Fürstenfeldbruck:Schweinebauch statt Spareribs

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Zwischen dem Wirtshaus Fürstenfelder und der Barockkirche liegt iyllisch der Biergarten. (Foto: Wolfgang Pulfer; Fürstenfelder)

Fürstenfelder Gastronom veranschaulicht, wie sehr die stark gestiegenen Kosten und die erneute Anhebung der Mehrwertsteuer die Branche unter Druck setzen.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die nach der Corona-Krise wieder aufs ursprüngliche Niveau angehobene Mehrwertsteuer setzt auch im Landkreis die Gastronomie unter Druck. Denn die Betriebe haben mit gestiegenen Einkaufspreisen bei Lebensmitteln und Energie sowie Fachkräftemangel und deutlich gestiegenen Löhnen zu kämpfen und können die Mehrbelastungen nicht eins zu eins einfach an die Kunden weitergeben. Auch die müssen sparen. Umfragen zufolge will sich wegen der gestiegenen Preise mehr als ein Viertel der Deutschen beim Essengehen zurückhalten.

Die Analyse von Gerhard Kohlfürst ist wohltuend sachlich und ohne Wehklagen

In einer wohltuend nüchtern-sachlichen Bestandsaufnahme und ganz ohne großes Wehklagen beschäftigt sich Gerhard Kohlfürst, Chef der Fürstenfelder Gastronomie, mit den Folgen von Pandemie und Ukrainekrieg. Als anschauliches Beispiel dienen ihm die Spareribs, die in der Biergartensaison beliebt waren, auf die man nun aber wohl erst einmal verzichten muss.

Kohlfürst blickt zurück auf die als "Notfall-Maßnahme gedachte Senkung der Mehrwertsteuer auf gastronomische Speisen von 19 auf sieben Prozent. "Trotz Umsatzeinbußen konnten Wirte und Wirtinnen dank höherem Nettobetrag ihre Preise stabil halten. Und für die Menschen war die Senkung ein Anreiz, während und nach der Pandemie wieder Essen zu gehen." Dann begann der Ukrainekrieg. Die Energiekosten stiegen. Seit Jahresbeginn gelten wieder die 19 Prozent.

Gerhard Kohlfürst leitet seit der Eröffnung im Jahr 2001 Wirtshaus und Biergarten. (Foto: Toby Binder, Fürstenfelder)

Für Unternehmenskunden, die bei Tagungen und Veranstaltungen per Catering verköstigt werden, spielt das keine große Rolle. Im Geschäftsbereich ist die Mehrwertsteuer ein Durchlaufposten. Für die Restaurantgäste sind die erhöhten Brutto-Preise dagegen spürbar - auch wenn die Stammgäste offenbar ziemlich treu sind. Stärker auswirken wird sich die Teuerung nach Kohlfürsts Überzeugung im Biergarten. Bayerische Gemütlichkeit freilich müsse bezahlbar sein. Unter Berufung auf die Wirtschaftsauskunftei Crif, derzufolge 2023 wieder mehr Betriebe schließen mussten als im Vorjahr und bundesweit etwa 15 000 als insolvenzgefährdet gelten, zeichnet Kohlfürst selbst für das wohlhabende Bayern ein wenig optimistisches Bild.

Dabei ist die Lage des Fürstenfelder nicht gar so schlecht: 2023 wurden in allen Unternehmensbereichen überdurchschnittliche Umsätze erzielt — auch im Vergleich zur Branche. Doch im Vergleich zum Vorjahr hätten sich allein die Energiekosten mehr als verdoppelt. "Rund 150 000 Euro mussten wir gegenüber 2022 mehr aufwenden." Die Folge: "Wir bilden keine Rücklagen und vermeiden Investitionen. Und das macht uns Sorgen. Was, wenn es so bleibt? Was, wenn es mal schlechter läuft? Der Druck in der Branche nimmt zu. Auch bei uns."

Spareribs gibt es im Fürstenfelder Biergarten erst einmal nicht mehr. (Foto: Robert Haas (Symbolfoto))

Das wirkt sich letztlich auch aufs Angebot aus: Das bio-zertifizierte Fürstenfelder verarbeitet vorzugsweise regionale und saisonale Produkte. Das klappt nicht immer. So mussten Spareribs , die zuvor schon zum teureren Biergartenangebot zählten, teils in Österreich zugekauft werden. Die höhere Lkw-Maut und Klimaaufschläge für den Güterverkehr schlagen durch. Eine wegen höherer Preise sinkende Nachfrage bedeute nicht nur den Verzicht bei Gästen, warnt Kohlfürst. Das spüren auch die Landwirtsfamilie, der Lieferant oder die Schlachterin. Aus dem Schneider ist meist einzig der Handel, der am längeren Hebel sitzt und die Konditionen diktiert.

Der Wirt unterstützt Maßnahmen im Sinne von Klimaschutz und sozialen Standards

Kohlfürst gehört mitnichten zu denen, die nur auf "die da oben" schimpfen oder mit fragwürdigen Parolen auf die Straße gehen: "Das Absurde ist, dass wir viele dieser Maßnahmen mit Blick auf Klimaschutz und soziale Standards unterstützen." Dennoch sei es besonders herausfordernd, wie kurzfristig bisweilen politische Entscheidungen getroffen und umgesetzt würden. So habe man Ende des vergangenen Jahres Hochzeitspaaren mit Blick auf die ungewisse Entwicklung bei Teuerung und Mehrwertsteuer noch keine Mappe mit aktuellen Preisen für 2024 schicken können. Gerhard Kohlfürst sieht die Zeit gekommen für eine "grundlegende Reform", die auch eine gewisse Kontinuität sicherstellen soll. Und die Landwirtschaft als Ursprung der Lebensmittel brauche "faire Erzeugerpreise statt unsinniger Subventionen." Damit dürfte der Gastronom auf das Prinzip "Mehr Fläche bedeutet mehr Geld" anspielen und auf die Subvention von Agrardiesel, gegen deren Streichung sich die Landwirte jüngst erfolgreich zur Wehr gesetzt haben - Experten fordern die Förderung kleiner bäuerlicher Strukturen und die Honorierung einer umweltschonenden Produktionsweise und der Landschaftspflege.

Die Forderung: Mehr Kontinuität und faire Erzeugerpreise statt unsinniger Subventionen

Die unterm Strich zu teuer gewordenen Spareribs werden im Fürstenfelder durch ein regionales Bio-Produkt ersetzt: knusprigen Schweinebauch. Vielleicht stecke darin am Ende sogar eine Chance, hofft Kohlfürst. Denn sich regionaler und saisonaler aufzustellen sei künftig nicht nur nachhaltiger, sondern könne sich auch auszahlen. Es gibt einen weiteren Grund dafür, dass sich die Gastronomie auf dem Gelände des Veranstaltungsforums letztlich gut gerüstet sieht für die Zukunft: Der Fachkräftemangel ist kein Thema. Das ist jenseits von Kosten und Preisen die Rendite der Investition in einen Bereich, der wichtiger ist als die Entscheidung für Spareribs oder Schweinebauch: in die Menschen und ihre fundierte Ausbildung.

Bärbel Mahlmann. Personalleiterin der Fürstenfelder Gastronomie und Hotel ist jüngst auf dem Bayerischen Fachtag zur Ausbildungsbotschafterin der bayerischen Hotellerie und Gastronomie ernannt worden. Ebenso wie 24 Kolleginnen und Kollegen aus ganz Bayern wirbt sie auf Messen und Schulveranstaltungen für das System der dualen Ausbildung, organisiert praktische Tage im Betrieb für Schulen und versucht, jungen Menschen den Stellenwert einer Ausbildung zu vermitteln. Mahlmann: "Dabei geht es nicht nur um den Nachwuchs im eigenen Betrieb, sondern um die Branche im Allgemeinen."

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