Gerichtsprozess:Mann soll Betrunkene in der S-Bahn sexuell missbraucht haben

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  • Der Mann soll sich während der S-Bahn-Fahrt neben eine Betrunkene gelegt und sie begrapscht haben. Kameras filmten den Ablauf der Tat.
  • Der Beschuldigte stand bereits zweimal wegen Beleidigungen auf sexueller Basis vor Gericht.

Von Susi Wimmer

Verwunderlich ist an diesem Gerichtsvormittag eigentlich gar nichts mehr. Es geht um einen 47 Jahre alten Angeklagten, der nach eigenem Bekunden noch nie mit einer Frau geschlafen hat, um die Diskussion, welche Preise bei Prostituierten fair seien, um einen Kripobeamten, der sagt, so ein dreister Fall sei ihm ja noch nie untergekommen, und um eine Geschädigte, die sich nach einer Partynacht an das Geschehen nicht mehr erinnern kann. Rein rechtlich wird die Geschichte vor der achten Strafkammer am Landgericht München I als "sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen" verhandelt.

Die Kameras in den S-Bahnen sehen nahezu alles. Nein, sagt Martin K., zu dem Zeitpunkt sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er gefilmt werde. Es war der Morgen des 20. September 2015, ein Sonntag, als er um 7.16 Uhr in der S 3 nach Deisenhofen eine schlafende Frau entdeckt. Die 21-Jährige kam aus dem "Willenlos", einem Club auf dem Partyareal am Ostbahnhof. "Da kommen viele Opfer her", sagt Richter Gilbert Wolf aus seiner Berufserfahrung, "ein Rausch für vier Euro". Zu vorgerückter Stunden würde sich der Zustand so mancher Frau dem Namen der Bar angleichen.

Die Auszubildende lag quasi auf der Sitzbank, die Beine auf der Bank gegenüber abgelegt. Wie auf dem Video zu sehen ist, bewegt sie sich zwei Stunden lang überhaupt nicht. "Normalerweise drehen wir uns im Schlaf", sagt Rechtsmediziner Florian Fischer. Er geht deshalb davon aus, dass die Frau mit bis zu 1,7 Promille erheblich alkoholisiert war. Dann legt sich der 47-Jährige neben sie und während die S-Bahn zwischen Deisenhofen und Hauptbahnhof hin- und herfährt, begrapscht er die Frau, zieht ihren Kopf auf seinen Schoss und seine Jogginghose nach unten. Selbst als Leute vorbeigehen und eine Frau im Nebenabteil Platz nimmt, hört er nicht auf. Um 9.11 Uhr steigt er in Deisenhofen aus.

Martin K. ist Handwerker, ein hagerer Mann mit spitzem Gesicht und runder Brille. Er lebt alleine und zurückgezogen in Oberschleißheim. Bereits zweimal stand er wegen Beleidigungen auf sexueller Basis vor Gericht, seit Jahren wird er therapiert. Seine Therapeutin, so erklärte er einem Kripobeamten, habe ihm eingebläut, keine fremden Frauen anzufassen, wenn, dann solle er zu einer Prostituierten gehen. Dort will er auch in der Tatnacht gewesen sein. "Nur Kuscheln für 50 Euro." Ein Satz, der die Kammer zu Diskussionen über das Preis-Leistungs-Verhältnis veranlasst.

Beachtlich an dem Fall ist auch das Gedächtnis eines Taschendiebfahnders: Ihm fiel Martin K. bereits auf der Wiesn 2014 auf, als der auf einer Parkbank nahe an einem betrunkenen Mädchen saß. Doch der Fahnder musste weiter zum Einsatz, das Mädchen wurde vom BRK mitgenommen. Im Herbst 2015 sah der Fahnder die Bilder aus der S-Bahn von K. und erkannte ihn wieder, wusste aber seinen Namen nicht. Auf dem Frühlingsfest 2016 sah der Polizist K. wieder, als dieser im Gang eines Zeltes stand und jungen Mädchen beim Tanzen zusah. Er nahm ihn fest.

Nach einem Gutachten wird die Kammer diese Woche entscheiden, ob Martin K. eventuell in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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