Fürstenried:Auf stumm geschaltet

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Enttäuschung in der A-cappella-Szene: Das internationale Festival "Vokal Total" im Spectaculum Mundi muss ausfallen

Von Sarah Schmidt, Fürstenried

Menschen, die eng beieinander stehen und den vielen Stimmen lauschen, die das gemeinsame Musizieren feiern - all das klappt dieses Jahr nicht, auch nicht für Deutschlands größtes A-cappella-Festival "Vokal Total". Die Münchner Veranstaltung ist für die Freunde des Chorgesangs ohne Instrumental-Begleitung ein Highlight, auch international. Nun, nach 23 Jahren, muss das Festival aufgrund der Corona-Krise erstmals ausfallen. Für die Künstler, die Besucher und die Veranstalter ein herber Schlag. Bis zuletzt war Romy Schmidt, die Leiterin, zuversichtlich. Doch dann, vor gut zwei Wochen, war ihr klar: "Es gibt keine Alternativlösungen, die sich rentieren."

Auf Facebook haben das Team, bestehend aus Schmidt und ihren beiden Kollegen Stefan Sendsitzky und Michael Herzsprung, den Veranstaltungssaal des Spectaculum Mundi grafisch dargestellt und so deutlich gemacht, weshalb sich "Vokal Total" angesichts der Hygienevorgaben dort nicht realisieren lässt. Im Saal in Fürstenried hätte ein Großteil der A-cappella-Auftritte stattgefunden. Bei einer Vollbestuhlung finden im Spectaculum zu normalen Zeiten 160 Besucher Platz. Die Grafik zeigt, dass mit Einhaltung der Corona-Regeln nur 51 Gäste untergebracht werden dürften. "Meine Künstlergruppen erhalten keine Festgage. Ich kann sie nur durch die verkauften Karten bezahlen, und das macht bei dieser Anzahl an Plätzen einfach keinen Sinn", erklärt Schmidt. Die Reaktionen der Künstler und ihres Stammpublikums hätten sie in den vergangenen Tagen oftmals zu Tränen gerührt. "Wir sind nach dieser langen Zeit zu einer Art A-cappella-Familie zusammengewachsen, und es tut sehr weh, dass unser Treffen in diesem Jahr ausfallen muss."

Fest der schönen Stimmen: Seit 23 Jahren lockt "Vokal Total" die A-cappella-Gemeinde ins Spectaculum Mundi an der Graubündener Straße. (Foto: Romy Schmidt/oh)

33 Gruppen wären heuer vom 9. Oktober bis zum 13. Dezember nach München gekommen. Insgesamt 24 Konzerte hätten im Spectaculum Mundi, in der Alten Kongresshalle, der Sankt-Matthias-Kirche in Fürstenried und im Theaterzelt "Das Schloss" stattfinden sollen. Einige Künstler sind schon mehrere Jahre lang im Programm dabei, andere sogar von Beginn an. Aber auch Neuentdeckungen von Romy Schmidt kommen jährlich nach München. "Die Mischung macht es immer aus", sagt sie.

Eines der Highlights in diesem Jahr wäre wieder das A-cappella-Pop-Quartett Maybebop gewesen, ist sich Schmidt sicher. Die Gruppe aus Hannover ist von Beginn an Teil von Vokal Total. "Bereits vor Corona haben wir über 600 Karten für das Konzert in der Alten Kongresshalle verkauft", erzählt die Leiterin. Für zirka 800 Besucher wäre dort Platz gewesen. Doch von Veranstaltungen dieser Größe kann die Event-Szene bislang nur träumen. "Einige Künstlergruppen waren sogar bereit dazu, die Konzerte aufzuteilen, sodass jeweils nur zirka 200 Besucher kommen", berichtet sie. Das hätte aber wiederum bedeutet, dass Schmidt die Veranstaltungsstätten gleich drei- oder viermal hätte mieten müssen. "Egal in welche Richtung wir oder die Künstler gedacht haben, wir mussten immer feststellen, dass sich eine solche große Veranstaltung aktuell einfach nicht rentiert."

Traurig über die Absage: Romy Schmidt. (Foto: Johannes Simon)

Romy Schmidt würde sich während Corona von Seiten der Regierung mehr Unterstützung für die Event-Szene wünschen. "Sowohl für die Veranstalter als auch für die Künstler." Es gebe viele freie Künstler, die seit Beginn der Krise keine Einnahmen mehr generieren könnten. "Würden wir Veranstalter mehr finanzielle Unterstützung erhalten, könnten Veranstaltungen wie Vokal Total deutlich einfacher stattfinden, und wir könnten so wiederum den Künstlern helfen", glaubt Schmidt. Wenn die Leiterin über das A-cappella-Festival im nächsten Jahr nachdenkt, hat sie noch ein bisschen Bammel. "Ich bin sehr gespannt, wie es aussehen wird und ob es überhaupt stattfinden kann." Trotzdem sind die Planungen für 2021 bereits abgeschlossen. "Ich habe alle Veranstaltungen von diesem Jahr aufs nächste Jahr geschoben", sagt sie. Das "Vokal Total 2020" wird also zum "Vokal Total 2021". Da auch die Künstler immer weit ins nächste Jahr vorausplanen und genau wissen, wann sie noch Luft für ein Konzert haben, konnte Romy Schmidt die Termine relativ einfach verschieben. "Ich arbeite sogar schon an den Planungen für das Jahr 2022."

Komplett still ist es im Spectaculum Mundi im Moment aber trotzdem nicht. Da der Kreisjugendring München-Stadt der Träger des Veranstaltungsortes ist, nutzen im Moment die Schülerinnen und Schüler einer offenen Ganztagsschule den zirka 125 Quadratmeter großen Raum am Nachmittag. Aber auch auf A-cappella- Konzerte müssen Fans der Szene in diesem Jahr nicht komplett verzichten. Die Gruppe Cashngo aus Augsburg kommt am 11. und 12. Dezember für insgesamt drei Konzerte in das Spectaculum - dann allerdings mit nur jeweils 51 Plätzen im Publikum.

© SZ vom 17.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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