Zeitlose Akrobatik auf zwei Rädern:Über Stock und Stein

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Die Hilfestellung steht nur ein paar Armlängen entfernt in Bereitschaft: Nachwuchsfahrer auf dem Vereinsgelände hinter dem Brucker Feuerwehrhaus. (Foto: Stefan Salger)

Bei diesem Sport ist mit Tempo kein Blumentopf zu gewinnen. Nur wer Balance und Körperbeherrschung wahrt, kommt ohne Fußaufsetzen um die Kurve. Ein Besuch bei den Trial-Motorradfahrern in Fürstenfeldbruck.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Mit Geschwindigkeit ist hier kein Blumentopf zu gewinnen. Nur sehr langsam nämlich kommt man durch die enge Kurve über dem losen Untergrund am Steilhang. Etwas weiter unten stehen schon die nächsten Kandidaten, die sich an dieser Passage versuchen wollen, und schauen erwartungsvoll herauf. Wie die Orgelpfeifen. Der Jüngste wohl um die fünf, der älteste um die zwölf Jahre alt. Der Fahrer mit dem weißen Motocross-Helm und den stabilen Stiefeln, der gerade im Blickpunkt steht, dürfte etwa Schuhgröße 30 haben und der Jüngste in der Gruppe sein. Er hat zwar schon viel Gefühl in der Gashand und steht vorbildlich auf den Fußrasten (einen Sitz hat das Motorrad gar nicht), verliert aber trotzdem kurz das Gleichgewicht, als das stollenbereifte Hinterrad im losen Untergrund durchdreht. Er muss kurz den Fuß absetzen und die Hilfestellung eines Papas in Anspruch nehmen, der an dieser verzwickten Stelle bereitsteht und ihm am hinteren Schutzblech ein bisschen anschiebt.

Der Gasgriff will fein dosiert sein, sonst dreht das Hinterrad am Hang auf dem lockeren Boden durch. (Foto: Stefan Salger)

Auf dem Trialgelände an der Bundesstraße 471, etwa hundert Meter hinter dem Fürstenfeldbrucker Feuerwehrhaus, kommen die etwa 25 Jugendlichen der Trial-Abteilung des TuS Fürstenfeldbruck unter ihrer Montur durchaus ins Schwitzen. Und doch macht ihnen der Trainingstag einen Heidenspaß. An den Dämmen, die wie die Steilufer eines kleinen Canyons wirken, an denen kurvige Pfade an Felsen und Baumstämme und halb eingegrabenen Kanalrohren vorbeiführen oder auch schnurstracks darüber hinweg, ist vor allem eines gar nicht gefragt: den Fuß aufzusetzen. Denn wer im Wettkampf den mit Pfeilen und Flatterband gekennzeichneten rechten Pfad verlässt oder sich abstützen muss, der sammelt Fehlerpunkte. Bei diesem Motorsport ist Körperbeherrschung alles. Gebremst und Gas gegeben wird nur sehr fein dosiert. Deswegen reichen selbst den Profis, die große Hindernisse durchaus mit spektakulären Sprüngen überwinden können, Maschinen mit weniger als 30 PS. Als Faustregel in diesem wohl kostengünstigsten Motorsport gilt: Zu 90 Prozent kommt es auf das Können des Fahrers an, nur zu zehn Prozent aufs Material, also Motorrad. Immer mehr im Kommen sind Trial-Motorräder mit emissionsfreiem Elektroantrieb. Vor allem im Jugendbereich setzten sich diese Fahrzeuge immer mehr durch. Seit diesem Monat ist der TuS offiziell Partner im Projekt "eTrial K1DS" des Deutschen Motorsport-Bundes. Bei dem Projekt wird Nachwuchsförderung mit dem Anspruch an Nachhaltigkeit (Elektroantrieb) verknüpft.

Wettkampferfahrene Trainer: Andreas Reinshagen (links) und Alois Thoma. (Foto: Stefan Salger)
Weil Schutzkleidung - wie stabile Stiefel, Helm, Handschuhe und Jacke mit Protektoren - obligatorisch ist und die Geschwindigkeiten gering sind, gilt Trial als ein sehr sicherer Sport. (Foto: Stefan Salger)

Zwei längst den Kinderschuhen entwachsene Routiniers stehen ein paar Meter neben der Vereinshütte und blicken herunter auf ihre Schützlinge, die sich in dem "Canyon" meist in kleinen Gruppen an sogenannten Sektionen verschiedener Schwierigkeitsgrade versuchen: Alois Thoma, Leiter der seit 2006 bestehenden und etwa 160 Mitglieder zählenden Abteilung des größten Fürstenfeldbrucker Sportvereins, und Trainer Andreas Reinshagen. An diesem Vormittag sind bei ihrem Jugend-Lehrgang auch mehrere bei hochklassigen Wettkämpfen bereits sehr erfolgreiche Fahrerinnen und Fahrer auf dem Gelände unterwegs, für die es ein Klacks ist, auf dem Hinterrad zu fahren oder einfach mal stehen zu bleiben und die Balance zu halten ohne umzufallen. So wie die acht Jahre alte "Oset-Cup"-Siegerin Viktoria Altendorfer, die mit fünf angefangen hat mit diesem Sport. Von dem für Kinder geeigneten Motorrad mit kleinen Rädern ist sie mittlerweile auf ein E-Trial-Bike umgestiegen. Oder die zwölfjährige Magdalena Hubner, der sie im Verein noch viel zutrauen. Sie hat bereits zweimal an der deutschen Meisterschaft teilgenommen und ist seit diesem Jahr im Bayerischen Landeskader. Und natürlich ist da Magdalenas großes Vorbild: Theresa Bäuml, 25, vierfache deutsche Meisterin, Europameisterin, Bronzemedaillengewinnerin bei der Damen-WM 2017 und Vizeweltmeisterin mit dem Team Germany beim Trial der Nationen. 2017 hat sie sogar einen WM-Lauf gewonnen. Wer so erfolgreich ist oder es werden will, der trainiert durchaus zwei- oder dreimal die Woche.

Magdalena Hubner (12, rechts) und ihr großes Vorbild Theresa Bäuml, 25, die mehrfache deutsche Meisterin und Europameisterin. (Foto: Stefan Salger)

Der gebürtige Münchner Reinshagen selbst ist bis Anfang 20 bei deutschen Meisterschaften mitgefahren. Da lernte der heute 35-Jährige den damaligen Bundestrainer Alois Thoma kennen und schätzen. Der Schreinermeister, 60, der seit 20 Jahren in Fürstenfeldbruck lebt, fährt seit 46 Jahren Trial, nahm schon an Weltmeisterschaften teil. Er wurde im vergangenen Jahr deutscher Meister in der Seniorenklasse, im Jahr zuvor war er Vizemeister geworden. Für ihn ist Trial ein idealer Sport. Wer die richtige Kleidung trägt - stabile Stiefel, dicke Jacke mit Rückenprotektor, Handschuhe und natürlich Helm - der ist auch noch sehr sicher unterwegs. In seiner langen Karriere hat sich Thoma lediglich ein paar blaue Flecken geholt, das war's.

So läuft das bei den Routiniers: langsam an den Baumstamm heranfahren, kurz Gas geben, Vorderrad hochziehen, Gewicht nach vorn verlagern - und ohne Fußaufsetzen drüber. (Foto: Stefan Salger)

Aktuell bereiten sich mehrere Nachwuchssportler des TuS auf die Läufe zum Alpenpokal und die Südbayerische Meisterschaft vor sowie die diesjährigen Finalläufe der Deutschen Jugend-Trialmeisterschaft. Mittlerweile finden auch in Fürstenfeldbruck zunehmend hochklassige Wettkämpfe statt. So traten Fahrer aus ganz Bayern vor gut einem Jahr erstmals bei einer Clubsport-Veranstaltung des Deutschen Motorsport-Verbandes beim TuS an. Und auch an diesem Wochenende startet die Trial-Abteilung mit einem Paukenschlag in die Saison: am Sonntag von 9 Uhr an mit dem vollelektrischen Oset-Markencup Bayern. Der TuS werde damit zum "Vorreiter für mehr Nachhaltigkeit im Motorsport", freut sich Alois Thoma. Es geht Schlag auf Schlag. Denn bereits um 13 Uhr startet dann das DMV-Club-Trial auf dem Kiesgelände, das erstklassigen Motorsport verspricht.

Grasbrunn
:Motorsport und Akrobatik

Rund 100 Teilnehmer machen in der Kiesgrube bei Grasbrunn Südbayerns besten Trial-Fahrer aus.

Heiße Öfen, ausnahmsweise ganz ohne Elektrik, sind gleichwohl am Rande des Parcours zu finden: Trial-Sport ist immer auch ein Event für die Familie - es wird gegrillt und gefeiert. Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.

Das Trial-Gelände in Fürstenfeldbruck ist erreichbar über die Landsberger Straße 72 (zwischen Bundesstraße 471 und dem Waldfriedhof). Weitere Informationen über die Trial-Sparte des TuS und die regelmäßigen Schnuppertrainings auf Elektro-Motorrädern unter www.trial-ffb.de .

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