Gefährlicher Darmkeim Ehec:"Eine überschaubare Geschichte"

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Die Verunsicherung steigt: In der bayerischen Landeshauptstadt haben sich bislang zwei Frauen mit Ehec infiziert - und werden in Münchner Kliniken behandelt. Die Ärzte warnen indes vor Panikmache.

Monika Maier-Albang

In der Mitte der Station steht ein Aquarium mit Buntbarschen. Eigentlich wäre heute "Putztag", sagt Wolfgang Guggemos, aber um im Becken Wasser zu wechseln und den Filter zu säubern, dafür hat er heute definitiv keine Zeit. Obwohl das Aquarium wichtig ist. Man kann nervöse Patientenangehörige davor absetzen, meist versinken sie im Anblick der schillernden Fische. Aber ausgerechnet heute kommen auch noch neue Möbel, die Bewerbungsgespräche für die Stelle der Stationsärztin wollten sie auch nicht absagen.

Die Verunsicherung der Münchner wächst - doch Ärzte warnen vor Ehec-Panik. (Foto: dpa)

Und dann ist da noch die 30-Jährige, die in Norddeutschland war, sich daran erinnern kann, dass sie dort 13 Tage vor den ersten Bauchkrämpfen ein Sandwich gegessen hatte. Die Tomate hatte sie entfernt, die Gurkenscheibe nicht. Nun liegt sie im Schwabinger Krankenhaus, Gebäude Nummer zehn, auf der "Infektiologie". Am Donnerstag war sie noch Münchens erste Ehec-Patientin, am Freitag waren sie zu zweit - im Krankenhaus Harlaching liegt eine zweite Frau.

Guggemos ist verantwortlich für die Schwabinger Station, Leitender Oberarzt für Infektiologie und Tropenmedizin, und natürlich hat die Patientin für ihn oberste Priorität. Alles andere läuft mit, sie haben ja Routine hier in diesem Haus, das speziell eingerichtet ist für "hochkontagiöse", für besonders ansteckende Erkrankungen also. In den 70er Jahren wurde der Trakt erbaut, es gibt einen Aufzug außen, mit dem Patienten über den Balkon in ihr Zimmer gebracht werden können. So bleibt der Korridor sauber. Chefarzt Clemens-Martin Wendtner formuliert das so, dass es für den Laien noch etwas dramatischer klingt: "Er wird nicht kontaminiert."

Über den Korridor geht das Personal in die Patientenzimmer. Jedes der 34 Zimmer hat eine eigene Schleuse, einen Gang mit Waschbecken und Schrank, der Handschuhe und Kittel beherbergt. Vor jedem Besuch beim Patienten müssen sich Pfleger und Ärzte einkleiden. Gehen sie hinaus, desinfizieren sie ihre Hände mit Alkohol und die Einwegkleidung wird "verworfen". An die 20 Mal am Tag legt Guggemos normalerweise den Kittel an, 1300 Patienten haben sie im Jahr.

Und sie könnten noch eine Stufe hochschalten - wenn sie Patienten mit gefährlicheren, noch ansteckenderen Krankheiten hätten: mit Ebola, mit Sars. Das Schwabinger Krankenhaus ist eines von bundesweit sieben sogenannten "Referenzzentren für hochkontagiöse Erkrankungen". Sie haben hier zusätzlich noch eine "Hochisoliereinheit": zwei plastikumhüllte Betten, die sie "Hoko Betten" nennen.

Müssen die Ärzte dorthin, tragen sie besondere Anzüge, "Astronautenanzüge", sagt Guggemos: mit Überdruck innen, damit der Arzt geschützt ist für den Fall, dass Luft entweicht. Im Zimmer herrscht derweil leichter Unterdruck. Damit ja kein Keim entweicht, wenn jemand die Tür öffnet.

Doch diese oberste von vier Sicherheitsstufen braucht man bei Ehec nicht. Es reicht, wenn das Personal sich umzieht und Handschuhe trägt, auf den Mundschutz verzichten sie. Ehec überträgt sich ja nicht durch Tröpfcheninfektion, möglich ist eine "Schmierinfektion", aber dazu müsste man engen, ungeschützten Kontakt mit verunreinigten Körperstellen eines Infizierten haben.

Und doch können die Ärzte die Verunsicherung der Menschen verstehen, die momentan den Warteraum ihrer Klinik füllen. Menschen, die Durchfall haben und in Sorge sind, dass es sie nun auch getroffen haben könnte - auch wenn sie kein Blut im Stuhl haben. Danach fragen die Mediziner zunächst, und wo sich Anhaltspunkte für eine mögliche Infektion ergeben, wird getestet, im Hauslabor. Einen Schnelltest haben sie, der 24 Stunden dauer t. Der Test zur Bestätigung nimmt weitere 48 Stunden in Anspruch.

Drei Tage bis zur endgültigen Gewissheit. Zehn Patienten haben sie in Schwabing am Freitag aufgenommen, die auf die Abklärung warten. Jeder hat ein Einzelzimmer mit Schleuse und eigener Toilette bekommen. Und auf einmal erscheinen die 34 Zimmer gar nicht mehr so viel.

Wobei die Unterbringung das Problem nicht ist, wie Wendtner erklärt. Im Notfall könnte man einen anderen Trakt ausräumen. Aber wo sie an Grenzen stießen, gäbe es denn wirklich einmal den MANI, der "Massenanfall von Infizierten", das wären die Geräte. Die, sagt Wendtner, "sind immer der Engpass".

Kommt es, wie etwa jetzt bei manchen der Ehec-Fälle, zu schweren Komplikationen, müssen Patienten einer Blutwäsche unterzogen werden. Plasmapherese nennen das die Mediziner. Drei Maschinen haben sie in Schwabing, bis zu eineinhalb Stunden dauert eine Sitzung. In München haben nur Großhadern, Rechts der Isar, Harlaching und Schwabing solche Geräte. Und das Einzugsgebiet ist groß. Dabei sei München im bundesweiten Vergleich "noch optimal versorgt", sagt Wendtner. Gäbe es aber wirklich einmal einen "Massenanfall", kämen Erkrankte nicht zu Dutzenden, sondern zu Hunderten, wäre das "problematisch".

Auf Flugzeugabstürze, auf Busunglücke sei man eingerichtet. Aber nicht auf einen Katastrophenfall mit Hunderten Infizierten, eine Infektion, die, wie Guggemos sagt, sich "nicht lokal begrenzen lässt und ohne absehbares Ende ist".

Die Ehec-Geschichte aber werde, sind die Mediziner überzeugt, ein solch absehbares Ende haben. Das Gemüse mit dem Erreger dürfte längst verschimmelt sein, die Infektion von Mensch zu Mensch werde keine dramatischen Ausmaße annehmen. "Eine überschaubare Geschichte", sagt Guggemos. Dann muss er ans Telefon. Ein Arzt aus einer anderen Klinik möchte ihn sprechen. Er hat eine Patientin mit blutigem Durchfall und Fieber. Sie ist in der 30. Woche schwanger. "Natürlich nehmen wir sie", sagt Guggemos.

Unten am Kiosk stehen derweil die Mitarbeiter an. Am Morgen hatten die Verkäuferinnen noch überlegt, ob sie bei den belegten Semmeln auf die Gurkenscheiben verzichten sollen. Aber, "so hysterisch sind die Leute ja nicht", haben sie sich gesagt. Mittags liegen die Semmeln mit den Gurken noch in der Auslage.

© SZ vom 28.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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