Fürstenfeldbruck:Krieg treibt Zahl der Tafel-Kunden in die Höhe

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Im Frühjahr geben Helfer - zunächst nur über soziale Medien organisiert, dann unter dem Dach der Bürgerstiftung - im ehemaligen Modehaus Kohl in Fürstenfeldbruck Essen und Kleidung an Geflüchtete aus. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Seit dem Überfall auf die Ukraine holen sich mehr als 2000 Personen einmal pro Woche gespendete Lebensmittel ab. Die vier Läden im Landkreis arbeiten deshalb stärker mit den Supermärkten zusammen.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Wie geht man damit um, wenn man plötzlich die doppelte Arbeit bewältigen muss? Die vier Tafelläden der Bürgerstiftung für den Landkreis in Fürstenfeldbruck, Olching, Maisach sowie Puchheim/Eichenau hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine vor diese Herausforderung gestellt. Waren es im März noch etwa 900 Personen, die für sich und meist auch weitere Familienmitglieder einmal in der Woche gespendete Lebensmittel abgeholt haben, sind es aktuell mehr als 2000 Personen. Die Tafeln führten daraufhin einen zweiten Ausgabetag ein, auch ein neues Lager sowie regelmäßige Unterstützung durch einen Großkonzern helfen dabei, die anfallenden Aufgaben zu bewältigen. Doch ganz überwiegend sind es die 160 Ehrenamtlichen, die das zusätzliche Arbeitspensum stemmen.

"Eigentlich sollte es keine Tafeln geben", unterstreicht Günther Bertram, dass die Ehrenamtlichen mit der Verteilung von Lebensmitteln an nachweislich Bedürftige eine staatliche Aufgabe übernehmen. Der Finanzvorstand der Bürgerstiftung will damit sagen, dass seiner Ansicht nach im reichen Deutschland staatliche Hilfen wie Hartz IV so bemessen sein sollten, dass die Menschen ausreichend zum Essen haben. Die Existenz der Tafeln und ihre "Erfolgsgeschichte" belegen jedoch das Gegenteil: Die Olchinger Tafel gibt es seit 20 Jahren, die kleine Schwester in Maisach wird heuer 15. An diesem Mittwoch organisiert die Bürgerstiftung für die Ehrenamtlichen sowie weitere Unterstützer eine Feier im Olchinger Kulturzentrum. Von abnehmendem Bedarf kann also keine Rede sein, viele rechnen angesichts von Inflation und explodierenden Strom- und Heizkosten mit einem weiteren Anstieg.

Von doppelt so viel Arbeit spricht Katrin Rizzi angesichts der Kriegsflüchtlinge. Die Geschäftsführerin der Bürgerstiftung berichtet, dass die ehrenamtlichen Helfer die zusätzlichen Aufgaben, insbesondere den zweiten Ausgabetag, voller Herzblut bewältigen. Dabei seien die meisten auch schon im fortgeschrittenen Alter. "Was wir ganz dringend brauchen, ist ein Bufdi - in Vollzeit." Der könnte die von den Märkten gespendeten Lebensmittel einsammeln und in das neue Lager in Olching bringen. Von dort werden sie dann wieder abgeholt und zu den einzelnen Tafelläden gefahren. Denn wenn doppelt so viele Menschen versorgt werden sollen, muss auch mehr beschafft werden. Von daher ist jeder Freiwillige willkommen.

"Die Lebensmittelbeschaffung beschäftigt uns schon sehr", sagt Rizzi, die gerade von einem Termin mit einem Marktleiter zurückgekommen ist. "Wir haben schon den Anspruch, niemanden mit leeren Händen nach Hause zu schicken." Auch die Menge der ausgegebenen Waren zu halbieren, sei keine Option, unterstreicht die Geschäftsführerin der Bürgerstiftung. Wie sie berichtet, wurde nicht nur die Zusammenarbeit mit den Supermärkten intensiviert. Auch die Kooperation mit den im Landkreis etablierten Lebensmittelrettern in Olching und Fürstenfeldbruck, die beide ebenfalls mit Märkten kooperieren, wird enger. Etwas Entlastung bekommen die Tafeln seit ein paar Monaten außerdem von Amazon: Der Weltkonzern mit einem Lager in Olching stellt einmal in der Woche einen Transporter samt Fahrer zur Verfügung, um gespendetes Essen einzusammeln.

"Wir dürfen keine Lebensmittel kaufen, wir sind auf Spenden angewiesen", verweist Bertram auf die Vorschriften des Bundesverbands. Er berichtet von einem Netzwerk der einzelnen Läden; demnach gibt es Spendende, die den aktuellen Bedarf in Maisach oder Eichenau abfragen und dann eine Wagenladung Zucker oder Mehl oder Konserven bringen. Im Frühjahr, zu Beginn des Ukrainekriegs, sei die Spendenbereitschaft spürbar höher gewesen. Und der Verband erlaubte den Tafeln eine Zeitlang Zukäufe. Eine staatliche finanzielle Unterstützung der Tafeln, beim persönlichen Besuch der bayerischen Familien-, Arbeits- und Sozialministerin Ulrike Scharf angekündigt, erwies sich unterdessen als Marginalie. Scharf hatte 200 000 Euro für die bayerischen Tafeln versprochen: Verteilt auf die 173 Standorte erhielt die Bürgerstiftung davon 1600 Euro.

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