Deutsche Waldtage:Der Wald aus Sicht der Tiere 

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Spielerisch und anschaulich lernen die Teilnehmer der Tour die Bewohner des Emmeringer Hölzls kennen. (Foto: Johannes Simon)

Das Emmeringer Hölzl ist ein wertvoller Naturraum mit hoher biologischer Vielfalt. Bei einer Entdeckungstour lernen die Teilnehmer ihn aus einer ganz neuen Perspektive kennen.

Von Enna Kelch, Emmering

Die pralle Mittagssonne taucht das kleine Waldstück, das zwischen einem bebauten Gebiet in Emmering und Fürstenfeldbruck eingeklemmt ist, in gleißendes Licht und lässt die wildfließende Amper funkeln. Einige machen einen entspannten Spaziergang mit dem Hund über die kleinen Wanderpfade, andere legen sich unter die schattenspendenden Laubbäume und genießen eine Auszeit in der Natur. Das Emmeringer Hölzl kann mal trocken, aber meistens auch sehr feucht sein. Denn es ist ein Auwaldgebiet, das von Überschwemmungen und hohen Grundwasserpegeln stark beeinflusst wird. Durch den stetigen Wechsel der prägenden Umweltfaktoren birgt es eine große Zahl ökologischer Nischen auf engstem Raum und bietet somit eine hohe biologische Vielfalt. Vor allem Tiere, die Lust auf Nass haben, fühlen sich hier sehr wohl. Mit ganz viel Glück kann man zum Beispiel einen Biber entdecken. Waldpädagogin Marion Stadler kennt sich mit den Bewohnern des Hölzls aus. Weil sie es hier so toll findet, nutzt sie die Deutschen Waldtage 2023 als Anlass, Besuchern das Stück Natur von nebenan, aus Sicht der Tiere, näher zu bringen.

Die Waldpolizei des Hölzls

Dazu hat sie gemeinsam mit ihrem Sohn, Forstwirt Paul Stadler, eine Tour geplant. Treffpunkt ist der Sportplatz in Emmering. Marion Stadler wartet mit einem Lastenanhänger, in dem sich viele kleine Überraschungen verbergen. "Warum weit weg, wenn man hier so ein bemerkenswertes Stück Natur direkt vor der Nase hat?", schwärmt Stadler. Die Aktion ist auf Kinder und Familien ausgelegt. Angemeldet waren zwei Familien, allerdings erschienen nur Mila und ihre Mama Gabriella Havellant. "Ich liebe die Natur, Sport und Mathematik", verrät das kleine Mädchen vor Beginn der Führung. Aus ihrer Liebe zur Umwelt wollte sie noch mehr über sie lernen. Für ihre Mutter ein guter Anlass: "Ich freue mich vor allem auch darauf, Zeit mit meiner Tochter zu verbringen."

Waldpädagogin Marion Stadler und ihr Sohn, Forstwirt Paul Stadler, führen durch das Emmeringer Hölzl. (Foto: Johannes Simon)

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde geht es los. Milas Augen beginnen zu funkeln, als sie die großen Bäume des Hölzls sieht. Erster Stop ist eine kleine Lichtung direkt an der Amper. Die Strömung ist stark und dynamisch. Auch wenn die dichten Blätter ein wenig Schatten spenden, findet die Sonne doch einen Weg hindurch. Stadler breitet eine große Plane aus, auf der sich die Gruppe niederlässt. Dann bereitet sie eine ganze Menge von kleinen Kärtchen vor. Darauf sind Bilder abgedruckt: Von Tieren, Bäumen und Pflanzen. Zuerst möchte Stadler aufklären, welche Arten es im Hölzl gibt. Da liegt ein Bild von einem Frosch, Hirsch, einer Ameise, Spinne, einem Eichelhäher und vielem mehr. Daraus soll aussortiert werden, welche Arten hier heimisch sind und welche nicht.

"Den Eichelhäher gibt es hier", sagt Mila und zeigt das Kärtchen in die Runde. "Da hast du recht", bestätigt Stadler und lässt sie die Karte auf einen Stapel legen. Der Eichelhäher ernähre sich unter anderem von Eicheln, Bucheckern und anderen Sämereien, Beeren, Obst und Nüssen. Er sei ein wahrer Baumpflanzer, denn oftmals vergrabe er seine Nahrung unter der Erde und findet sie nicht wieder, erzählt Stadler. Am bekanntesten ist sein rätschender Ruf, mit dem er alle Waldbewohner vor Feinden warnt. "Kräääsch", imitiert die Waldpädagogin den Vogel. "Er ist die Waldpolizei des Hölzls", fügt sie hinzu und grinst. Gabriella Havellant hat sogar eine kleine Feder des Eichelhähers in ihrer Handyhülle dabei. Die Hirsch-Karte kommt auf den Stapel daneben, denn mit den Geweih-Trägern rechnet die Expertin hier im Hölzl nicht. Für die Rudeltiere sei der Wald zu klein. Der Lebensraum sei zu erschlossen und wird vor allem zur warmen Sommerzeit von vielen erholungssuchenden Zweibeiner besucht.

Auf den Spuren der Nagetiere

Einige trifft man auf dem Weg zur nächsten Station. Vorbei an versteckten Badebuchten haben es sich hier Naturliebhaber auf einem Badehandtuch gemütlich gemacht oder sich knöcheltief in die kalte Strömung gewagt. Einen kleinen Spaziergang entfernt, über eine Holzbrücke, befindet sich die nächste Station neben einem Arm der Amper. Hier lüftet Marion Stadler das Geheimnis, das sie in ihrem Anhänger mit sich herum zieht. Sie holt einen dicken Baumstamm heraus. Die Mitte des Holzes ist sehr schmal und zeigt Fraßspuren. "Welches Tier könnte hier am Werk gewesen sein?", fragt Stadler in die Runde.

Teilnehmerin Mila darf das Biberfell anfassen, das Marion Stadler dabei hat. (Foto: Johannes Simon)

Nach einer kurzen Stille kommt die Idee: "Ein Biber?", klingt es unsicher zurück. Biber fällen Bäume zum Bauen von Dämmen sowie zur Beschaffung von Nahrung. Meist sind es weiche Hölzer, mit dünnem Stamm, aber gelegentlich auch Bäume mit größerem Durchmesser. Fasziniert zeigt die Waldpädagogin, mit welcher Feinarbeit die Nagetiere vorgehen. Sie holt ein kleines Gläschen aus dem Anhänger: Darin sind dünne Holzspäne, die ein Biber mühselig vom Holz abgeschabt hat. Wenn sich das Tier an die Arbeit macht, haken sich seine oberen Schneidezähne im Holz fest, während die unteren die Späne abraspeln. So ähnlich wie das Zukneifen einer Zange. Um das verdeutlichen, hat Marion Stadler die Abbildung eines Schädels dabei. "Leider kein echter", fügt sie hinzu, doch auf dem Foto sind die mächtigen Schneidezähne gut zu erkennen. Davon besitzt der Biber je zwei im Ober- und Unterkiefer, die bis zu dreieinhalb Zentimeter lang sind und nie aufhören zu wachsen, erzählt sie. Die Teilnehmer zeigen sich ebenso interessiert wie Naturliebhaberin Stadler.

Auch wenn sie womöglich keinen Biber auf der Tour entdecken, könne man mit sehr viel Glück und Achtsamkeit seine Spuren sehen. Für die Führung hat Stadler noch weitere Spiele und Aktionen geplant, die nun wegen der reduzierten Teilnehmerzahl improvisiert werden müssen. "Natürlich ist es schade, dass so wenige gekommen sind. Aber ich bin froh um jede Person, der ich die Natur des Emmeringer Hölzls näher bringen kann", schwärmt sie.

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