Giesing:Entspannter als erwartet

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Die Giesinger sehen die Rückkehr der Löwen ins Grünwalder Stadion offenbar gelassen, beim Anwohner-Infoabend bleiben viele Plätze frei. Hauptthemen sind Randale, Straßensperrungen und wilde Biesler

Von Julian Raff, Giesing

"Hier ist die Belästigung durch Lamborghinis weit größer als durch Fußballspiele" - für die Spitze in Richtung der gleich nebenan protzig residierenden Roten bekam ein Giesinger warmen Beifall in der Sporthalle an der Säbener Straße. Zum Scherzen war zwar nicht jeder Stadion-Anwohner aufgelegt, der der Einladung zum städtischen Infoabend am Montag gefolgt war - insgesamt sehen die Ober- und Untergiesinger aber der anlaufenden Löwensaison im Grünwalder Stadion offenbar gelassener entgegen als angenommen.

Mit rund 120 Giesingern blieb die Resonanz einer an 12 000 Haushalte versandten Einladung weit unter der vorsichtshalber angesetzten 1000er-Marke. Der Aufmarsch an Polizei, Stadtbeamten, Fußballfunktionären und Sicherheitspersonal dürfte also zahlenmäßig an ein Drittel des weit in der Halle versprengten Auditoriums herangekommen sein. Etwas verloren wirkten schon vor Beginn des Abends auch die Security-Leute am Eingang, die sich umso mehr Zeit nehmen konnten, Taschen und Zugangsberechtigung der eintröpfelnden Teilnehmer zu kontrollieren. Alteingesessene Stadionnachbarn äußerten sich am Rande der Veranstaltung gelassen, in der Erinnerung, an Erst- und Zweitligazeiten, als gut viermal so viele Fans ins Stadion fluteten wie die heute zulässigen 12 500 - und das ohne U-Bahnanschluss.

So wie 2015 beim kleinen Derby samt Straßensperre der Polizei könnte es jetzt in Giesing wieder öfter aussehen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Dennoch birgt auch der Viertligabetrieb eine Brisanz, die sich schon am Freitag zeigen könnte. Peter Kuhn, beim Münchner Polizeipräsidium für Fußballeinsätze zuständig, sieht beim ersten Heimspielgegner Wacker Burghausen ein immerhin "dreistelliges kritisches Fanpotenzial". Ansonsten gebe es aber in der Regionalliga höchstens zwei weitere potenzielle Problemgegner - und natürlich die Bayern-Amateure im bisher "kleinen", jetzt quasi regulären Derby. Fürs rot-blaue Aufeinandertreffen wird sich die Polizei auch weiterhin rüsten - einen Maßstab für den Normalbetrieb liefere es aber nicht, versicherten alle Beteiligten im Rückblick auf frische schlechte Erinnerungen.

Ihr Hauptaugenmerk legt die Polizei weiterhin auf die Löwenfans, die sich ja zuletzt in Memmingen zahm gezeigt hätten. "Da haben sie zufälligerweise auch gewonnen", knurrte es aus dem Publikum. Wie es anders laufen kann, zeigte das Relegationsdebakel gegen Regensburg, wo allerdings, wie Kuhn betonte, auch nur 200 von 60 000 Sechziger-Fans randalierten. 40 davon hat die Polizei seitdem neu auf dem Schirm. Überführte Gewalttäter bekommen nicht nur Stadion-, sondern auch Ortsverbot und dürften zu Spielzeiten nicht mal in die Nähe der Arena. Leider, so Kuhn, greife dieses Instrument nicht bei rund 20 polizeibekannten rechtsextremen Fans, solange diese zwar durch ihre Gesinnung auffallen, aber keine verbotenen Symbole zeigen oder andere Straftaten begehen. Auch zivilrechtlich ist nicht alles Wünschenswerte machbar: Randalierer haften natürlich für Sachbeschädigungen - falls dingfest gemacht, der Verein könne jedenfalls nicht in die Pflicht genommen werden, betonte TSV-Geschäftsführer Markus Fauser.

Doch die Anwohner-Versammlung am Montag stieß auf wenig Interesse. (Foto: Stephan Rumpf)

Nur bedingt beruhigend aufs Publikum wirkte der Auftritt von Fan-Sprecher Robin Baur, der sich selbst zur "Ultra"-Szene zählt und vom Verein mit Gut-Wetter-Machen beauftragt wurde. Baur selbst ist zwar Allgäuer, die anderen 1860er-Ultras kommen seiner Einschätzung nach aber zu 90 Prozent aus dem Viertel, mit dem sie entsprechend schonend umgehen würden - davon werde man die Anwohner "schon überzeugen". Womöglich erschwerte es Baurs bullige Erscheinung manchem Zuhörer, dies als konsequente Gewaltabsage zu verstehen.

Auch ganz ohne Randale könnte der Spielbetrieb zumindest dauerhaft lästig werden: Das Verkehrsproblem hoffen Stadt und Verein dabei in den Griff zu bekommen, seit sie kurzerhand ein - hoffentlich intensiv genutztes - Kombiticket für MVV und Stadion aushandeln konnten. Der Großteil der Besucherströme soll in die U 1 gelenkt werden, deren Takt sich zu Spielzeiten außerhalb des Berufsverkehrs noch verdichten lässt, wie MVG-Angebotsplaner Thomas Nowak erklärte.

Für Nicht-Fußballer könnte es dagegen unmittelbar nach besonders gut besuchten Spielen schwierig bleiben, oberirdisch am Stadion vorbei zu kommen: Polizeidirektor Kuhn bat um Verständnis für kurzzeitige Sperrungen von Tram und Bussen. Man schulde dies auch der Sicherheit der Fans, die beim Verlassen des Stadions meist wild die Gleise überqueren.

Vor allem bei der Anreise droht dagegen ein Problem, das der Vielzahl der Fragen und Einwände nach noch schwerer wiegt als die Lärmbelästigung durch Trommeln und Gesänge: Ankommende Fans verlassen ihre Busse meist mit praller Blase und suchen Erleichterung in Vorgärten oder gar in Hauseingängen. Die Zumutung droht künftig wohl vor allem den Anwohnern der Tegernseer Landstraße im Bereich Reginfried- und Otkerstraße, wo die Gast-Busse parken werden. Dort, wie auch bei den 1860er-Busparkplätzen am Candidberg, sollen zusätzliche Dixiklos die Fluten bannen. Höhnisches Gelächter des Publikums erntete hingegen Bernhard Dullinger vom Kreisverwaltungsreferat mit seiner Empfehlung, die Fans sollten doch bitte die Toiletten im U-Bahnhof Wettersteinplatz benutzen.

© SZ vom 19.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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