Gefährdeter Bereitschaftsdienst:Wenn der Arzt nicht mehr kommt

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Zu krank, um eine Praxis aufzusuchen, aber nicht krank genug, damit der Notarzt kommt. Viele Patienten sind auf den Bereitschaftsdienst angewiesen. (Foto: dapd)

Teuer, aber für viele unersetzlich: Um Taxikosten zu sparen, denkt die Kassenärztliche Vereinigung darüber nach, den Bereitschaftsdienst in München tagsüber einzustellen. Viele Patienten, die es nicht schaffen, eine Praxis aufzusuchen, blieben dann unversorgt.

Von Stephan Handel

Der ärztliche Bereitschaftsdienst in der Stadt München ist gefährdet: die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) will Geld sparen und überlegt unter mehreren Optionen auch, den Bereitschaftsdienst tagsüber einzustellen. Das würde bedeuten, dass ohne ärztliche Betreuung bliebe, wer zu krank ist, eine Praxis aufzusuchen, aber nicht krank genug, damit der Notarzt kommt.

Seit Jahrzehnten versorgt der ärztliche Bereitschaftsdienst die Patienten der Stadt - im Gegensatz zum übrigen Bayern rund um die Uhr und nicht nur nachts. München ist dafür in acht Bezirke eingeteilt. In jedem davon sind alle Vertragsärzte der KVB - mit nur wenigen Ausnahmen - verpflichtet, mindestens drei Dienste pro Jahr zu übernehmen. Die Schichten gehen jeweils von 8 bis 20 Uhr und von 20 bis 8 Uhr. Dabei fahren die diensthabenden Ärzte mit dem Taxi zu den Patienten.

Das ist der KVB jetzt zu teuer. Christoph Grassl, der "Regionale Vorstandsbeauftragte" der KVB, rechnet vor, dass die Taxikosten höher sind, als das, was die Krankenkassen erstatten: "1,2 Millionen, die Hälfte davon muss die KVB selbst bezahlen." Das sorge für Unmut in anderen Landesteilen: "Der Arzt in Bayreuth ist nicht bereit, unsere Taxigebühren mitzubezahlen."

Dass die Reduzierung des Tagdienstes ein gangbarer Weg sei, die Kosten zu reduzieren, "das sehe ich schon", sagt Grassl. Er, der selbst eine Bereitschaftspraxis in der Boschetsrieder Straße betreibt, will nicht anzweifeln, "dass viele der Besuche notwendig sind". Dennoch plädiert er dafür, "die Auswahl strenger zu fassen". So sollten seiner Meinung nach die Mitarbeiter im Callcenter an der Elsenheimerstraße, das von einer KVB-Tochterfirma betrieben wird, dahingehend geschult werden, "den Leuten auch mal nahezubringen, ob sie nicht doch mit dem Taxi in die Arztpraxis fahren können".

Patient bleibt auf der Strecke

"Der Bedarf ist da", meint hingegen Frieder Brückner, seit 20 Jahren niedergelassener Arzt mit Praxis in Nymphenburg und regelmäßig im Bereitschaftsdienst unterwegs. "Alle Patienten, zu denen ich komme, sind krank."

Etwa zehn Einsätze fährt er in einer Schicht, bei durchschnittlich zweien davon ist die Diagnose so schwerwiegend, dass er den Patienten ins Krankenhaus einweist. Zu Hausbesuchen bei seinen eigenen Patienten fehlt ihm die Zeit: "Da kann ich pro Tag höchstens einen in der Mittagspause einschieben." Brückner verhehlt auch nicht, dass die Bereitschaftsdienste für ihn und seine Praxis auch wirtschaftlich vonnöten sind - ein Drittel seines Umsatzes generiert er dort, weshalb er auch mehr Dienste als vorgeschrieben übernimmt.

Geärgert hat er sich zudem über Äußerungen des KVB-Vorsitzenden Wolfgang Krombholz aus der vergangenen Woche, der gesagt hatte, der Bereitschaftsdienst sei keine "Rund-um-die-Uhr-Komfortversorgung". Brückner: "Wer so etwas behauptet, verkennt die Realität."

An diesem Dienstag treffen sich die acht Obmänner der Münchner Bereitschaftsdienst-Bezirke - allerdings sei das "kein offizielles KVB-Treffen", wie Christoph Grassl betont. Das soll am 23. Januar stattfinden, mit eben jenen Obmännern, mit "erfahrenen Kollegen aus dem Bereitschaftsdienst" und mit Leuten aus der Verwaltung, also aus KVB und Krankenkassen.

Dort soll ein Arbeitskreis gegründet werden, der dann Vorschläge erarbeitet, die wiederum vom KVB-Vorstand beschlossen werden müssten. Der dürfte nichts dagegen haben, wenn die Ärzte aus der Landeshauptstadt eine Reduktion der Bereitschaftsdienstzeiten vorschlagen: "Der Vorstand ist eher landorientiert", sagt sogar Grassl, und: "So wie bisher kann's nicht bleiben." Frieder Brückner hingegen, der Bereitschaftsarzt aus Nymphenburg, meint: "Das ist ein gutes Verfahren, und jetzt soll's abgeschafft werden. Der Patient bleibt auf der Strecke."

© SZ vom 18.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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