Engpass in der Fürstenfeldbrucker Kreisbehörde:Flüchtlinge müssen sich gedulden

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(Foto: Leonhard Simon)

Neuankömmlinge aus der Ukraine, die bei Familien untergekommen sind, müssen lange auf einen Termin im Landratsamt warten. Eine Anmeldung ist Voraussetzung für die Auszahlung der finanziellen Unterstützung und eine Arbeitserlaubnis.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

"Ich muss gerade für acht Leute einkaufen", sagt eine Frau aus Fürstenfeldbruck, die Anfang März mit ukrainischen Geflüchteten, vor allem Familie und Angehörige, aus Polen zurückgekehrt ist. Seitdem wohnen alle gemeinsam in einer Zweizimmerwohnung. Gleich zwei Tage nach ihrer Ankunft habe sie das Online-Kontaktformular ausgefüllt, um die Neuankömmlinge offiziell zu registrieren - seitdem aber nichts vom Landratsamt gehört, weder Bestätigung noch Informationen über das weitere Vorgehen. Mehrmals habe sie per Mail und telefonisch nachgefragt, ohne Ergebnis. "Du wirst weitergeleitet und weitergeleitet, bis es am Ende heißt, es gibt keine weiteren Infos." Die Frau fühlt sich im Stich gelassen. Sie wolle doch nur ihre Angehörigen anmelden, "damit sie Verpflegung und eine Krankenversicherung bekommen", sagte sie am Dienstag.

In Germering in Sicherheit: Die beiden Kinder von Lesya Danylchak, zusammen mit den vier ukrainischen "Gastkindern", die mittlerweile in einer Wohnung der Stadt Germering leben. Von links: Veronika, Maxi, Viktoria, Wlad, Dmytro und Adrian. (Foto: Lesya Danylchak)

Ähnliche Erfahrungen hat Lesya Danylchak gemacht. Anfang März kamen ihre Schwester mit zwei Kindern und eine gemeinsame Freundin, ebenfalls mit zwei Kindern, zu ihr nach Germering. Danylchak füllte gleich das entsprechende Online-Formular aus. Nach einer Woche konnten ihre Gäste dann vorübergehend in eine Wohnung der Stadt Germering umziehen. Erst diesen Mittwoch aber meldete sich erstmals das Landratsamt und forderte weitere Unterlagen an, als Voraussetzung für eine Terminvergabe und damit auch für eine Arbeitserlaubnis und eine finanzielle Unterstützung. Beschweren möchte sich Lesya Danylchak über die lange Funkstille aber nicht. Angesichts des Kriegs sei das nun wirklich das geringere Problem.

Eine Kreisbehörde wie das Landratsamt Fürstenfeldbruck hat immer mehr Aufgaben, aber nicht ausreichend Personal dafür. (Foto: Leonhard Simon)

Keine Einzelfälle: Die Erstregistrierung in den großen Unterkünften im Landkreis funktioniert zwar augenscheinlich. So werden die im Fliegerhorst eintreffenden Menschen laut Landratsamt sofort erfasst, die Auszahlung von Leistungen erfolge "spätestens am nächsten Arbeitstag in unserem Büro vor Ort". Anders bei Flüchtlingen, die bei Familien untergekommen sind. Auch in München sind die Behörden förmlich überrannt worden. Es bildeten sich lange Schlangen vor dem Amt für Wohnen und Migration. Dennoch scheint es dort schneller zu gehen.

Das Landratsamt Fürstenfeldbruck, das für die Registrierung der Ukrainerinnen und Ukrainer im Landkreis zuständig ist, die visumfrei nach Deutschland einreisen können, kämpft freilich nicht nur mit personellen, sondern auch mit technischen Problemen. Nach der ersten Meldung würden "derzeit Termine mit einer drei- bis viertägigen Wartezeit vergeben", heißt es in einer Stellungnahme der Kreisbehörde vom Donnerstag. Dies liege daran, dass aktuell keine Auszahlungen über die Kassenautomaten erfolgen könnten. "Wir arbeiten jedoch mit Hochdruck seit einer Woche an der Instandsetzung." Am Freitag hieß es dann, das Problem mit Software und Kassenautomat sei gelöst. Bei täglich etwa hundert Neuankömmlingen lassen sich Wartezeiten aber wohl auch künftig nicht immer vermeiden.

Ohne Anmeldung kein Geld - auch nicht rückwirkend

Eine Anmeldung ist Voraussetzung dafür, dass Geld an die Flüchtlinge ausbezahlt wird und Kosten für eine möglicherweise anfallende Miete erstattet werden. Willi Dräxler, Referent für Migration im Diözesan-Caritasverband München und Integrationsreferent im Stadtrat Fürstenfeldbruck, rät Flüchtlingen und Gastfamilien, sich auf jeden Fall sofort bei den Behörden zu melden und notfalls erst einmal einen informellen Antrag zu stellen und Dokumente oder Formulare später nachzureichen. Denn eine rückwirkende Beantragung ist nicht möglich. Die Probleme im Landkreis waren jüngst auch Thema im Fürstenfeldbrucker Sozialausschuss. Alexa Zierl (ÖDP) hatte eine entsprechende Anfrage gestellt. Auch Zweiter Bürgermeister Christian Stangl (Grüne) berichtete von aufnehmenden Familien, die anscheinend unzufrieden seien. OB Erich Raff (CSU) machte deutlich, dass die Stadt keine Möglichkeit hat, das Verfahren im Landratsamt zu beschleunigen.

Bislang sind 615 ukrainische Flüchtlinge im Landkreis angekommen (Stand Donnerstag), die im Landkreis bleiben, davon sind 473 privat untergebracht. Zusätzlich befanden sich am Mittwoch 762 weitere ukrainische Flüchtlinge im Fliegerhorst - die diesen aber in vielen Fällen nach wenigen Tagen wieder verlassen. Weitere große Unterkünfte sind die Turnhalle in Adelshofen (maximale Kapazität 100), die Turnhalle in Eichenau (170) sowie die dezentrale Erstanlaufstelle in Maisach (100). Zusätzliche Unterkünfte werden derzeit geschaffen.

Die Regelungen für Flüchtlinge aus der Ukraine und für ihre Gastgeber:

Die Leistungen für ukrainische Flüchtlinge decken sich mit den Leistungen für Asylbewerber. Als "Regelbedarf" für einen alleinstehenden Erwachsenen gelten maximal 367 Euro im Monat, Minderjährige erhalten bis zu 326 Euro. Wer Kleidung benötigt, bekommt auch dafür Geld. Beispielsweise für Arztbesuche oder Operationen muss ein Krankenhilfeschein beantragt und im Landratsamt abgeholt werden. Sofern Flüchtlinge aus der Ukraine keinen Asylantrag stellen, können sie sich nach Bewilligung der Aufenthaltserlaubnis auf Arbeitssuche machen. Direkt nach Ankunft sollten ukrainische Flüchtlinge das Online-Formular "Selbstmeldungen von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine" auf der Homepage des Landratsamts ausfüllen, dies ist auch in ukrainischer Sprache möglich.

Sofern private Gastgeber eine Miete in Rechnung stellen, muss ein regulärer Mietvertrag abgeschlossen und dem Landratsamt ein vom Mieter unterzeichneter Entwurf vorgelegt werden. Dieses prüft, ob Größe und Kosten angemessen sind. Ist das der Fall, wird Miete direkt an die Flüchtlinge ausgezahlt.

Auf der Webseite des Innenministeriums können Gastgeber unter https://www.stmi.bayern.de/mui/ukraine_hilfe/index.php ihre zusätzlichen Wohnungsangebote eintragen.

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