SZ-Serie Energiewende 2030 (Teil 7):Störungen für den Herzschlag der Erde

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Erst verhinderte die Politik der Bundesregierung zwei Fotovoltaik-Parks in Alling, jetzt bremst die Forschung den möglichen Windradbau aus.

Von Karl-Wilhelm Götte

Biburg: Serie ENERGIEWENDE - Freiflaechen-Photovoltaik FFB/ Fuerstenfeldbruck 05.07.2013 Biburg: Serie ENERGIEWENDE - Freiflaechen-Photovoltaik © Johannes Simon (Foto: Johannes Simon)

Weit vorne könnte Alling beim Thema erneuerbare Stromerzeugung weit vorne stehen. Die Gemeinde ist jedoch ein Opfer der Energiepolitik der Bundesregierung aus dem Jahre 2010. Damals reformierte diese das Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG) und schaffte die Förderung von Fotovoltaikanlagen auf Ackerflächen ab. Zwei große Projekte in Alling und im Ortsteil Biburg, die bereits Planungsreife besaßen, lösten sich damals in Wohlgefallen auf. Auch in Sachen Windenergie ist Alling stark eingeschränkt. Das aber liegt nicht an der Politik, sondern an der Forschung.

Das Geophysikalische Observatorium auf der Ludwigshöhe in Fürstenfeldbruck reklamiert eine Windrad- Schutzzone von fünf Kilometern für sich, damit die seismologische Messgenauigkeit nicht beeinträchtigt wird. Im Observatorium werden weltweit Erdbeben aufgezeichnet und Daten für eine Tomografie des Erdinneren zum Verständnis von Geoprozessen gemessen. Mit der Erdbebenüberwachung und der Messung der Erdmagnetik ist die Station in Fürstenfeldbruck eine der größten und wichtigsten Messstationen in Europa geworden. Nach ihren Daten wird unter anderen die Kompassnadel immer wieder genordet. Auch die Sonneneruptionen werden hier exakt aufgezeichnet. Besonders mit Windrädern hat die Messstation ein großes Problem. Überträgt sich doch die Windlast an den Rotorblättern dauerhaft auf dem im Erdboden verankerten Sockel der Anlage und die ständige Bodenschwingung verfälscht die Messergebnisse der auf der Ludwigshöhe im Boden verankerten überaus empfindlichen Messgeräte nachhaltig. "Das ist wie bei einer Stimmgabel, die man anschlägt", verdeutlichte Joachim Wassermann, der Leiter des Observatoriums die Problemlage bei einem Besuch der Messstation. Bei den Rotoren werde bei jeder Umdrehung ein Druckstoß erzeugt, der sich in den Boden überträgt.

Die Technische Universität München hat den Fünf-Kilometer-Radius durch Intervention bei Landrat Thomas Karmasin zugestanden bekommen. In die "No-Windrad-Area" fällt vor allem der höher gelegene Ortsteil Biburg. Der wäre wie gemacht gewesen für eine Windkraftanlage mit mehreren Windrädern. So bleibt für die Allinger Energiewende als markanter Akzent eine Fotovoltaik-Außenanlage eines Landwirts in Biburg, die dieser bereits 2005, damals noch auf einer etwa 5000 Quadratmeter großen Ackerfläche an der Brucker Straße, in Betrieb setzte. Die Anlage erwies sich als finanziell wesentlich lukrativer als der Anbau von Weizen auf der gleichen Fläche. Der Landwirt speist etwa 95 000 Kilowattstunden Sonnenstrom pro Jahr ins Stromnetz ein und könnte damit je nach Strombedarf 30 bis 40 Haushalte mit Strom versorgen.

Alling hatte besonders in den vergangenen 15 Jahren einen beträchtlichen Zuzug zu bewältigen. Aus einem Dorf wurde etwas mehr, mit heute 3600 Einwohnern aber auch nicht viel mehr. Die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde die Energiewende selbst voranzutreiben sind begrenzt. Private Investoren tragen deshalb auch ein großes Stück Verantwortung. So entstand und entsteht immer doch ein großes Wohngebiet an der Parsbergstraße. Dort entwickelten sich Akzente weg von Öl und Gas bei Heizungen und Warmwasseraufbereitung. Auch frühe Fotovoltaiksprengsel schon um Jahrtausendwende waren hier zu besichtigen. Auf dem ehemaligen Nussfeld-Gelände am Ortseingang hat ab 2005 ein großes Allinger Bauunternehmen, das gleichzeitig auch als Bauträger fungiert, an der Hoflacher Straße und Agnes-Bernauer-Straße 24 Häuser, 20 Wohnungen und fünf Geschäfte für etwa 140 Bewohner errichtet. Neben der neuen Siedlung entstand unterirdisch ein Heizkraftwerk. Die Hackschnitzelanlage beheizt per Fernwärmenetz alle Gebäude. Im Winter wird noch ein Ölkessel mit 400 Kilowatt Leistung zugeschaltet, um ab minus zwölf Grad genügend Wärme in den Häusern und Wohnungen zu gewährleisten. Etwa 20 "Öltage" gibt es in einem durchschnittlichen kalten Winter. "Wir frieren nicht", bestätigte eine Anwohnerin, dass auch acht Jahre später alles zufriedenstellend läuft. Mit einem riesigen Pufferspeicherbehälter wird Warmwasser ebenfalls vorgehalten.

Die Gemeinde selbst hat bei ihren eigenen Bauten in den vergangenen Jahren vor allem auf Energieeinsparung geachtet. Vorrangig war zuletzt die energetische Sanierung der Sporthalle. Die Kosten für Heizung und Warmwasser konnten in der Sporthalle mit Grundwasserwärmepumpen und den energetischen Maßnahmen von 80 000 auf 20 000 Euro pro Jahr gesenkt werden, wie Mathias Kral, der Klimaschutzbeauftragte in der Gemeindeverwaltung, positiv zwischenbilanziert. Bei allen Gemeindebauten seit 2004, begonnen mit dem Um- und Neubau der Grundschule, gefolgt vom Bauhof, dem Feuerwehrhaus in Biburg und zuletzt beim Neubau der Kinderkrippe wurden Wärmepumpen installiert und der Weg weg von Öl und Gas beschritten. "Umfassende Zahlen zur Energieeinsparung haben wir jedoch nicht", bedauert Mathias Kral, der Klimaschutzbeauftragte in der Gemeindeverwaltung.

Auch traut er sich nicht zu, den Anteil der erneuerbaren Energieerzeugung in Alling zu schätzen. Da würden die Daten fehlen. Auch Bürgermeister Frederik Röder (CSU) hat keine Zahlen zur Hand, gibt sich aber entschlossen: "Wir versuchen es nicht nur", sagt er, "wir setzen die Energiewende auch um."

Zur Energiewende gehört auch das Thema Verkehr. Ohne Anbindung an die S-Bahn sind die Allinger auf den Individualverkehr angewiesen. Einige Pendler aus dem Ortsteil Biburg werden die S 4 vom Bahnhof Fürstenfeldbruck nutzen, andere fahren nach Gilching zur S 8, manche auch zum Park-and-Ride Parkplatz nach Germering, was genauso umständlich und mühsam ist.

© SZ vom 10.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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