SZ-Adventskalender:Zahl Betroffener steigt

Lesezeit: 2 min

Bei VdK und Diakonie lassen sich viele Erkrankte in Not beraten

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

In einem Wohlfahrtsstaat wie Deutschland aufgrund von Krankheit arm zu werden, das klingt für viele Menschen erst einmal unmöglich. Aber von etwa 30 Beratungen, die der VdK-Kreisgeschäftsführer Felix Hechtel pro Woche hat, entfallen etwa fünf auf das Thema Armut durch Krankheit. "Das ist eine unerhört hohe Zahl, die in der Vergangenheit immer weiter gestiegen ist", sagt Hechtel. Weil der Bedarf so hoch ist, will der SZ-Adventskalender den VdK mit einem Topf für Einzelfallhilfen unterstützen. "Damit greifen wir Betroffenen unter die Arme, die akut hilfsbedürftig sind", so Hechtel. Von ihnen gibt es viele, denn es existieren im deutschen Gesundheitssystem einige Faktoren, die laut Hechtel zu Fallstricken werden können.

"In den ersten sechs Wochen ist der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Das klappt in der Regel auch sehr gut", sagt er. "Schwierig wird es erst dann, wenn das Krankengeld gewährt wird." Diese Leistung der Krankenkassen liegt in der Regel bei mindestens 70 Prozent des Brutto- und höchstens 90 Prozent des Nettoverdienstes. Bezahlt wird es bei ein und derselben Erkrankung maximal eineinhalb Jahre lang. Wer Krankengeld bezieht, muss also plötzlich mit geringeren Einnahmen zurechtkommen. Fixe Kosten, wie die Miete, bleiben aber in der Regel gleich. Dazu kommen Ausgaben für Medikamentenzuzahlungen, Zuzahlungen zu Krankenhausaufenthalten, notwendige Zahnoperationen oder aber Kosten für nicht zugelassene Behandlungsmethoden, welche die Kassen nicht zahlen, die dem Betroffenen aber helfen. "Bei einem kleinen Einkommen können auch die Zuzahlungen schnell zur finanziellen Belastung werden", sagt Hechtel.

Doch nicht nur die finanziellen Nöte sind groß, auch die psychischen Belastung für Betroffene ist häufig hoch. Viele solcher Fälle kennt auch Dominik Kling von der Sozialen Beratung der Diakonie. "Ist ein Arbeitnehmer länger oder öfter krank, so geht damit oftmals die Angst einher, er könnte entlassen werden", sagt er. Die ständige Sorge wirke sich mitunter negativ auf den Genesungsprozess aus. Kling erlebt es bei seinen Kunden häufig, dass aufgrund einer körperlichen Krankheit irgendwann auch psychische Begleiterscheinungen auftreten. "Mit einer Depression ist es vergleichsweise schwer, alltägliche Dinge zu erledigen", sagt er. Ämtergänge, das Ausfüllen von Anträgen und das Wahren von Fristen fällt Betroffenen dann schwer. Das kann auch Hechtel bestätigen.

Dabei ist es für Betroffene essenziell, solche Dinge zu erledigen. Vor allem dann, wenn es zu Problemen im Krankengeldbezug kommt. Immer wieder passiere es, dass Kassen an der Erkrankung eines Versicherten zweifeln, erklärt Hechtel. Dann werden Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) angefordert. "Es kommt dann recht häufig zu der Beurteilung, dass keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt", sagt Hechtl. Dafür reiche es schon, wenn der Kranke noch mehr als drei Stunden einer leichten Tätigkeit nachgehen könne. In solchen Fällen stellt die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes ein und der Betroffene fällt aus der Krankenversicherung heraus. "Wir haben festgestellt, dass die Sache mit einem rechtzeitigen Widerspruch häufig noch abgewendet werden kann", sagt der VdK-Kreisgeschäftsführer. Nur hätten nicht alle Betroffenen den Mut und die Möglichkeit sich form- und fristgerecht zu wehren.

Ebenso problematisch seien Lücken in der Krankschreibung. "Da ist der Gesetzgeber nur mäßig sozial", sagt Hechtel. Läuft ein Attest aus, muss es sofort erneuert werden, auch dann wenn der Hausarzt keine Zeit für einen Termin hat oder der Drucker des Arztes einmal ausfällt. Sonst wird das Krankengeld sofort eingestellt. Wichtig sei, dass sich Menschen in Not, so früh wie möglich Hilfe suchen.

Weil die Themen Krankheit und Armut so vielschichtig sind, und sich in den verschiedensten Bereichen des Lebens niederschlagen können, gibt es im Landkreis nicht nur ein spezielles, sondern viele verschiedene Beratungsangebote. Eine erste Anlaufstelle sind neben dem Vdk auch die Beratungsstellen der Caritas und Diakonie, sowie der Kommunen. Diese Stellen vermitteln die Hilfesuchenden je nach Bedarf auch an andere spezialisierte Einrichtungen weiter. Auch Krankenkassen und Jobcenter haben eine Beratungspflicht.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: