Gegenveranstaltung am 8. Mai:Buntes Fest gegen braune Parolen

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Neonazis haben für den 8. Mai einen Aufmarsch angemeldet. Die Bürger wehren sich auf ihre Weise - mit einem Kulturfest.

R. Winkler-Schlang

Am 8. Mai 1945 wurde Deutschland vom Naziterror befreit. Am Abend des 8.Mai 2010 wollen Neonazis mit Fackeln und Trommeln durch den Münchner Süden marschieren. Philipp Hasselbach hat für die "Freien Nationalisten München" einen Demonstrationszug von Fürstenried nach Großhadern angemeldet mit dem abstrusen Motto: "8. Mai 1945 - der Krieg war zu Ende, das Morden nicht".

"8. Mai 1945 - der Krieg war zu Ende, das Morden nicht" lautet das abstruse Motto unter dem die "Freien Nationalisten München" ihre Demonstration angemeldet haben. (Foto: Foto: ddp)

Als Leiter benannte er den ebenfalls in der rechten Szene bekannten Roland Wuttke. Doch der Widerstand ist groß. Breite Bündnisse planen Gegenveranstaltungen, denn selbst wenn das Kreisverwaltungsreferat den Zug ablehne, sei es möglich, dass das Verwaltungsgericht ihn in letzter Minute wieder erlaube, argumentieren die Nazi-Gegner.

Die geplante Route für den braunen Zug beginnt am Schweizer Platz in Fürstenried-West, einem eher ungastlichen Ost, an dem örtliche Politiker immer wieder junge Nazis bemerkt haben. Dass diese am Asylbewerberheim Tischlerstraße vorbeimarschieren wollen, bereitet den dortigen Betreuern Sorge.

Die Nationalisten planen ferner eine Kranzniederlegung auf der Kriegsgräberstätte. Sie wollen weiter entlang des Haderner Dorffestes zur Abschlusskundgebung am U-Bahnhof Großhadern.

Der Kreisverwaltungsausschuss im Stadtrat forderte auf Antrag von Michael Kuffer (CSU), Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle solle den Spuk untersagen. Das verschärfte Versammlungsgesetz biete dazu hinreichend Handhabe. Doch auch Kuffer fürchtet, dass die Nazis es als "Persilschein" betrachten würden, sollte ein Verbot vor dem Verwaltungsgericht scheitern.

Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) macht sich die Entscheidung nicht leicht. Sprecherin Daniela Schlegel erklärt, man habe etwa beim Institut für Zeitgeschichte ein Gutachten über die Gedenkstätte angefordert. Das Gespräch mit den Veranstaltern finde am Dienstag, 4. Mai, statt. Erst danach falle die Entscheidung.

Wenn das KVR zu dem Schluss komme, dass das Versammlungsrecht die Nazidemo decke, müsse man zumindest nachdenken über einschränkende Auflagen. Die Gedenkstätte liege in einem Friedhof - wofür also möglicherweise die Friedhofsverwaltung ihr Hausrecht geltend machen könnte.

Kriemhild Pöllath-Schwarz, die Leiterin der Friedhofsverwaltung, hätte genau dies vor. Bisher allerdings sei bei ihr der nötige Antrag noch nicht eingegangen, erklärt sie auf Anfrage. 3540 Opfer beider Weltkriege seien in Fürstenried begraben, darunter 200 Verstorbene aus neun Nationen, vor allem aus Osteuropa, und 100 Zivilpersonen, auch 46 Frauen und zehn Kinder.

Das Denkmal für die Opfer beider Weltkriege liege ganz hinten im Westteil des Friedhofs. Ein Nazi-Kranz an dieser Stelle käme einer Verhöhnung von Kriegsopfern gleich: "Das lehnen wir strikt ab. Aber striktestens."

Die "Freiheitlichen Nationalisten" haben laut Daniela Schlegel die Zahl der erwarteten Teilnehmer des Zugs mit 70 angegeben. Ein Vielfaches erwarten allerdings bereits die Gegner des Aufmarsches. Prominent ist die Liste der Unterstützer für ein buntes Kulturfest, das an diesem Samstag, 8. Mai, bereits von 16 Uhr an auf der Wiese an der Tischlerstraße/Forst-Kasten-Allee steigen wird.

Dazu zählen unter anderem die beiden Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel und Georg Kronawitter, die Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, der Kabarettist Dieter Hildebrandt und der Filmemacher Michael Verhoeven. Leider habe sich OB Christian Ude noch nicht gemeldet, sagt Fest-Koordinatorin Micky Wenngatz, SPD-Sprecherin im Bezirksausschuss 19, dabei habe der Bezirksausschuss ihn ausdrücklich aufgefordert, sich an die Spitze der Gegenbewegung zu stellen. Udes Büroleiterin erklärt, man versuche, für diesen Tag vereinbarte Termine zu verschieben.

Die beiden Bezirksausschüsse 19 (Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln) und 20 (Hadern) freuten sich beim ersten Vorbereitungstreffen schon über 70 Freiwillige. Der BA 19 bewilligte spontan 5000 Euro aus seinem Budget für diesen Anlass. Wenngatz hat Zusagen von Stadträten und Landtagsabgeordneten erhalten, Vertreter von Gewerkschaften und dem Ausländerbeirat wollen kommen. "So traurig der Anlass, so stolz bin ich über diese Liste", sagt sie.

Örtliche Vereine würden die Verpflegung der Gäste übernehmen. "Gesicht zeigen" wollen laut Wenngatz auch die Jugendband Die Drogen, der kleine Zirkus Galliano, die Breakdancer des Freizeitheims Intermezzo und eine Salsa-Band. Eine Zusage habe sie schon von der Israelitischen Kultusgemeinde und vom Posaunenchor der Andreaskirche.

Die nahe gelegene Kirche St. Matthias an der Appenzeller Straße beginne zeitgleich mit der Nazi-Auftaktkundgebung um 18 Uhr mit einem Dankgottesdienst für die Befreiung von den Nationalsozialisten. Sie selbst bemühe sich, die Webseite muenchen-ist-bunt.de laufend zu aktualisieren. Die große Resonanz ist sicherlich auch Hans Bauer (SPD) zu verdanken: Der Vorsitzende des BA 19 hatte unter Beifall die gesamte Bürgerversammlung aufgerufen, der Nazi-Propaganda keine Chance zu geben.

Laut Wenngatz sei auch an eine Menschenkette gedacht. Man müsse noch überlegen, wo diese verlaufen könne, denn für den Demonstrationsweg hätten die Nazis sich beim KVR zuerst angemeldet. Außerdem wollten alle Organisatoren für einen friedlichen Ablauf sorgen: "Keine Schlägereien."

Je mehr Menschen kommen, um so leichter sei dies zu garantieren, hofft sie. "Es soll jeder sich sicher fühlen, ob 14 oder 80." Einen ganz besonderen Schutz will der Münchner Flüchtlingsrat dem Asylbewerberheim bieten: Dessen Mitglieder sammeln sich dort um 16 Uhr unter dem Motto "Kein Fußbreit den Nazis".

Stadtrat Siegfried Benker (Grüne), einer der ersten, die Alarm geschlagen haben, will dort dabei sein, zuvor aber bei der um 14.30 Uhr auf dem Rindermarkt startenden zentralen Demonstration Flagge zeigen, die ein lockeres "Vereinigtes Festbündnis zum 65. Jahrestag der Befreiung" aus Verdi, SPD, Grünen, Linken und Antifaschisten plant. Sie soll um 16 Uhr am Sendlinger Tor enden.

© SZ vom 03.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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