Eine leidenschaftliche Interpretation von Wencke Myhres Klassiker von 1970 hallt am Freitag über die malerische Idylle des Sonnenuntergangs am Pucher Meer: "Wir ham' ein knallrotes Gummiboot!" Franzi und Fabienne besingen ihre erfolgreiche Überfahrt. Die beiden jungen Frauen haben eben mit ihrem eigentlich grauen Schlauchbötchen Dirk Brauns Tasche zur blauen Plattform transportiert, die für Schwimmerinnen und Schwimmer in Ufernähe treibt. Schritt eins der Mission ist geglückt. Darauf erst mal einen kräftigen Schluck Weißwein.
Der Fürstenfeldbrucker Schriftsteller Dirk Brauns hat im Namen der Kunst an den See geladen. In blau-gelber Leuchtschrift will er dort für ein paar Tage das Wort "Menschlichkeit" installieren. Ein Zeichen für den Frieden in der Ukraine, könnte man meinen. Banner, Leuchtschriften und andere Signale der Solidarität hüllen derzeit überall öffentliche Plätze in die Nationalfarben des unter Putins Krieg leidenden Landes. Aber Dirk Brauns betont: Der Bezug ist reiner Zufall - oder Schicksal, wenn man so will.
"Natürlich hat die Aktion in den vergangenen Tagen noch eine ganz andere Bedeutung gewonnen. Aber die Idee kam mir schon im November in einem Traum." Darin habe er das Wort Menschlichkeit auf dem Pucher Meer leuchten sehen. Jeden Tag komme er zum Schwimmen hierher, so lange kein Eis auf dem See liegt. Dann gehe er in die Amper. Wie zum Beweis legt Brauns seinen dicken Parka ab. Er trägt nur noch eine Badehose und eine schwarze Strickmütze, als er ins Wasser des Pucher Meers schreitet. Lufttemperatur: vier Grad, dazu eisiger Wind.
Spaltung der Gesellschaft
Die beiden Bootsführerinnen und Jan Braun verladen den Schriftzug. Braun ist Dirk Brauns Partner bei der Aktion. Der Restaurator und studierte Künstler verantwortet die Umsetzung. Die Idee habe ihm gleich gefallen. Er musste vor allem an die während der Pandemie abhanden gekommene Menschlichkeit denken, "die Spaltung unserer Gesellschaft." Aber an die Menschlichkeit könne man immer erinnern.
Drei Schlangen mit LEDs hat er für den Schriftzug verwoben. Warum ausgerechnet in Blau und Gelb? "Die gelben Lichter haben nicht ausgereicht. Wir mussten welche nachbestellen und die waren einfach blau." Blanke Kupferdrähte und grüne Kabel verbinden die Leuchtdioden. 18 1,5-Volt-Batterien sollen sie für zehn Tage erstrahlen lassen, Kabelbinder halten das Konstrukt zusammen. Gerade so passt es neben den drei Passagieren ins Schlauchboot.
Auch die zweite Überfahrt glückt. Dirk Brauns hat es längst auf die Insel geschafft und schlüpft in die Wechselkleidung aus seiner Tasche. Zwischenzeitig steht er splitterfasernackt da. Wieder in wettergerechte Kleidung gehüllt macht er sich mit den anderen ans Werk. Sie spannen die Drähte zwischen die zwei Geländer auf der Insel. Lange leuchtet nur das Lagerfeuer am Ufer, an dem sich Freunde und Familie der beiden Künstler warm halten.
Aber dann, in glorreichem Blau-Gelb: Menschlichkeit. Nicht so deutlich wie erhofft, gesteht Jan Braun. Aber wohl deutlich genug. Es dauert nicht lang, bis das Licht die erste Passantin ans Ufer lockt. "Menschlichkeit soll das heißen, oder?", fragt sie die Entourage des Künstlerduos. Es gehe wohl um die Ukraine. Nein, erfährt sie, "nur so."