des langgezogenen Karneidplatzes - vom Baugrundstück aus nicht einmal sichtbar, wie Baur kritisiert.

Die, gemessen am Bestand, sehr kleinteilige Innenaufteilung der Neubauten spiele rechtlich keine Rolle, betont Vogel. Es gebe keine Obergrenze für die Wohnungszahl, die Verpflichtungen der "sozialgerechten Bodennutzung" (SoBoN) greifen hier ebenfalls nicht, da lediglich vorhandenes Baurecht ausgeschöpft werde. Über die Aufteilung in fünf Tiefgaragen mit je elf bis 31 Plätzen und Ausfahrten in die enge Traminer Straße beziehungsweise auf die schmale Fahrspur am Karneidplatz ließe sich durchaus streiten, räumt Vogel ein. Die von den Anwohnern alternativ vorgeschlagene, zentrale Garage mit Einfahrt an der breiten Dolomitenstraße scheitere aber nicht nur am Schutz der verbleibenden Bäume und an fehlender Kooperation der drei Antragsteller. Vielmehr hätten Anwohner der Dolomitenstraße ihrerseits Proteste dagegen angekündigt.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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