SZ-Serie Energiewende 2030 (Teil 11):Es gibt Wichtigeres

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Die Gemeinde Emmering hat die Energiewende bislang nicht zu den Schwerpunkten ihrer Politik gezählt. Den Umschwung bis 2030 hinzubekommen, hält Bürgermeister Michael Schanderl kaum für machbar

Von Heike A. Batzer

Emmerings Bürgermeister Michael Schanderl setzt durchaus aufs Fahrrad. Das ist sein persönlicher Beitrag zur Energiewende (Foto: Günther Reger)

- Morgens, wenn alle ins Auto steigen, um zur Arbeit zu fahren, ist es besonders schlimm. Dann schlängelt sich Auto an Auto durch Emmerings Straßen. Die Kreisstraße FFB 17 verläuft mitten durch den Ort, und wer von Eichenau nach Fürstenfeldbruck will oder umgekehrt, benutzt die Route durch Emmering mindestens so gerne wie diejenige entlang der Bundesstraße 2. "Der Verkehr ist da, man kann ihn nicht wegleugnen", weiß auch Emmerings Bürgermeister Michael Schanderl (FW). Klimaschutz lässt sich mit einem derart hohen Verkehrsaufkommen nur schwer betreiben.

Dabei möchte der Landkreis bis 2030 die Energiewende bewältigt haben: durch Einsparung, Effizienzsteigerung und Versorgung aus ausschließlich erneuerbaren Quellen. Doch die CO2-Emissionen zu halbieren und die andere Hälfte über regenerative und lokale Energieträger beizusteuern, nennt die mit dem Klimaschutzkonzept beauftragte Arbeitsgemeinschaft von Technischer Universität München und der Professor Schaller Umwelt Consult GmbH zumindest für den Verkehrssektor "unrealistisch" und schon eine 50-prozentige CO2-Reduktion "sehr ambitioniert". Soll heißen: Da bleiben heftige Zweifel. Auch Schanderl sieht in der Energiewende "ein sehr hoch gestecktes Ziel. Ich glaube nicht, dass heute noch jemand glaubt, hundert Prozent erneuerbare Energien bis 2030 zu schaffen". Im Jahr 2000, als der Beschluss gefasst wurde, glaubte man das noch.

Der Durchgangsverkehr lasse sich nur mit einer Umgehung reduzieren, sagt Schanderl. Doch auch die Emmeringer selbst produzieren genügend innerörtlichen Verkehr. Immerhin hat der vor rund zehn Jahren gebaute Geh- und Radweg die Ortsteile näher zusammengebracht. Auch der 49 Jahre alte Bürgermeister und seine Verwaltungsmitarbeiter setzen bei Terminen am Ort auf das Fahrrad. Deswegen hat die Gemeinde das Erdgasfahrzeug, das sie mal ihr eigen nannte, inzwischen auch wieder abgegeben: "Dafür sind wir zu wenig gefahren", sagt Schanderl.

Die Energiewende ist in der 6700-Einwohner-Gemeinde im Osten von Fürstenfeldbruck bislang kein vorrangiges Thema. "Das ist nicht unser Flaggschiff", gibt Schanderl auch bereitwillig zu. Man habe in den vergangenen zwei Wahlperioden den Schwerpunkt vor allem auf Kinder und Senioren gelegt. Schanderl, der auch für die Freien Wähler im Kreistag und Bezirkstag sitzt, sieht es nicht als Pflichtaufgabe der Gemeinden an, für die Energiewende zu sorgen. Eine Gemeinde müsse auch sparsam mit Haushaltsmitteln umgehen. An generellem ökologischem Bemühen will man es dennoch nicht fehlen lassen: So würden einige Flächen auf dem gemeindeeigenen Grundstück am Ostanger nicht mehr so intensiv gemäht, erzählt der Bürgermeister, "damit die Biene dort vernünftig Nahrung finden kann".

Für die Nutzung der Windkraft bieten sich Schanderl zufolge wegen der dichten Besiedlung und der Nähe Emmerings zum geophysikalischen Institut keine Möglichkeiten. Nichtsdestotrotz versucht die Gemeinde, hier und dort an den Stellschrauben zu drehen und den Energieverbrauch in öffentlichen Gebäuden und auf öffentlichen Plätzen zu drosseln. Einige Straßenzüge wurden vom Energieversorger Eon auf effiziente, langlebige Natriumdampflampen umgerüstet, woraufhin der Stromverbrauch dort um bis zu 50 Prozent sank. Wieder andere Straßen erhielten neue, sparsame LED-Leuchten. Der Sparzwang aber würde noch nicht so weit gehen, dass die Beleuchtung nachts ganz abgeschaltet werde. "Da überwiegt der Sicherheitsaspekt", sagt Schanderl. Auf dem Dach des Kindergartens befinden sich Sonnenkollektoren, auf dem der Grundschule eine Bürgerfotovoltaikanlage. Auch am Bauhof wurde Fotovoltaik installiert sowie eine Holzpelletsheizung. Bei der Sanierung der Schule wurde eine Grundwasserwärmepumpe eingebaut, an die auch das nahe Rathaus angeschlossen werden soll. Wenn das Rathaus im Herbst einen größeren Anbau erhält, dann sollen im künftigen Altbau nur noch jene Bereiche untergebracht werden, die nicht täglich benutzt und deshalb auch nicht täglich voll beheizt werden müssen: Sitzungssaal, Besprechungszimmer, Archiv. Vielerorts wird in Emmering mit Erdgas geheizt, auch die Neubaugebiete sind mit Leitungen versorgt. Schule, Schulturnhalle und die Umkleiden des FC Emmering werden über ein Blockheizkraftwerk (BHKW) im Schulhausanbau mit Wärme versorgt. Das BHKW könnte sich nach Ansicht von Oliver Schwarz längst rechnen, denn die Kosten würden sich bereits nach vier Jahren amortisieren. Doch die Entscheidungsfindung habe fünf Jahre gedauert. Schwarz ist Chef des Emmeringer Heizungsbaus, einem seit fast 50 Jahren am Ort ansässigen Fachbetrieb. Die Kommunen erlebt er auch bei Entscheidungen zur Energiewende häufig als "schwerfälligen Apparat". Für die meisten seiner Geschäftsfahrten ist Schwarz mit einem Twizy unterwegs, einem kleinen Elektroauto, dessen Strom er selbst produziert.

Privatleute, sagt Schwarz, seien deutlich aufgeschlossener für Energiesparmaßnahmen, doch "es hängt alles am Geldbeutel". Der finanzielle Mehraufwand scheitere dann am begrenzten Budget. Eine finanzielle Förderung für private Energiesparmaßnahmen gibt es von der Gemeinde Emmering nicht, allerdings bietet der Verein Ziel 21 auch im Emmeringer Rathaus eine kostenlose Erstberatung an. Die Gemeinde selbst verspricht sich neue Erkenntnisse vom Pilotprojekt "Energiecoaching" der Regierung von Oberbayern, die laut Regierungspräsident Christoph Hillenbrand "eine Art Zündfunke zur Energiewende vor Ort" sein soll. Die Kommunen sollen dabei "den entscheidenden Anstoß bekommen, um das gemeindliche Engagement in Sachen Energie weiter voranzutreiben", sagt Hillenbrand. In Emmering sollen dabei auch Amperhalle und Bürgerhaus zur Sprache kommen, deren rund 25 Jahre alte Heizzentrale erneuert werden muss. Ergebnisse sollen im September vorliegen.

Auch in Energiefragen freilich ändern sich laufend die Standards. 2002 waren an der Emmeringer Schule die Fenster erneuert worden. 2011 wurden sie wieder ausgebaut. "Das hat mir in der Seele weh getan", erinnert sich Schanderl. Doch der technische Fortschritt im Fensterbau war so rasant verlaufen, dass es sich lohnte, Geld für eine neue dreifache Verglasung auszugeben, die deutlich energiesparender war als das Vorgängermodell.

© SZ vom 16.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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