SZ-Adventskalender:Eine Wohnung als Weihnachtswunsch

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Einer Bruckerin droht der Umzug ins Obdachlosenheim. Dabei muss sie sich um ihr behindertes Enkelkind kümmern

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Kleinfamilie auf Herbergssuche: Andrea Maierhofer (rechts) mit erwachsenem Sohn und Enkel. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Andrea Maierhofer ist verzweifelt. Seit eineinhalb Jahren sucht die 53-Jährige eine Wohnung. Ohne Erfolg. In vier Monaten muss die wegen einer Eigenbedarfskündigung ausziehen. Wenn sie nicht noch kurzfristig einen Mietvertrag unterzeichnen kann, werden sie, ihr erwachsener Sohn und ihr dreieinhalb Jahre alter, mehrfach behinderter Enkel, für den sie die Vormundschaft hat, in der Obdachlosenunterkunft in der Hasenheide untergebracht. Und Maierhofer, die in Wirklichkeit anders heißt, aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, befürchtet, dass sie dann die Vormundschaft verliert und ihr Enkelsohn in eine Pflegefamilie kommt.

Andrea Maierhofer hat es nicht leicht gehabt in ihrem Leben. Ihre Ehe war "nicht so toll", wie es die Fürstenfeldbruckerin zurückhaltend und vermutlich etwas beschönigend ausdrückt. Ihr Mann war Alkoholiker und aggressiv; er ist bereits verstorben und hat ihr einen Berg an Schulden und einen Schufa-Eintrag vermacht. Letzteres dürfte der Hauptgrund für ihre erfolglose Wohnungssuche sein - obwohl sie für die letzten 20 Jahre regelmäßige Mietzahlungen nachweisen könne, wie sie betont.

(Foto: SZ Grafik)

Zwei ihrer vier inzwischen erwachsenen Kinder sind behindert, ihre Betreuung ließ es nicht zu, dass die Fürstenfeldbruckerin ihre finanzielle Lage hätte deutlich verbessern können. Gleiches galt für die Phase, als sie ihren 2016 verstorbenen Vater pflegte. Berufsausbildung? "Ich habe mal das gelernt, was man Verkäuferin nennt", sagt sie süß-sauer lächelnd. Wenn sie arbeite, dann als Aushilfe, die in Supermärkten oder an Tankstellen Regale auffüllt. Viel verdienen lässt sich mit solchen Tätigkeiten freilich nicht.

Maierhofer lebt mit einem ihrer Söhne und dem Enkel in einer Vier-Zimmer-Wohnung in Fürstenfeldbruck. Die Vormundschaft für den Kleinen hat sie schon länger, weil sich der Kindsvater - ein anderer ihrer Söhne - und die Kindsmutter aufgrund eigener Entwicklungsstörungen nicht ausreichend um ihn kümmern können. Seit September ist der Dreieinhalbjährige in der Eingewöhnungsphase für den Kindergarten der Kinderhilfe in Fürstenfeldbruck. Er sitzt nicht im Rollstuhl, hat aber Sprachstörungen und Störungen der motorischen Entwicklung. Würde sein bislang bestehendes, festes Umfeld mit ihr als Ersatzmutter und dem Onkel als Ersatzpapa durch den Umzug in die Obdachlosenunterkunft und den von ihr befürchteten Verlust der Vormundschaft zerrissen, so fürchtet Maierhofer, würde ihr Enkel in eine Pflegefamilie kommen und massiv in seiner Entwicklung gestört. Eine ähnliche Einschätzung hätten auch die Mitarbeiter der Kinderhilfe, sagt sie. "Die sagen auch, das wäre eine Katastrophe."

Doreen Höltl von der Stadt Fürstenfeldbruck kann Maierhofers Verzweiflung nachvollziehen. "Sie hat alles richtig gemacht", habe sich frühzeitig an alle entsprechenden Stellen gewandt, sagt die Verantwortliche von der Stabsstelle für soziale Angelegenheiten. Sie versucht aber auch zu beruhigen. Ein Verlust der Vormundschaft, bloß weil jemand in einer Obdachlosenunterkunft lebe, sei ihr nicht bekannt, betont sie. Und sie ergänzt, dass es in der Hasenheide für Familien einen abgeschlossenen Bereich mit eigenem Eingang gebe. Außerdem würden ihre Mitarbeiter alles versuchen, damit Maierhofer mit ihrer kleinen Familie vielleicht doch noch vor April eine andere Wohnung findet. "Wir haben Objektbetreuer, die auch mit Vermietern und Maklern reden." Gegen die Kündigung wegen Eigenbedarf sieht Höltl keine Handhabe, da sie in aller Regel zulässig seien.

"Mein einziger Weihnachtswunsch ist eine Wohnung", erklärt unterdessen Maierhofer auf die Frage, ob sie der SZ-Adventskalender irgendwie helfen könne. Nach und nach fallen ihr dann doch noch ein paar andere Sachen ein: ein Anorak für ihren Sohn, ein neues Bett mit Matratze für ihren Enkel und für sich ein Paar neue Winterstiefel.

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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